Mythen der Nationen. 1945 - Arena der Erinnerungen  
   
 


Polen

Schuld?

Das Selbstverständnis Polens als Opfer der deutschen Besatzung, das dennoch nach Kräften Widerstand leistete, überdauerte das Ende der Volksrepublik Polen um beinahe ein Jahrzehnt. Ende der 90er Jahre wurden die Widerstands- und die Opfererzählung durch den Vorwurf der Mittäterschaft bei der Ermordung polnischer Juden in Frage gestellt.
Vergrößerung
In den 60er Jahren wurde in dem Dorf Jedwabne ein Gedenkstein aufgestellt mit der Inschrift: „Ort der Hinrichtung der jüdischen Bevölkerung. Gestapo und Nazi-Gendarmerie verbrannten 1 600 Personen bei lebendigem Leib. 10.7.1941.“ Jan Tomasz Gross beschreibt einen anderen Verlauf des Geschehens. Demnach hätten an diesem Tag polnische Einwohner des Ortes, ohne von den Deutschen dazu gezwungen worden zu sein, die Juden ermordet. Die Überlieferung, es habe in Polen keine Kollaboration mit den deutschen Besatzern gegeben, und die polnische Bevölkerung sei nirgendwo in die Ermordung der polnischen Juden verstrickt gewesen, wird dadurch in Frage gestellt.
Wenngleich Gross keinen Zweifel daran läßt, daß die Deutschen „die unbestrittenen Herren über Leben und Tod“ waren, sieht er sie im Falle von Jedwabne als „Zuschauer“ und Polen als „Täter“. Gross' Buch zeitigte große Wirkung. Zwei Monate nach seiner Veröffentlichung erschienen die ersten Artikel zum „Fall Jedwabne“ als Auftakt einer öffentlichen Diskussion, in der bezeichnenderweise der Streit um das polnisch-jüdische Verhältnis unter der sowjetischen Besatzung ein wichtiges Element war. Im Juli 2001 bat der polnische Staatspräsident im Namen Polens die Opfer um Verzeihung.
Die Dokumentarfilmerin Agnieszka Arnold war zuerst auf die Morde in Jedwabne aufmerksam geworden. Ein Bericht, den sie im Ringelblum-Archiv fand, gab den Anstoß zu einem Film über polnisch-jüdische Beziehungen unter der deutschen Besatzung und zu den Aufnahmen in Jedwabne. Die Arbeit an diesem Film, „Wo ist mein älterer Bruder Kain?“, begann 1997. Wenig später entstand aus den Interviews, die sie mit den Einwohnern Jedwabnes führte, der Film „Nachbarn“, der im polnischen Fernsehen gesendet wurde, als die Debatte um das Buch von Jan Tomasz Gross voll entbrannt war.
 

 

   
 
   
 
   
   
  DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUM                                                                           Impressum · Suche · Gästebuch  
www.berlin.de - Stadtplan weitere Besucherinformationen Begleitband Begleitprogramm Museumspädagogik Kinoprogramm Pressespiegel Rundgang Eröffnung 360° Panoramen Leihgeber Ausstellungsstartseite Zur englischen Seite Zu polnischen Seite Zum Seitenanfang Das Eingeständnis / Niederlande