Hans Bertram
Zeughaus Berlin, 26. März - 15. Juni 1993
Die Familie in den alten und neuen Bundesländern
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Deutschland um 1900

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Während die wöchentliche Arbeitszeit bei den älteren Kindern in den westdeutschen Dienstleistungszentren deutlich sinkt, sinkt sie trotz der besseren Betreuungsmöglichkeiten in Leipzig kaum. Trotz der inzwischen verbesserten Versorgungslage ist ganz offenkundig der Aufwand für Haushalt und Familie so beachtlich, daß hier eine erhebliche Mehrbelastung der Frauen gegenüber ihren Kolleginnen in den westdeutschen Dienstleistungszentren festzustellen ist. Die Leipziger Frauen arbeiten aber auch durchschnittlich sechs Stunden pro Woche länger als ihre Männer, die ein höheres berufliches Engagement und ein erheblich geringeres Engagement in Haushalt und Familie zeigen.

In den westdeutschen Dienstleistungszentren scheint sich eine andere Form der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen herausgebildet zu haben, nämlich ein erhöhtes berufliches Engagement des Mannes, ein verringertes berufliches Engagement der Frau, ein erhöhtes Engagement der Frau für Haushalt und Familie und ein geringeres Engagement des Mannes für Haushalt und Familie. Gleichheit scheint in den westdeutschen Dienstleistungszentren über Zeit und nicht über Arbeitsteilung angestrebt zu werden. Mit einiger Zurückhaltung könnte man aus diesen Daten die These formulieren, daß sich, zumindest in den westdeutschen Dienstleistungszentren, bei Familien mit Kindern, wenn die Väter und Mütter berufstätig sind, Formen einer gleichverteilten Belastung durch Beruf und Familie zu entwickeln scheinen, wobei der Ausgleich nicht über innerfamiliale Arbeitsteilung gesucht wird, sondern eher über eine gleiche zeitliche Belastung während der Woche. Dieses Modell, das aber auch in der übrigen Bundesrepublik sonst kaum zu finden ist, findet sich in Leipzig nicht, da hier die Mehrbelastung der Frauen im Haushalt nicht durch ein vermindertes Engagement im beruflichen Bereich aufgefangen werden kann.

Nun kann man sich natürlich fragen, ob die hier skizzierten Modelle der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch Lebensmodelle sind, die von den Betroffenen so gewünscht werden, oder ob es Modelle sind, die sich aufgrund der Umstände ergeben haben. Wie unsere Untersuchung der "Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den westdeutschen Dienstleistungszentren sowie Leipzig" zeigt, gibt es bei Eltern mit Kindern auch in den Vorstellungen, wie Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren sind, eine klare und eindeutige Beziehung zum Alter des Kindes.

Sind keine Kindervorhanden, sind die Eltern mit Kindern zu knapp 84 Prozent der Meinung, daß beide Teile voll berufstätig sein sollten, ein Prozentsatz, der sich von den über 94 Prozent in Leipzig zwar unterscheidet, aber doch deutlich macht, daß das traditionelle Modell der Hausfrauenehe dann, wenn keine Kinder vorhanden sind, von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Für die Hausfrauenehe können sich in den westdeutschen Dienstleistungszentren nicht einmal zwei Prozent erwärmen; in Leipzig sind es lediglich 0,2 Prozent.

Anders sieht es aus, wenn die Kinder unter drei Jahre alt sind. Dann stimmt auch in den westdeutschen Dienstleistungszentren etwas mehr als die Hälfte der Befragten dafür, daß die Frau nicht berufstätig sein sollte, und weitere knapp 17 Prozent lassen es offen, ob der Mann oder die Frau nicht berufstätig sind. Andere Modelle fallen demgegenüber weit ab.

Bei den Leipziger Befragten ist die Tendenz für dieses Modell von Hausfrau und Mutter nicht ganz so eindeutig, aber noch deutlich erkennbar: 35,2 Prozent sind bei einem Kind unter drei Jahren der Meinung, daß die Frau nicht berufstätig sein sollte, und weitere 6,3 Prozent sind dafür, daß nur einer berufstätig ist. Im Gegensatz zu den Wunschvorstellungen der sozialistischen Familienplaner entspricht bei Kindern unter drei Jahren nicht das Modell der voll in das Erwerbsleben integrierten Frau dem Wunsch der Befragten, sondern neben dem Hausfrauen- und Muttermodell eindeutig die Teilzeitbeschäftigung mit 37,6 Prozent beziehungsweise weiteren 10,4 Prozent, die offenlassen, wer Teilzeit arbeiten sollte. Anders als in den westdeutschen Dienstleistungszentren spielt die Teilzeittätigkeit des Mannes mit immerhin 23,5 Prozent gegenüber 0,9 Prozent in den alten Bundesländern in den Vorstellungen der Menschen in Leipzig eine gewichtige Rolle.

Bei den drei- bis sechsjährigen Kindern gewinnt auch in den westdeutschen Dienstleistungszentren das Teilzeitmodell deutlich an Gewicht, wohingegen das Modell der Hausfrau und Mutter an Bedeutung verliert. Bei den Leipziger Befragten ist das Hausfrauen- und Muttermodell bei den drei- bis sechsjährigen Kindern mit etwa 7 Prozent so gut wie nicht mehr vorhanden. Die Teilzeittätigkeit der Frau dagegen erreicht einen Anteil von knapp 57 Prozent.
Bei Schulkindern sind die Befragten sowohl in den westdeutschen Dienstleistungszentren als auch in Leipzig mehrheitlich der Auffassung, daß die Teilzeittätigkeit das beste Modell sei, um Beruf und Familie miteinander zu verbinden, wobei hier die Vollerwerbstätigkeit in den westdeutschen Dienstleistungszentren überwiegend negativ eingeschätzt wird, während sich in den neuen Bundesländern immerhin etwas mehr als ein Drittel der Befragten vorstellen kann, in dieser Altersphase der Kinder voll erwerbstätig zu sein.

Auch diese Analyse macht deutlich, daß die Vorstellungen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vom Alter des Kindes abhängig sind. Dieses phasenspezifische Konzept gilt sowohl für Leipzig als auch für die westdeutschen Dienstleistungszentren. Dabei ist im Westen die Übereinstimmung zwischen den Vorstellungen und den tatsächlich gelebten Formen größer als in Leipzig.

 

 
           
 
 
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