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TSCHECHIEN

Woher wir kommen...

Die Legende von Libussa und Premysl aus dem 7. Jahrhundert

Die Legende von der Fürstin und Weissagerin Libussa und dem Ackermann Premysl, dem mythischen Begründer der ersten böhmischen Herrscherdynastie, reicht bis ins 10. Jahrhundert zurück. Nachdem sie wegen eines angeblichen Fehlurteils kritisiert worden war, soll die weise Fürstin Libussa Premysl zu ihrem Nachfolger bestimmt haben. Ihre Boten fanden den Ackermann beim Pflügen seines Feldes und beriefen ihn von dort auf den Thron.

45.jpg (14793 Byte)Die Legende ist seit dem 12. Jahrhundert Bestandteil der offiziellen premyslidischen Staatsideologie und nachfolgend ein Grundelement des böhmischen Patriotismus und seiner historischen Traditionspflege. Galt Premysl zunächst als Symbol und Vorbild für den weisen und gerechten Herrscher, wandelte sich die Sage unter dem Einfluß des Historikers und nationalen Führers Frantisek Palacky um die Mitte des 19. Jahrhunderts zum nationaltschechischen Mythos. Nunmehr stand sie für ein urdemokratisches, antifeudales Selbstverständnis des tschechischen Volkes, verkörpert durch einen Ackermann auf dem Thron. Zudem entsprach der bäuerliche Ursprung der Premysliden der Ideologie einer nationalen Wiedergeburt, die im ländlich-bäuerlichen Leben die Grundlage echten »Tschechentums« sah. In diesem Verständnis sind Libussa und Premysl zu Sinnbildern der sich emanzipierenden tschechischen Gesellschaft geworden.

Eine ausnehmende Bedeutung gewann in diesem Kontext Prag als tausendjähriger Mittelpunkt der böhmischen/tschechischen Staatlichkeit; der Sage nach prophezeite Libussa nicht nur den Ruhm Prags, sondern legte auch mit der Burg Vysehrad den Grundstein der Metropole.

 

Glaube und Krieg

Jan Hus auf dem Konzil von Konstanz 1415

Wie kein anderer war Jan Hus Symbolfigur der tschechischen Nationalbewegung. Man erinnerte sich seiner als Patrioten, der die tschechische Schriftsprache vereinheitlicht hatte; und man verehrte ihn als Vertreter der nationaltschechischen Sache wegen seines Kampfes für die Rechte der Tschechen an der Prager Universität. Zur nationalen Integrationsfigur avancierte Jan Hus aber vor allem durch seinen Märtyrertod. Doch wurde er im nationaltschechischen Gedächtnis nicht in erster Linie als Reformator verklärt, der sein Leben für seinen Glauben geopfert hatte, sondern als spätmittelalterlicher Vorkämpfer der Freiheit.

Der tschechische Hus-Mythos und mit ihm die meisten künstlerischen und literarischen Darstellungen im 19. Jahrhundert konzentrierten sich auf Hus' letzte Tage in Konstanz von der Verteidigung bis zum Flammentod. Zu den populärsten Historienbildern gehört das von Václav Brozík 1883 geschaffene Bild »Jan Hus auf dem Konzil von Konstanz«, das ihn in der berühmten Pose Luthers auf dem Wormser Reichstag zeigt: »Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen«. Karel Javurek stellt in seinem Gemälde »Schwarze Erde« zwei trauernde böhmische Adlige an der Hinrichtungsstätte von Hus dar, mit denen das Gedenken an den Opfertod des tschechischen Nationalheros wachgehalten werden soll.

 

Freiheit

Die Schlacht am Weißen Berg 1620

Mit dem Prager Fenstersturz vom Mai 1618 begann der Böhmische Aufstand und mit den Ereignissen in Böhmen der Dreißigjährige Krieg. Der Erhebung der überwiegend protestantischen Stände liegen langjährige Auseinandersetzungen mit der herrschenden Habsburger-Dynastie und deren Zentralisierungs- und Rekatholisierungsbestrebungen zugrunde. Der Bruch mit König Ferdinand II., seine Absetzung und die Wahl des kalvinistischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum »Winterkönig« 1619 mündeten in die Schlacht am Weißen Berg vor Prag. Sie endete nach nicht einmal zwei Stunden mit dem vollständigen Sieg der kaiserlichen Truppen und der verbündeten katholischen Liga über die pfälzisch-böhmische Armee, der Flucht König Friedrichs und der Hinrichtung von 27 Anführern des Aufstandes.

Dreihundert Jahre später erkor die tschechische Nationalbewegung den 8. November 1620 zu jenem »verhängnisvollen Tag«, wie überall zu lesen war, an dem »auf dem Weißen Berg die Glaubensfreiheit begraben, das Volk durch das Kaiserheer vergewaltigt und die Freiheit der Nation unterdrückt wurden«. Die Schlacht setzte sich im kollektiven Gedächtnis als der Beginn von verlorener nationaler Unabhängigkeit, von Unterjochung, Unfreiheit und Demütigung des tschechischen Volkes fest. Deshalb steht auch seltener das Schlachtgeschehen im Mittelpunkt der Darstellungen. Vielmehr zeigen sie das von dem polnischen Freiheitsdichter Karol Malisz 1848 zum tschechischen Golgatha stilisierte Schlachtfeld oder Szenen, die die Rekatholisierung Böhmens thematisieren.

 

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