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POLEN

Woher wir kommen...

Die Piast-Legende aus dem 9. Jahrhundert

Mit Piast, dem legendären Stammvater der polnischen Könige, wird die Gründung der Dynastie um rund hundert Jahre vor die Erwähnung des tatsächlich ersten Herrschers Mieszko im Jahr 963 verlegt. Gleichzeitig werden in der Legende jene Tugenden formuliert, die die Polen von ihrem König erwarten: Volksnähe, Frömmigkeit und Weisheit. Piast soll, so heißt es in der Überlieferung, zwei Fremde gastlich aufgenommen haben, die zuvor vom König abgewiesen worden waren. Bei diesen Fremden handelte es sich um Engel, die ihm eine große Zukunft prophezeiten. Schließlich wurde Piast - nach anderen Versionen sein Sohn - zum König erhoben und regierte weise und gerecht.

47.jpg (16400 Byte)Die Berufung auf eine fiktive mythische Gründerpersönlichkeit, die in »graue Vorzeit« weist und volksverbunden herrscht, findet sich fast identisch in dem legendären böhmischen Königspaar Premysl und Libussa wieder. Und die Tugenden, die Piast für sein Amt qualifizierten, wurden auch anderen Herrschern zugesprochen. Besondere Nähe zu Gott wurde unter anderem dem habsburgischen Grafen Rudolf, dem schwedischen König Gustav Adolf und dem Franken Chlodwig nachgesagt. Berühmt für ihre Volksnähe waren etwa der Ungar Mátyás Hunyadi, der böhmische König und deutsche Kaiser Karl IV. und die »Kaiserin« Maria Theresia.

Die Vorverlegung der Dynastiegründung auf die Zeit um 860 kam den Polen im 19. Jahrhundert sehr zustatten. Sie machte eine 1000-Jahrfeier zu einer Zeit möglich, als der polnische Staat nicht existierte und der Nationalstolz nur durch das Gedenken an eine ruhmreiche Vergangenheit genährt werden konnte.

Die Kunstwerke, die Piast darstellen, thematisieren meist seine Begegnung mit den Fremden, die er mit einladender Gebärde zum Bleiben auffordert. Witold Pruszkowskis Gemälde zeigt seine Krönung durch Engel, dem Sinnbild für seinen göttlichen Herrschaftsauftrag, während das Volk dem neuen Monarchen zujubelt.

 

Glaube und Krieg

Die Schlacht bei Grunwald (Tannenberg) im Jahre 1410

Die enge Verzahnung zwischen Glaubens- und machtpolitischen Auseinandersetzungen wird in dem Konflikt zwischen Polen und dem Deutschen Orden augenfällig. Der ursprünglich zum Zwecke der Heidenmission und des Pilgerschutzes gegründete Orden begann im 13. Jahrhundert mit Heerzügen ins Gebiet der unteren Weichsel vorzudringen. Vorgebliches Ziel war die Mission der bis dahin heidnischen Pruzzen, tatsächlich wurden aber auch der stark angewachsenen Bevölkerung des Deutschen Reiches neue Siedlungsgebiete erschlossen. Der Konflikt mit Polen begann, als der mächtig gewordene Ordensstaat Pomerellen und Danzig erwarb und damit den Zugang zur Ostsee behinderte. Er kulminierte in der Schlacht vom 15. Juni 1410, als das Ordensheer von einer polnisch-litauischen Armee bei Grunwald (Tannenberg) vernichtend geschlagen wurde. Auch wenn dieser Sieg Polen zunächst keine territorialen Gewinne brachte, so war doch die Macht des Deutschen Ordens gebrochen, und der Einfluß Polens im Ostseeraum nahm von diesem Zeitpunkt an kontinuierlich zu.

27.jpg (16678 Byte)Seit dem 15. Jahrhundert war die Schlacht bei Grunwald (Tannenberg) von Legenden umwoben und erregte in Polen vor allem nach den Teilungen des Königreichs am Ende des 18. Jahrhunderts die Gemüter. Sie nahm daher im nationalpolnischen Gedenken des 19. Jahrhunderts einen besonderen Stellenwert ein und diente der Erinnerung und Selbstvergewisserung polnischer Größe und Unabhängigkeit. Zudem war der grandiose Sieg geeignet, das polnische Selbstbewußtsein gegenüber der preußischen Teilungsmacht zu stärken, denn Preußen wurde mit dem Deutschen Orden gleichgesetzt.

So entstand auch Jan Matejkos Gemälde der Schlacht bei Grunwald (Tannenberg) nicht zufällig nach dem mißglückten polnischen Aufstand und dem neuerlichen Machtzuwachs Preußens infolge der Reichsgründung von 1871. Es wurde in Polen enthusiastisch gefeiert und häufig reproduziert.

Der Entsatz von Wien 1683

Selten wurde ein Ereignis der Nachwelt so wach in Erinnerung gehalten wie die Belagerung Wiens durch das türkische Heer unter dem Befehl des Großwesirs Kara Mustafa und der Entsatz der Kaiserstadt im September 1683. Seitdem wurde der glanzvolle Sieg über das Osmanische Reich überall in Europa gewürdigt. Nur Österreich und Polen erklärten im 19. Jahrhundert die Befreiung Wiens durch die verbündeten kaiserlichen, Reichs- und polnischen Truppen zum Bestandteil ihrer nationalen Selbstvergewisserung.

Für die Polen war es ein Sieg über den Islam. Sie rückten vor allem die Verteidigung des christlichen Abendlandes durch König Jan III. Sobieski in den Vordergrund. Jan Matejko thematisierte aus diesem Grund auch den glanzvollen Sieg in seinem aus Anlaß der Zweihundertjahrfeier 1683 entstandenen Monumentalgemälde.

20.jpg (16250 Byte)Demgegenüber markierte für Österreich die glorreiche Abwehr der Türkenbelagerung von 1683 den Beginn des »Heldenzeitalters« und den Aufstieg zur Großmacht. Die Malerei des 19. Jahrhundert verleiht diesem Selbstverständnis Leben: In Zusammenhang mit der Ausmalung des Waffenmuseums im Wiener Arsenal, dem heutigen Heeresgeschichtlichen Museum, wo der Habsburg-Mythos mit großen militärischen Ereignissen untermauert werden sollte, steht Carl von Blaas' Darstellung des verwundeten, aber trotzig und entschlossen bis zum Sieg weiterkämpfenden Wiener Kommandanten Rüdiger Graf Starhemberg. Leander Ruß ruft mit dem Sturm der Türken auf die Löwelbastei einen jener dramatischen Augenblicke in das Gedächtnis, wo es den Verteidigern nur unter größten Anstrengungen und in erbitterten Kämpfen gelang, den Feind wieder zurückzuschlagen.

 

Freiheit

Die polnische Verfassung von 1791

Der Kosciuszko-Aufstand von 1794

Die Verfassung vom 3. Mai 1791 war eine der tragenden Säulen des polnischen Nationalverständnisses und Nationalstolzes im 19. Jahrhundert. Sie war nicht nur die erste geschriebene Verfassung Europas überhaupt, sie symbolisierte vor allem den Freiheitsdrang und das Unabhängigkeitsstreben des von den Ostmächten am Ausgang des 18. Jahrhunderts zerschlagenen Polen. Nach der ersten Teilung Polens 1772 setzte man in die Mai-Verfassung die Hoffnung, das innenpolitisch zerrüttete Königreich nicht zuletzt auch gegen die Übermacht Österreichs, Preußens und Rußlands stabilisieren zu können. Der Maler Jean Pierre Norblin de la Gourdaine greift diese Vorstellungen in seiner weitverbreiteten Graphik auf, wobei er sich eng an Darstellungen des Pariser Ballhausschwures anlehnt und damit den Bogen zur Französischen Revolution schlägt. Das Ölbild Kazimierz Wojniakowskis lehnt sich eng an die Vorlage Norblins an.

Die Intervention des Zaren machte die polnischen Hoffnungen zunichte; sie hatte die Aufhebung der Verfassung und die zweite Teilung Polens 1793 zur Folge. 1794 brach unter dem Feldherrn Tadeusz Kosciuszko ein Aufstand aus, der jedoch nach anfänglichen Erfolgen niedergeschlagen wurde und mit der dritten Teilung 1795 endete. Damit war der souveräne polnische Staat untergegangen. Aus diesem Aufstand blieb die Schlacht bei Raclawice durch die Beteiligung eines mit Dreschflegeln bewaffneten Bauernheeres in besonderer Erinnerung. Diese Schlacht stellte Jan Matejko in seinem monumentalen Gemälde dar, das als Nationaldenkmal verehrt wird.

Vor allem in der Verehrung und Verherrlichung Tadeusz Kosciuszkos, der zum Nationalhelden avancierte, wurde das nationale Streben nach einem souveränen, unabhängigen Polen wachgehalten und immer wieder wachgerufen. Davon zeugt die immense Produktion von Andenken und Erinnerungsstücken, die kennzeichnend ist für die ins Private entrückten Ausdrucksformen des polnischen Nationalempfindens im 19. Jahrhundert.

 

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