Rita Voltmer
Franz Irsigler

Forschungsprojekt „Zauberei- und Hexenprozesse im
Maas-Rhein-Mosel-Raum“, Universität Trier

 

Hexen haben Konjunktur! Wie kaum ein anderes Thema der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte wecken Verfolgung und Vernichtung angeblicher Hexen und Hexenmeister in den letzten Jahrzehnten das Interesse einer breiten Öffentlichkeit und die Aufmerksamkeit der historischen Forschung. Die Flut seriöser und weniger seriöser Publikationen ist kaum noch zu überschauen. Die Forschung konzentriert sich auf Kolloquien, Dissertationen, die Darstellung spektakulärer oder skandalöser Prozesse in Einzelstudien und ansatzweise auch auf die kritische Publikation von Quellen. Daneben wurden in Belgien, Frankreich, Österreich und Deutschland große und kleine Ausstellungen veranstaltet, die sich mit den jeweiligen regionalen Hexenverfolgungen während des 16. und 17. Jahrhunderts beschäftigten.

Bis zum Jahr 2000 waren die schweren Hexenjagden im Herzogtum Luxemburg jedoch noch nicht zum Thema einer großen Ausstellung gemacht worden. Diese Lücke konnte mit der am 5. Mai 2000 im Musée d’Histoire de la Ville de Luxembourg eröffneten Ausstellung Incubi Succubi. Hexen und ihre Henker bis heute geschlossen werden.

Entstanden war diese Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem seit Januar 1997 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungs-bereichs 235 an der Universität Trier geförderten Projekt Zauberei- und Hexenprozesse im Maas-Rhein-Mosel-Raum, 15.–17. Jahrhundert, unter besonderer Berücksichtigung räumlicher Aspekte. Die dort untersuchte Kernzone europäischer Hexenverfolgungen, zu der die Herzogtümer Luxemburg und Lothringen, die Territorien in der Eifel, das Gebiet der Reichsabtei St. Maximin, Kurtrier und die vielen Herrschaften des Saar-Raumes zählen, wurde im Zeitraum von 1570 bis 1680 von großen Prozesswellen heimgesucht, denen Tausende von Menschen zum Opfer fielen. Im Umfeld dieser schon von Zeitgenossen als außergewöhnlich kommentierten Hexenjagden entstanden überdies wichtige theologische und juristische Schriften, die das gesamte Argumentationsspektrum sowohl der Verfolgungsbefürworter (Peter Binsfeld, Nicolas Remy) als auch der maßgeblichen Verfolgungsgegner (Cornelius Loos, Friedrich Spee) abdeckten. Wie kaum in einem anderen Verfolgungsraum traten hier Prozesspraxis und dämonologischer Diskurs in eine verhängnisvolle Wechselwirkung. Insgesamt lassen sich aus der detaillierten Analyse von Prozessakten, verwandten Quellen und dämonologischem Schrifttum sowie dem Vergleich mit benachbarten Verfolgungsräumen nicht nur Erkenntnisse gewinnen über die Praxis der Hexenverfolgung und über den gelehrten Hexereidiskurs, sondern darüber hinaus wird auch ein breiter Zugang zur Rechts-, Sozial-, Mentalitäts- und Landesgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts erschlossen.
Inhaltlich und personell eng verknüpft ist das Projekt mit der Arbeitsgemeinschaft Hexenprozesse im Trierer Land, deren rund 25 Mitglieder (Wissenschaftler, Studierende, Archivare und Heimatforscher) sich seit 1987 regelmäßig zu Quellenauswertungen, Arbeitsgesprächen, Vorträgen und Exkursionen treffen. Wichtige Ergebnisse der Projektarbeit, auch in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft, wurden bislang auf sechs internationalen Tagungen präsentiert und in der Reihe Trierer Hexenprozesse – Quellen und Darstellungen veröffentlicht. Neben diesen einschlägigen Forschungspublikationen wird Wert auf die kartographische Erfassung der Ergebnisse und die Präsentation wichtiger Quellen in wissenschaftlichen Editionen in Buchform und im Internet gelegt.

Auf der Grundlage der Projektergebnisse wurde bei der Konzeption der Luxemburger Ausstellung rasch deutlich, dass eine räumliche Beschränkung auf das Herzogtum Luxemburg nicht zweckdienlich war, sondern dass weitere Territorien zwischen Reich und Frankreich miteinbezogen werden mussten; denn über alle herrschaftlichen Grenzen hinweg entfalteten die Hexenverfolgungen ihre eigene Dynamik und verbanden die Territorien des Rhein-Maas-Mosel-Raumes zu einem grenzübergreifenden Verfolgungsraum.

Das Trierer Forschungsprojekt übernahm in dieser überaus fruchtbaren Partnerschaft die Rolle eines wissenschaftlichen Beirats, der den Ausstellungsmachern Volker Geissler (tödlich verunglückt im August 2001), Marie-Paule Jungblut und Guy Thewes während der Entwicklung des Ausstellungskonzepts und der Auswahl der Exponate mit Rat und Tat zur Seite stand.

Die im Rahmen einer internationalen Tagung der Association Internationale des Musées d‘Histoire (AIMH) in Luxemburg eröffnete Ausstellung fand die Aufmerksamkeit und das Interesse der anwesenden Kuratoren des Deutschen Historischen Museums, Berlin. In der sich anschließenden engen Zusammenarbeit – die weiterhin auch die Ausstellungskuratoren Marie-Paule Jungblut, Volker Geissler und Guy Thewes einschloss – wurde seit Herbst 2000 die Präsentation in Berlin vorbereitet. Auch das Trierer Hexenprojekt wurde wieder an den Vorbereitungen beteiligt, zumal auch eine Überarbeitung des Begleitbandes anstand. In seiner ersten Fassung als reines historisches Lesebuch konzipiert, wollte dieser Band anhand kurzer Aufsätze gerade einem interessierten Laienpublikum Einführungen in das komplexe Thema bieten und verzichtete deshalb auf einen wissenschaftlichen Apparat. Der neue Standort Berlin brachte auch eine Erweiterung des räumlich-thematischen Bezugs der Aufsätze mit sich, in denen bereits Ergebnisse des Trierer Forschungsprojektes präsentiert worden waren, die weit über reine Regionalstudien hinausgehend sich mit aktuellen Fragen und Thesen der Hexenforschung beschäftigt hatten.

Mit der europäischen Dimension des Phänomens Hexenverfolgung befasst sich nun ein neu aufgenommener einleitender Beitrag im Katalog. Auch wird in einem zweiten neuen Aufsatz der Blick auf die Hexenverfolgungen im Norden Deutschlands gelenkt, um damit nicht zuletzt der katholischen Verfolgungsregion im Rhein-Maas-Mosel-Raum eine nicht weniger intensive protestantische Verfolgungsregion in Mecklenburg gegenüberzustellen. Damit soll zugleich dem landläufigen Vorurteil entgegengearbeitet werden, massenhafte Hexenjagden seien auf katholische Territorien beschränkt geblieben. Zudem verweisen die im Katalog vereinigten Aufsätze auf eine allmähliche Schwerpunktverschiebung der deutschen Hexenforschung, die sich zuerst auf den Süden und Südwesten des Deutschen Reiches konzentrierte, dann mit dem Rhein-Maas-Mosel-Raum die Territorien im Westen des Reichs (und im Osten Frankreichs) stärker in den Blick nahm und nun schließlich den Nordosten Deutschlands nach dem Ende der DDR intensiver miteinbeziehen kann.

Die bereits im Lesebuch vorhandenen Beiträge wurden neu geordnet, aktualisiert, erweitert und mit einem wissenschaftlichen Anmerkungsapparat versehen. Auf zwei Artikel des Luxemburger Begleitbandes musste zugunsten der beiden neu aufgenommenen Beiträge verzichtet werden. Faksimiles und Transkriptionen aus Hexenprozessakten sollen nun zusätzlich die komplexe Thematik verdeutlichen helfen. Außerdem wurde neben dem Aufsatzteil ein umfangreicher Katalogteil in Berlin erarbeitet, in dem nicht nur die Ausstellungsstücke detailliert beschrieben und kontextualisiert, sondern auch eine Auswahl der in der Ausstellung präsentierten Textzitate aus Quellen und Forschungsliteratur wiedergegeben werden. Eine ausführliche Bibliographie schließt den Band ab.

Damit bietet der Katalog zur Berliner Hexenausstellung weit mehr als nur eine überarbeitete Neuauflage des Luxemburger historischen Lesebuchs. Mit seinen Aufsätzen, Quellen- und Textpräsentationen sowie seinen zahlreichen Abbildungen und Exponaterläuterungen wendet er sich nicht nur an Fachhistoriker, sondern an alle, die sich für das Thema interessieren und, angeregt durch den Besuch der Ausstellung, etwas mehr über die politischen, gesellschaftlichen und mentalitätsgeschichtlichen Hintergründe und Begleitumstände der schweren Hexenverfolgungen des
16. und 17. Jahrhunderts erfahren möchten.