28.08. bis 10.12.2006

Sächsischer Kurhut, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

Fürst Anselm Franz von Thurn und Taxis als Erbgeneralpostmeister, 1715, Regensburg, Thurn und Taxis Kunstsammlungen

Thron des Reichsprinzipalkommissars, 18. Jh., Regensburg, Fürst Thurn und Taxis Kunstsammlungen

Aus dem Blickwinkel der Kaiserdynastie schwenkt die Dramaturgie der Ausstellung auf den Körper des Reiches. Einerseits ist das Reich durch mittelalterliche, ständische Strukturen geprägt, so z.B. die in der „Goldene Bulle“ kanonisierte Wahl der Kaiser durch die Kurfürsten. Andererseits entwickelt sich seit dem 15. Jahrhundert eine moderne Staatlichkeit im Reich. Hierzu sei die Einteilung in Reichskreise erwähnt oder aber die Entstehung des Reichskammergerichts. Die Form des Reichstags wird verrechtlicht – der Reichstag selbst wird schließlich 1663 zum immerwährenden Gesandtenkongreß.

Die weltlichen Kurfürsten (Sachsen, Böhmen, Brandenburg und Pfalz), so ungleich deren Macht und Territorien waren, gehörten zu den bedeutendsten Herrn im Reich; die geistlichen (Trier, Mainz, Köln) hingegen waren die vornehmsten Kurfürsten und Kirchenfürsten im Reichsgebiet. Trotz ihrer Nähe zum Kaiser waren die weltlichen Kurfürsten aber auch dessen politische Konkurrenten, die, wie im Falle Brandenburgs, über das Reich hinaus eine eigene machtpolitische Stellung anstrebten.

Neben den Kurfürsten waren auch die übrigen Reichsstände auf dem Reichstag vertreten; alle bedeutsamen gesetzlichen Entscheidungen traf der Kaiser in Abstimmung mit ihnen. Unterschiedliche Interessen innerhalb der Reichspolitik erzeugten Konflikte - der Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen verdient somit ebenfalls besondere Aufmerksamkeit.

Die Umsetzung der auf den Reichstagen gefassten Beschlüsse und Ordnungen sowie der Verfassungen in den Territorien wurde durch die hierarchische Gliederung des Reiches ermöglicht. Nachhaltige Wirkungen hatten die 1512 geschaffenen zehn Reichskreise, die eine sinnvolle territoriale Ordnung bildeten und die einzelnen Landesherrschaften und Fürstenstaaten sowie Reichsstädte und – vereinzelt - Reichsdörfer zusammenfassten. Ein wichtiges Merkmal des Reiches war seine Verfassungs- und Rechtsstruktur. Mit der Gründung des Reichskammergerichts 1495 wurde erstmals ein oberster Gerichtshof geschaffen und somit quasi ein Vorläufer des heutigen Bundesverfassungsgerichts.

Daneben wäre die aus dem Mittelalter stammende Reichskirchenverfassung zu nennen, die erst mit der Säkularisation 1803 aufgehoben wurde, in Teilen jedoch bis auf das heutige Verhältnis von Staat und Kirche nachwirkt. Erstmalig wurde ein regelmäßiger Postverkehr organisiert, für das habsburgische Reich durch Thurn und Taxis. Die Einrichtung fester Postlinien ermöglichte die Kommunikation über weite Distanzen hinweg.

Neben den Institutionen des Reiches gilt diese Ausstellungssektion auch dem Reichszeremoniell. Wahl und Krönung des Kaisers folgten mittelalterlicher Tradition, basierten auf dem universalen Kaisertum des Mittelalters und der Idee des christlichen Reiches in Europa, doch gewann der Akt der Wahl gegenüber der Krönung mehr und mehr an Bedeutung. Zu Beginn der Neuzeit löste sich die Bindung an den Papst und das Zentrum der universalen Kirche in Rom. Die letzte Krönung in der „Ewigen Stadt“ erfolgte 1452, die letzte päpstliche Krönung überhaupt nahm Clemens VII. 1530 für Karl V. in Bologna vor.

 

Zum Ausstellungsteil V: Gelebtes Reich


IV. Körper und Glieder des Reiches