Learning and Education


Tours

Public guided tours
Saturday:_3 pm
Sunday:__11 am, 3 pm
Monday:__3 pm

Meeting place: escalator, basement I.M. Pei building. Cost: 4,- €

Group tours
Possible everytime, reservation necessary. We offer tours in German, English, Polish and Russian.

Cost: 50,- € German; 60,- € foreign-language

Guided tours for school groups reservation necessary

Reservation and information
September 16, 2004 to Februar 27, 2005
On weekdays between 9 am and 1 pm
Tel: +49-(0)30-20304-750 (Ms. Konietzko)
FAX: +49-(0)30-20304-759
E-mail: fuehrung@dhm.de

 

 

 


Further information (in German):

Das museumspädagogische Vermittlungsangebot richtet sich an alle Besucher des Deutschen Historischen Museums. Regelmäßig werden öffentliche Führungen an-geboten.

Für Lehrer und Schüler bietet die Museumspädagogik ein lehrplanangepasstes Führungsprogramm an.

Ein von der Museumspädagogik erarbeitetes Begleitheft bietet neben der Vor-stellung der sieben Ausstellungskapitel einen Übersichtsplan und Materialien für die Bildungsarbeit. Es ist im Museumsladen erhältlich.

Gespräch mit Dr. Monika Flacke, Kuratorin der Ausstellung

Gespräch mit Prof. Dr. Horst Bredekamp, Kunstgeschichtliches Seminar
der Humboldt-Universität und Wissenschaftskolleg zu Berlin

Literaturhinweise, Medientipps und Internetadressen

Mit Fragen, Anregungen oder Diskussionsbeiträgen erreichen Sie
Herrn Bresky und Frau Vogel , DHM Museumspädagogik per E-Mail


Impressum-Museumspädagogik

 
 

 

 


 

Lehrer und Schüler

Die Museumspädagogik bietet Führungen für Schüler der Oberstufe an. Die Referenten sind Studentinnen und Studenten. Für Fragen und Diskussionen stehen sie jederzeit zur Verfügung.

Das Führungsangebot orientiert sich am Lehrplan der Oberstufe und möchte zur Diskussion anregen. Die Führung wird Geschichtsbilder verschiedener Nationen analysieren und miteinander vergleichen.
Zur Diskussion stehen die Widerstandsmythen der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und Frankreichs. Die Führung setzt sich außerdem mit der Bildsprache der verschiedenen Medien, wie Gemälde, Schulbücher, Filme usw. auseinander. Darüber hinaus geht sie auf die Kontroversen in der Geschichtsinterpretation, wie die Debatte um die Wehrmachtsausstellung ein.

Dauer: ca. 60 Minuten, Gebühr: 1€ pro Schüler, der Eintritt ist frei!

Andere Schwerpunktsetzungen sind möglich, bitte geben Sie Ihre Wünsche bei der Anmeldung an.

Der Ausstellungsbesuch kann auf Nachfrage mit der Vorführung des Films „Der Zug des Lebens“ kombiniert werden, von dem ein Ausschnitt in der Ausstellung gezeigt wird.

Dauer: ca. 180 Minuten, Gebühr: 3 € pro Schüler (inkl. Führung);
kann nur in Zusammenhang mit einer Ausstellungsführung gebucht werden.

Der Film wird Freitags zwischen 10 und 14 Uhr gezeigt.
Termine müssen mindestens zwei Wochen im Voraus gebucht werden.

Lehrer finden im Begleitmaterial Anregungen zur Vor- und Nachbereitung der Ausstellung, sowie Arbeitsbögen für Schüler.

Für Lehrer bieten wir am 21. Oktober um 15 Uhr ein Lehrerseminar an. Die dreistündige Veranstaltung findet im Auditorium des Pei-Baus statt. Anmeldungen werden unter der

Telefonnummer: 030-203 04 750 (ab 16. September von 9 bis 13 Uhr) erbeten.

Ihre Anmeldung nimmt Frau Konietzko gern werktags von 9-13 Uhr entgegen

Tel. 030 – 20 304 750
Fax: 030 – 20 304 759
E-Mail: fuehrung@dhm.de

 
 

 

 


 

Berlin, September 2004

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Fachlehrerinnen und -lehrer in den Bereichen Geschichte/Politische Weltkunde, Sozialkunde, Deutsch und Kunst, wir möchten Sie auf die Ausstellung

„Mythen der Nationen. 1945 - Arena der Erinnerungen“

aufmerksam machen, die das Deutsche Historische Museum vom 2. Oktober 2004 bis zum 27. Februar 2005 im Pei-Bau, der Ausstellungshalle des DHM, zeigt. Sie vermittelt die Geschichte der Wahrnehmung des Zweiten Weltkriegs nach 1945 in den europäischen Staaten, den USA und Israel. Nirgendwo sind die Erinnerungen an diesen Krieg verblasst. Der Mythos von der widerständigen Nation, welcher die Länder sofort nach Kriegsende am nachhaltigsten prägte, besaß eine solche Überzeugungskraft, dass er von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wurde. Kollaboration und Mitläufertum wurden vorerst verdrängt und beschwiegen. Doch ist dieser Zusammenhang von Verdrängung und Mythisierung - so die These der Ausstellung - nicht zu trennen von der Befriedung innerhalb der Gesellschaften, welche den Aufbau Europas erst ermöglichte.
Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und an den Völkermord ist zentraler Bestandteil einer neu entstehenden europäischen Öffentlichkeit geworden. Doch konnte die nach 1989 westlich geprägte Sicht auf die jüngste Geschichte nicht in gleicher Weise im östlichen Europa übernommen werden. Die unterschiedlichen Geschichtskonstruktionen zum Zweiten Weltkrieg werden weiterhin in einer „Arena der Erinnerungen“ umkämpft bleiben.
Diese Mythen werden in Photographien, Gemälden, in Büchern und Filmen manifest und prägen zum Teil bis heute entscheidend unser Bildgedächtnis und Geschichtsbild vom Zweiten Weltkrieg.
Anhand von Objekten aus über 30 Staaten möchte die Ausstellung diese Erinnerungswege und ihren Wandel im Laufe der Nachkriegsjahre bis heute nachzeichnen. Unter den Objekten sind mehr als 50 Filmausschnitte.

Für Lehrer und Multiplikatoren bieten wir ein Einführungsseminar an:
Donnerstag, 21. Oktober 2004, 15 Uhr .
Diese dreistündige Veranstaltung findet im Auditorium des Pei-Baus statt.
Ihre Anmeldung wird erbeten unter der Telefonnummer
030-20304750 (ab 16. September von 9 bis 13 Uhr).

Das Lehrer-/Schülermaterial wird bei der Einführungsveranstaltung ausgegeben oder kann im DHM gegen einen Unkostenbeitrag erworben werden.

Kontakt und Information
Brigitte Vogel und Stefan Bresky (Museumspädagogik)
Tel.: 030 – 20304 753 / 752
E-Mail: vogelb@dhm.de , bresky@dhm.de

 
 

 

 


 

Filmvorführung für Schulklassen

Geschichte wird über viele Medien vermittelt: Ausstellungen in Museen sind eine Möglichkeit, Spielfilme eine andere. Nach einem Besuch der Ausstellung „Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen“ bieten wir Schulklassen die Möglichkeit an, sich mit dem Medium – und in diesem Fall auch Ausstellungsobjekt – Film auseinander zu setzen.
Der Film des rumänischen Filmemachers Radu Mihaileanu provoziert die Frage, ob es legitim ist, das Thema Völkermord an den europäischen Juden mit Mitteln einer Komödie darzustellen.
Im Anschluss an die Filmvorführung folgt eine Nachbesprechung und Diskussion mit den Schülern. Dabei geht es auch um die Frage, wie Bilder unsere Erinnerung an den Völkermord an den europäischen Juden prägen. Didaktisches Ziel ist der kritische Umgang mit Bildzeugnissen und Geschichtsbildern am Beispiel des Nationalsozialismus.

„Zug des Lebens“

Der Regisseur Radu Mihaileanu wurde 1958 in Bukarest geboren. 1980 wanderte der Sohn jüdischer Eltern über Israel nach Frankreich aus, wo er an der Filmakademie studierte. Mit dem 1998 gedrehten Film Train de Vie – „Zug des Lebens“ wurde Mihaileanu weltweit bekannt und erhielt mehrere Preise auf verschiedenen Festivals. Nach einigen Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Filmverleih kam der Film 1999 in die deutschen Kinos und lief mehrfach im Fernsehen.
„Zug des Lebens“ ist eine Tragikomödie über Vertreibung und Judenmord, in der kein Blut fließt und kein Toter zu sehen ist. Sie spielt 1941 irgendwo in Osteuropa. Schlomo, der Dorfnarr, überbringt die Nachricht von den vorrückenden deutschen Truppen, die jüdische Dörfer niederbrennen und die Bewohner deportieren. Um der Deportation zu entgehen, beschließen die Dorfbewohner, sich selbst zu deportieren. Viel schwieriger als der Kauf eines maroden Güterzuges und die Beschaffung von Vorräten ist die Überzeugungsarbeit bei den Schtetlbewohnern, dass sie selbst Wehrmachts- beziehungsweise SS-Einheiten zur Bewachung bilden müssen. Im Laufe der Zeit beginnen die Flüchtenden sich in ihren Rollen zu verlieren
Der Film löste ähnliche Kontroversen wie „Das Leben ist schön“ von Roberto Benigni aus. Dabei treibt Mihaileanu die Absurdität auf die Spitze: So wird der Zug von einer deutschen Armee-Einheit gestoppt, doch die ‚Deutschen' entpuppen sich als Sinti oder Roma, die sich ebenfalls als Deutsche verkleidet haben. Der Regisseur erzählt: „Keiner wollte ihn finanzieren. Wir wurden als antisemitische Irre bezeichnet, obwohl ich Jude bin. Keiner hat den jüdischen Humor verstanden.“ Trotzdem war er zuversichtlich, ein Publikum zu finden, das den Film schätzen würde: „Die Zuschauer sollen sich in diese wundervollen, unperfekten Charaktere verlieben und dann verstehen lernen, dass diese Menschen nicht mehr existieren. Sie sind eben nicht gerettet und sicher, sie existieren nicht mehr. Aber sie leben noch in unserer Erinnerung. Würde ich Sie vergessen, würde ich sie noch einmal töten. Deshalb erzähle ich diese Geschichte jedem – Freunden, Fremden, allen.“

Zur Anmeldung

 
 

 

 


 

Begleitmaterial

Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft. Das Material bietet eine Übersicht über die Ausstellungsräume und weitere Informationen – es beschäftigt sich mit dem Begriff „Mythos“, enthält ein Kapitel über Fotografien als historische Zeugnisse und einen Denkmalspaziergang durch Berlin. Ergänzend gibt es im Heft kommentierte Literatur- und Internetipps.
Für Lehrer und Schüler enthält das Heft einen didaktischen Teil mit Anregungen und Arbeitsvorschlägen für den Unterricht, Fragebögen zur Ausstellung und zum Denkmalspaziergang.

Das Heft ist im DHM-Museumsladen für 8 € erhältlich.

(Illustration Titelcover folgt später)

 

 

 


 

BÜCHER

Aleida Assmann, Ute Frevert:
Geschichtsvergessenheit – Geschichts-versessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945. Stuttgart 1999

Cornelia Brink:
Ikonen der Vernichtung. Öffentlicher Gebrauch von Photographien aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern nach 1945. Berlin 1998

Emil Brix (Hg.):
Der Kampf um das Gedächtnis. Öffentliche Gedenktage in Mitteleuropa. Wien u.a. 1997

Monika Flacke (Hg.):
Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen. 2 Bde. München 2003

Ute Heimrod u.a. (Hg.):
Der Denkmalstreit - das Denkmal? Die Debatte um das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Eine Dokumentation. Bodenheim 1999

Isabelle de Keghel, Robert Maier (Hg.):
Auf den Kehrrichthaufen der Geschichte? Der Umgang mit der sozialis-tischen Vergangenheit. Hannover 1999

Volkhard Knigge, Norbert Frei (Hg.):
Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und dem Völkermord. München 2002

Habbo Knoch:
Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungs-kultur. Hamburg 2001

Peter Reichel:
Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur von 1945 bis heute. München 2001

Peter Reichel:
Erfundene Erinnerung. Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater.
München 2004

James Young:
Nach-Bilder des Holocaust in zeitgenössischer Kunst und Architektur. Hamburg 2000

 

 


 

INTERNET

Die aufgeführten Internetseiten sind entweder auf Deutsch oder Englisch verfasst.

www.annefrank.org
Anne Frank Haus, Amsterdam

www.auschwitz.org.pl
Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau

www.cicb.be
Jewish Museum of Deportation and Resistance in Mechelen

www.ddaymuseum.org
D-Day-Museum in New Orleans

www.gdw-berlin.de
Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin

www.gedenkstaettenforum.de
Forum der Gedenkstätten in Deutschland

www.holocaustforum.gov.se
Internationalen Forums zum Holocaust in Stockholm vom Januar 2000

www.dhm.de/lemo
Lebendiges Virtuelles Museum Online des Deutschen Historischen Museums

www.lidice-memorial.cz
Denkmal in Lidice

www.nhm.mil.no
Norwegische Widerstandsmuseums in Akershus

www.occupationmuseum.lv
Museum der Geschichte der Besetzung Lettlands (1941-1990).

www.okupatsioon.ee
Museum der Geschichte der Besetzung Estlands

www.oorlogsmuseum-overloon.nl
Das niederländische Kriegs- und Widerstandsmuseum in Amsterdam

www.oradour.org
Dokumentationszentrum Oradur

www.resistenza.de
Seite zur italienischen Widerstandsbewegung

www.science.co.il/Holocaust-Museum.asp
Links zu 50 internationalen Holocaust-Museen

www.shoa.de
Arbeitskreis Shoah.de

www.ushmm.org
United States Holocaust Memorial Museum in Washington

www.yad-vashem.org.il
Zentrale Holocaust-Gedenkstätte in Israel

www.1944.pl
Museum des Warschauer Aufstands in Polen

 

 


 


Interview mit Dr. Monika Flacke

Weder in Europa, noch in den USA oder in Israel sind die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg verblasst. Der Mythos von der widerständigen Nation, welcher die Länder sofort nach Kriegsende am nachhaltigsten prägte, besaß eine solche Überzeugungskraft, dass er von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wurde. Kollaboration und Mitläufertum wurden vorerst verdrängt und beschwiegen. Doch ist dieser Zusammenhang von Verdrängung und Mythisierung - so die These der Ausstellung - nicht zu trennen von der Befriedung innerhalb der Gesellschaften, welche den Aufbau Europas erst ermöglichte.
Zum Ausstellungskonzept haben wir die Kuratorin der Ausstellung, Dr. Monika Flacke, befragt.

Museumspädagogik: Würden Sie uns Ihr Ausstellungskonzept erläutern?
Monika Flacke: Ausgangspunkt meiner Recherchen war die Frage nach der Auseinandersetzung mit dem Völkermord an den europäischen Juden. Doch habe ich feststellen müssen, dass man sich in fast allen Ländern bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht an den Völkermord an den europäischen Juden erinnert hat. Viel wichtiger war die Konstruktion einer Erinnerung an den Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Die Nationen haben sich auf eine Heldengeschichte geeinigt, darauf, dass das Leid und die Opfer nicht umsonst gewesen seien und dass man für sein Volk, zur Verteidigung seiner Nation gestorben sei. Über Kollaboration und Mitläufertum wurde geschwiegen. Diese Erkenntnis wendet sich gegen eine uralte These der politischen Linken in der Bundesrepublik Deutschland. Diese besagt, dass man statt zu verdrängen diese Vergangenheit hätte aufarbeiten müssen. Für die Länder war es wichtiger, die Nation zu einigen, als sich mit den dunklen Seiten seiner Geschichte zu beschäftigen.

Museumspädagogik: Können Sie ein Beispiel nennen?
Monika Flacke: Ja, Frankreich. Dort hat man, nachdem viele Kollaborateure verurteilt worden waren, einen Schlussstrich gezogen und gesagt, alle waren im Widerstand. Damit hat man die Nation zunächst geeint.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Beschweigen der Geschichte und der Konstruktion eines Mythos, der zur Befriedung Europas geführt hat, weil dieser die Gesellschaften einen konnte, auch wenn keinesfalls alle Widerstand geleistet haben. Diese Art und Weise der Erinnerung, die wir auch als Meistererzählung bezeichnen, ist ein Mythos. Das halte ich nicht für negativ: Immerhin ist es nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen, Europa im Inneren zu befrieden, die Völker zu einigen, auch wenn man dafür eine Geschichtskonstruktion wie den Widerstandsmythos brauchte.

Museumspädagogik
: Wer schafft solche Mythen?
Monika Flacke: Diese Art der Erinnerung ist unmittelbar nach Kriegsende entstanden. Wahrscheinlich geschah dies aus einem inneren Bedürfnis heraus. Bilder haben geholfen, den Widerstandsmythos zu verbreiten. In Deutschland konnte man selbstverständlich nicht von Widerstand reden und einen heroischen Mythos bilden. Man benutzte Konstruktionen wie „Wir sind alle verführt worden“ oder „Das waren ‚die Anderen'“ und später war die Wehrmacht im Widerstand
Die Verwendung des Begriffes „Meistererzählung“ hat im östlichen Europa eine besondere Berechtigung: Die Sowjetunion propagierte dort: die Rote Armee und der kommunistische Widerstand haben euch von den „Faschisten“ befreit. Ob die Ungarn oder die Balten das auch so sahen, spielte überhaupt keine Rolle. Alle Schulen lehrten diese Sichtweise, alle staatlichen Stellen mussten ihr folgen. Natürlich blieben unterschwellige Erinnerungen lebendig, die mit dieser sowjet-kommunistischen Meistererzählung überhaupt nichts zu tun haben und nach 1989 aktuell geworden sind. Diese Erinnerungen sind andere als die Erinnerungen im westlichen Europa

Museumspädagogik
: Für die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg spielt aber nicht nur der Widerstands- oder der Befreiungsmythos eine Rolle, sondern auch der Völkermord an den europäischen Juden.
Monika Flacke: Die Erinnerung an den Völkermord setzte in vielen Ländern erst ab den 60er, 70er Jahren ein. Dies konnte erst geschehen, nachdem die Nationen im Inneren gefestigt waren. Sobald ein Land festzustellen beginnt, dass es Juden ausgeliefert hat, ist es sogleich mit dem Problem Kollaboration konfrontiert. Insofern kommt der Völkermord an den Juden zum einen in dem Ausstellungsabschnitt vor, der sich der kritischen Aneignung der eigenen Geschichte widmet, wie auch in dem Teil, der sich mit dem Völkermord beschäftigt. Wie werden und wurden die Bilder benutzt. Zwei Beispiele: das berühmte Bild von der Rampe in Auschwitz oder dasjenige von dem kleinen Jungen aus dem Warschauer Ghetto sind Täterbilder, die nach 1945 als Opferbilder um die Welt gegangen sind.

Museumspädagogik: Hat die Erinnerung an den Völkermord in allen europäischen Ländern den gleichen Stellenwert?
Monika Flacke: Nein, und das ist die zweite These der Ausstellung: Die Länder des östlichen Europas können die Vorstellung des Westens, dass man sich mit dem Völkermord an den Juden beschäftigen muss und dass dies eine allgemeine europäische Erfahrung ist, so nicht annehmen. Dort wird der Holocaust als ein Mord unter anderen angesehen, weil in diesen Ländern unter sowjetischer Okkupation Deportationen und Massenmorde an den Völkern stattfanden – wie im Baltikum. Die Auseinandersetzung damit ist für osteuropäische Länder vordringlicher. Das kann der Westen wiederum nur schwer akzeptieren.

Museumspädagogik: Warum haben Sie sich gegen eine Gliederung nach Ländern und für eine thematische Gliederung der Ausstellung entschieden?
Monika Flacke: Die gemeinsamen Strukturen, die wir in den verschiedenen Mythen entdeckt haben, machen eine thematische Gliederung sinnvoll. „Wir haben widerstanden“ gilt für den Osten wie für den Westen, wenn die Erzählungen auch in sich anders verlaufen. Im östlichen Europa spielt die sowjetische Befreiungsideologie die tragende Rolle. Ein Vergleich ist eher mit einer thematischen Gliederung möglich. Ich habe mich auch gegen einen chronologischen Aufbau entschieden. Die Mythen haben einander nicht einfach abgelöst, sie können parallel bestehen und auch wiederkehren. Es gibt nicht zwangsläufig einen Prozess oder Fortschritt in der Entwicklung der Mythen, obwohl natürlich gesellschaftliche Prozesse oder politische Ereignisse wie die Wende von 1990 großen Einfluss auf die Ausformung nationaler Meistererzählungen haben. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wird auch in Zukunft in und unter den Nationen immer wieder neu erkämpft werden.


 

 


 


Interview mit Prof. Dr. Horst Bredekamp

Die Erinnerung an die Zeit des Zweiten Weltkrieges ist in hohem Maße durch Bilder im weitesten Sinne geprägt. Die Materialfülle zeigt, dass für die Neuorientierung der Sieger und Besiegten, Täter und Opfer Dokumentationsbilder, aber auch verfremdete Fassungen und eigenständige Kunstwerke zusammengewirkt haben.
Wir haben zu der Bedeutung von Bildern den Kunsthistoriker und Professor an der Humboldt-Universität Berlin, Dr. Horst Bredekamp, befragt.

Museumspädagogik: Inwiefern besitzen Bilder, welche die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg geprägt haben, einen Eigensinn?
Horst Bredekamp: Bilder haben insofern einen Eigensinn, als sie die Vergangenheit niemals unmittelbar wiedergeben. Man ist instinktiv geneigt, Bilder als die Sache zu nehmen, die sie darstellen. Aber Bilder beziehen sich durchweg nicht nur auf das Ereignis, sondern immer wieder auch auf die eigene Vorgeschichte. Insofern besitzt jedes Bild – ob Gemälde, Skulptur oder Fotografie – einen Doppelcharakter: Es ist eine Darstellung von etwas und zugleich eine Reaktion auf die Bildgeschichte.

Museumspädagogik: Bilder geben also nicht die Wirklichkeit wieder?
Horst Bredekamp: Es gibt keine unmittelbare Wiedergabe von „Wirklichkeit“ außer dieser selbst. Es ist eine Illusion zu glauben, dass man Kriege filmen kann. Es ist ebenso eine Illusion zu glauben, dass die Bilder der ausgemergelten Menschen in den Konzentrationslagern das Grauen angemessen wiederzugeben vermögen, das diese dort erlebt haben.
Auf der anderen Seite sind Bilder natürlich Spuren dessen, was sie darstellen. Und in diesem Doppelverhältnis, dass sie eine distanzierte Wiedergabe von ‚Wirklichkeit' bereiten, muss man sich mit Bildern auseinander setzen. Darin liegt die konstruktive Kraft von Bildern. Sie können mit symbolischen Gehalten aufgefüllt werden, die aus der Bildgeschichte herrühren und an die Erwartungen oder die Enttäuschungen von Betrachtern appellieren. Dadurch gelingt es Bildern sehr oft, eine eigene Geschichte zu erzählen, die der Kraft des unmittelbaren Erlebens nahe kommt, ohne diese nur abzubilden.

Museumspädagogik: Für das 19. Jahrhundert kennen wir die großformatigen Historiengemälde, die ganz prägnant ein Ereignis festzuhalten scheinen. Im 20. Jahrhundert haben Filme, eigentlich Aneinanderkettungen von Bildern, die Rolle der Gemälde übernommen. Wie sieht es mit der Abbildung der Wirklichkeit bei den „bewegten Bildern“ aus?
Horst Bredekamp: Die Identifikation von Betrachtern mit Bildern – also die schon angesprochene Erwartung von Betrachtern, dass Bilder unmittelbar ein Geschehnis wiedergeben – potenziert sich natürlich angesichts von Filmen. In der Bewegung wird eine Lebendigkeit erzeugt, die instinktiv jeden Betrachter in das Geschehnis hineinbringt und dadurch die Möglichkeit eröffnet, dass der Betrachter an dem Geschehen teilnimmt. Was für Bilder allgemein gilt, gilt insbesondere für Filme: Das Angebot der Teilhaberschaft wird ermöglicht. Hierin liegt die Kraft und hierin liegt auch die Problematik von Bildern – im bewegten Bild des Films stärker noch als im statischen Bild der Fotografie.

Museumspädagogik
: Wir sprechen in der Ausstellung davon, dass Bilder den Status von Ikonen haben oder Ikonen sind. Würden Sie uns den Begriff „Ikonen“ in diesem Zusammenhang erläutern?
Horst Bredekamp:
Ikonen sind von ihrer religiösen Bedeutung her Bilder, die nicht vom Menschen gemacht worden sind. Sie besitzen einen göttlichen Ursprung und verkörpern damit einen Wahrheitsanspruch, den kein Mensch erreichen kann. Alle Bilder, die in späteren, auch nichtreligiösen Zusammenhängen einen ähnlichen Wahrheitscharakter beanspruchen und sich in das kollektive Bewusstsein eingeprägt haben, gelten in dieser Tradition als Ikonen.
Bilder wiederum, die Ikonen verfremden, wirken wie eine körperliche Bedrohung, weil Ikonen dem Gedächtnis der Betrachter gleichsam körperlich vorhanden sind. Wer Ikonen diskreditiert, umdeutet oder ironisiert, begeht im strengen Sinn eine Körperverletzung.

Museumspädagogik: Das trifft besonders auf Bilder zu, die wir von den Konzentrationslagern und von dem Völkermord an den Juden kennen, zum Beispiel das Tor von Auschwitz-Birkenau oder der kleine Junge aus dem Warschauer Ghetto. Inzwischen setzen sich Künstler mit diesen Bildern auf eine Art und Weise auseinander, dass sie diese Bildsprache brechen wollen. Können Sie uns das an einem Beispiel erläutern?



Horst
Bredekamp: Jede Antastung einer Ikone wirkt als eigene Verletzung. Aus diesem Grund haben Betrachter von Alan Schechners Verfremdung einer der ‚Konzentrationslager-Ikonen' so entsetzt, so aufgewühlt reagiert. Es handelt sich um eine Montage einer bekannten Fotografie von Margaret Bourke-White mit dem Selbstporträts des jüdischen Künstlers unter dem Titel „' It's the real thing '. Selbstporträt in Buchenwald“.
Die Doppelkritik dieses sehr ernsten Bildes zielt einmal auf das Ikonenhafte, Erdrückende der Erfahrung der Eltern, von der sich der Künstler befreien will. Zum anderen reagiert sie auf das Unbehagen über die eigene, ‚gute' Lebenssituation, verkörpert in der Cola-Dose. In der Benutzung einer Diät-Cola-Dose liegt die diabolische Ironie: Unsere Überflussgesellschaft bietet Nahrungsmittel an, die Kalorien bewusst reduzieren soll – ein kaum zu überbietender, schreiender Kontrast zu dem, was sich im Bildhintergrund in Bezug auf die ausgemergelten Personen darstellt.

Museumspädagogik: Sie sprechen in ihrem Aufsatz im Ausstellungskatalog davon, dass Bilder nicht nur eine Reaktion auf Geschichte oder historische Ereignisse sind, sondern dass sie in besonderen Situationen auch prägende Momente aufweisen können. Würden Sie dafür ein Beispiel nennen?
Horst Bredekamp: Uns sind die Ereignisse der letzten drei Jahre nur zu präsent. Die Frage, ob der Angriff auf die Buddha-Statuen in Afghanistan, auf die Zwillingstürme in New York oder der Sturz der Hussein-Statuen im Irak ein Teil einer komplexen Kriegsführung gewesen sei, hat die Diskussion in hohem Maße bestimmt. Bilder – auch Folterbilder – sind Teile und nicht etwa Illustrationen von Kriegsführung. Sie prägen ein Bewusstsein der Angst und Bedrohung, das ebenso mächtig ist wie Gewehrschüsse oder Bomben.
Die Eigenmächtigkeit von Bildern wirkt in der gesamten Geschichte. Diesen Sachverhalt haben die historischen Wissenschaften in seiner Prägnanz lange nicht wahrgenommen.
In Bezug auf die Nachkriegszeit wird man etwa bei Roberto Rossellinis Film „Rom, offene Stadt“ sagen können, dass er den beginnenden, unter der Oberfläche ablaufenden und sich verstärkenden italienischen Bürgerkrieg zwischen den Widerstandskämpfern, den Partisanen, und den Kollaborateuren zurückgedrängt und in letzter Konsequenz verhindert hat. Der Film ist bereits 1945, das muss man sich klar machen, in die Kinos gekommen. Seine Bilder in ihrer visuellen Macht haben den großen italienischen Resistenza-Mythos begründet, der bis heute nachwirkt: Die gesamte Gesellschaft, von der politischen Linken bis zur katholischen Kirche, habe Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet.
Es war also eine bildmäßige Prägung des Bewusstseins, die zur Verhinderung von Blutvergießen geführt hat. Bilder sind hier ‚vorgelaufen', nicht etwa nur ‚nachgelaufen'. Das ist eines der Beispiele, die man anführen könnte.

Museumspädagogik: Die provokante Ausstellungsthese besagt, dass das Beschweigen des Zweiten Weltkrieges und des Völkermords an den europäischen Juden nicht nur Verdrängung war. Die dadurch entstandene ‚Ruhephase' war nötig, um Bürgerkriege und weitere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Erst nachdem die Nationen nach innen wie außen befriedet waren, konnte überhaupt eine kritische Aufarbeitung einsetzen. Gibt es aus der Sicht der Bilderwelten Zeugnisse, die diese These stützen?
Horst Bredekamp: Es ist zunächst eine überraschende Interpretation, die vor 20 Jahren, in einer Zeit der bedingungs- und schonungslosen Aufklärung, kaum denk- oder aussprechbar gewesen wäre. Man konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, dass in der Nicht-Aufklärung ein aufklärender Zug liegen könnte.
Es gibt eine Untersuchung des Althistorikers Egon Flaig über den Ablauf von Bürgerkriegen in der Antike und vor allem über die Möglichkeiten, Bürgerkriege zu beenden. Er hat zeigen können, dass die erfolgreichste Weise, Bürgerkriege und überhaupt Kriegsbewusstsein zu beenden, in Athen praktiziert wurde: Nach Kriegsende mussten die Bürger auf der Agora, dem Marktplatz, mit erhobener Hand schwören, dass sie alles vergessen würden. Das war die erfolgreichste Möglichkeit, die über Generationen und Generationen sich weiter ziehenden Vergeltungsmaßnahmen zu bekämpfen. Die Geste des Erhebens der Hand mit dem Schwur „Vergessen“ ist das körperlich, gestisch bildhafteste Zeichen dafür, dass die These der Kuratorin historisch gesehen ihre Berechtigung hat.
In Bezug auf die Zeit des Zweiten Weltkrieg müssen wir die eigene Geschichte neu durchdenken: Die frühen Denkmäler der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wie etwa Gerhard Marks' „Die Trauernde“ von 1949, die wir als harmonische Verkitschung zu sehen gewohnt waren, haben offenbar eine ähnliche Funktion gehabt. Angesichts des bis heute unbegreifbaren Grauens musste eine Phase des verdrängenden Vergessens einsetzen, um dann die Kraft zu sammeln, sich dem Erlebten oder produzierten Schrecken ernsthaft zu stellen. Insofern würde ich dieser These eine hohe Plausibilität zugestehen.

 

 


 

IMPRESSUM MUSEUMSPÄDAGOGIK

Museumspädagogisches Begleitprogramm
Leitung und Konzeption: Stefan Bresky und Brigitte Vogel
(DHM-Museumspädagogik)
Studentische Hilfskräfte: Doris Akrap, Andrej Götze, Matthias Heitbrink, Moritz von Recklinghausen, Avgi Stilidis
Praktikanten: Sebastian Eberle, Silke Buhn

Führungen
Referententeam: Doris Akrap, Andrej Götze, Matthias Heitbrink, Julia Hornig,
Sarah Jost, Johanna von Münchhausen, Moritz von Recklinghausen, Henje Richter
Anmeldung: Susanne Konietzko, Sonja Trautmann

Hörführung
Redaktion: Kristian Buchna, Julia Hornig, Johanna von Münchhausen,
Ulrike Schmiegelt
Sprecherteam: Barbara Becker, John Berwick, Christian Rhode
Tonstudio: K 13, Berlin, Michael Kaczmarek
Audiogeräte: soundgarden audioguidance GmbH, Eching

Begleitmaterial
Herausgeber: Deutsches Historisches Museum, Berlin
Redaktion: Kristian Buchna, Julia Hornig, Johanna von Münchhausen,
Ulrike Schmiegelt
Gestaltung: Dorén + Köster
Druck: Ruksaldruck

 
 
 
 
 
   
 
   
   
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