Zur Ausstellung
Volker Geissler
In memoriam


„Genügt es uns, eine rein dokumentarische Ausstellung zu machen? Wir verneinten diese Frage, denn wir befürchteten, dass der Besucher die Vorgänge zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert kaum in Bezug zu seiner eigenen Lebenswelt setzen würde. Das bewog uns dazu, dass wir nach außen hin weiter eine Ausstellung über die historische Hexenverfolgung ankündigten, in Wirklichkeit aber, anhand des Beispiels der historischen Hexenverfolgung in der Eifel und Umgebung, eine Ausstellung machten über das Phänomen, bei dem das übersteigerte Ausmerzen des Bösen selbst zum Bösen wird.

Was interessierte uns an dem Thema?

Wir entschlossen uns, das Phänomen bis in die Gegenwart zu verlängern, damit der Besucher die zugrunde liegenden Denkungsweisen nicht in die Vergangenheit abschieben kann, weil wir glaubten, dass die Hatz von Minderheiten oder Außenseitern immer noch in verschiedensten Bereichen eine große Rolle spielt.

Wir haben uns entschieden, dass nicht nur klassische Ausstellungsgegenstände wie Foltergeräte, Prozessakten, Bücher die Objektebene unserer Ausstellung sein würden, sondern wir wollten viel weiter gehen. Wir wollten zeigen, wie das Phänomen in der bildenden Kunst, in der Literatur, im Spielfilm, im Journalismus, in der Kunstfotografie des 19. und 20. Jahrhunderts gezeigt wird. Wir haben uns außergewöhnliche Assoziationen zugestanden. Wir haben uns den vorsichtigen Vergleich mit dem Holocaust getraut, trotz unseres Wissens um die heftige Auseinandersetzung darum. Wir haben einen zeitgenössischen Komponisten beauftragt, das Phänomen in Klängen zu erfassen.

Aus dem Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Medien haben wir ein Mosaik geschaffen, das auf den Besucher wie ein Film wirken sollte, nur fährt der Film nicht an ihm vorbei, sondern er bewegt sich durch den Film. Er erlebt den Zustand der Angst vor der Veränderung, die wir als einen der Grundzustände die zu Massenverfolgungen führen, definierten. In Originalobjekten kann er die Formen der Steigerung sehen, die das Phänomen annimmt. Kunst und Literatur geben ihm Einblick in das Phänomen überlagernde Frauenphantasien. Zitate aus der historiographischen Aufarbeitung des Themas sollten dem Besucher zeigen, dass zu verschiedenen Zeiten die Historiker andere Fragen an das Thema stellten.

Wir sind in der Ausstellung zu Autoren geworden, die ein historisches Thema benutzen, um heutige Fragen zu stellen und den Besucher zu animieren, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen um seine Gegenwart zu klären …“


Volker Geissler, 2000


Volker Geissler
Schauspieler, Theaterregisseur, Lektor, Ausstellungsgestalter

Ausstellungsgestaltungen von Volker Geissler

1983–1985 Dauerausstellung des neuen Ruhrlandmuseums
der Stadt Essen
1991
Bärenlese – Zum Wesen des Teddys
Ruhrlandmuseum Essen 1991
1995 Nach dem Krieg – Après la guerre, Dreiländerprojekt: Museum im Burghof Lörrach in Zusammenarbeit mit dem Kantonsmuseum Baselland
in Liestal und dem Musée Historique Mulhouse
1996/97 Ich Narr des Glücks – Heinrich Heine zum zweihundertsten Geburtstag, Kunsthalle Düsseldorf
1999/2000 Zeitwenden, Kunstmuseum Bonn
2000 Incubi Succubi. Hexen und ihre Henker bis heute, Musée d’Histoire de la Ville de Luxembourg
2001 Luxemburg – Die Luxemburger. Konsens und gezügelte Leidenschaft, Musée d’Histoire de la Ville de Luxembourg


Volker Geissler verstarb am 8. August 2001 an den Folgen eines
tragischen Autounfalls.