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Ein kurzes Gastspiel in China:
Zur Ambivalenz der deutschen Kolonialgeschichte in der
Provinz Schantung
von Jing Dexiang

Lange Zeit verharrten die Forschungen zur Rolle des Imperialismus bei der Modernisierung Chinas im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert im allgemeinen und zur deutschen Kolonialgeschichte in Shandong im besonderen sowohl im Westen wie auch in China in starren ideologischen Fronten. Während die westliche Seite die Modernisierungseffekte westlicher Präsenz in China betonte, unterstrich die chinesische Seite den Aspekt der imperialistischen Aggressionen. Nun ist in der chinesischen Forschung, im Unterschied zu den Jahren der Kulturrevolution, eine Trendwende zu mehr Differenzierung zu erkennen. Man prangert nicht nur die imperialistischen Untaten an, sondern registriert auch die Modernisierungsleistungen der Deutschen in ihrem Pachtgebiet Jiaozhou und ihrer Einflußsphäre Shandong. Die Anerkennung dieser Seite der Geschichte der deutschen Kolonie fällt chinesischen Forschern nicht leicht. So gelangt einer der Forscher in seinem Beitrag zur Entstehung der Stadt Qingdao zu der Schlußfolgerung, daß der (chinesische) Historiker dem Dilemma entkommen müsse, einerseits gegen die »kapitalistische Aggression« zu sein und andererseits von der »kapitalistischen Zivilisation« zu lernen, die nach einem von Marx formulierten »ewigen historischen Gesetz« die rückständige traditionelle chinesische Zivilisation besiegen könne. Man müsse sich aus dem Widerspruch zwischen moralischem und historischem Urteil lösen und nüchtern diese Seite der chinesischen Geschichte betrachten und analysieren.1
Diese chinesischen Historiker kommen damit einer in der westlichen, vor allem amerikanischen China-Forschung lange vorherrschenden, weiterhin einflußreichen Lehrmeinung entgegen, die in dem westlichen Einbruch im China der späten Qing-Dynastie (1840-1911) eine durchweg positive Wirkung feststellt. Das Mißlingen der Modernisierung Chinas im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert führen sie hauptsächlich auf chinesisches Unvermögen zurück, vor allem im Vergleich zu Japan.2 Ein zweifelhafter Tenor, worauf einige westliche China-Forscher zu Recht kritisch hinweisen.3
Doch will man nicht zu den alten ideologischen Frontkämpfen zurückkehren, muß man sich dem widersprüchlichen Charakter der deutschen Kolonialgeschichte in Shandong stellen: Auf der einen Seite sieht man die gewaltsame Besetzung unter Ausnutzung eines Zwischenfalls um die Ermordung deutscher Missionare, die ebenso auf militärischer Gewalt und einem ungleichen Pachtvertrag basierende Errichtung einer Kolonie und nicht zuletzt den Griff nach chinesischen Rohstoffen und Märkten im Hinterland. Auf der anderen Seite sind Aspekte wie der Bau von Eisenbahnlinien und die dadurch erreichte Belebung der Wirtschaft in der Region und die Entwicklung Qingdaos zur modernen Stadt, der Aufbau einer modernen Verwaltung und eines modernen Ausbildungssystems nicht zu bestreiten. Kurzum: Die Vorstellung des deutschen Kaiserreichs in Shandong war ambivalent - einerseits imperialistische Aggression und andererseits die Errichtung einer »Musterkolonie«.
Es liegt auf der Hand, daß diese ambivalente Vorstellung eine Reihe von schwierigen Fragen aufwirft. Hätte das Modell »Musterkolonie« ein Vorbild für die Modernisierung ganz Chinas sein können? Muß man gar das Ende des kolonialen Zeitalters bedauern? Hätte China die militärische Besetzung, den Verlust seiner Souveränität und die Schmach der Fremdherrschaft als Preis der Modernisierung akzeptieren sollen? Wie erreicht man Differenzierung und Ausgewogenheit in der Betrachtung ohne relativistische Folgerungen? Im Anschluß wird ein neuer Deutungsansatz vorgestellt, der der Klärung dieser Fragen dienen soll.

Das ungleiche Paar
Noch vor dem Ersten Weltkrieg, also als das deutsche Kaiserreich noch im Besitz der Jiaozhou-Bucht war, schrieb ein deutscher Zeitgenosse zum Wesen und zu den ökonomischen Hintergründen des Imperialismus folgende Zeilen, die fast auf den Fall Jiaozhou zugeschnitten zu sein scheinen: »Der imperialistische Kapitalismus, zumal der koloniale Beutekapitalismus auf der Grundlage direkter Gewalt und Zwangsarbeit, hat im allgemeinen zu allen Zeiten die weitaus größten Gewinnchancen geboten, weit größer, als normalerweise, der auf friedlichen Austausch mit den Angehörigen anderer politischer Gemeinschaften gerichtete Exportgewerbebetrieb. Daher hat es ihn zu allen Zeiten und überall gegeben, wo irgendwelches erhebliches Maß von gemeinwirtschaftlicher Bedarfsdeckung durch die politische Gemeinschaft als solche oder ihre Unterabteilungen (Gemeinden) bestand. Je stärker diese, desto größer die Bedeutung des imperialistischen Kapitalismus.« Und weiter: »Da nun die sicherste Garantie für die Monopolisierung dieser an der Gemeinwirtschaft des fremden Gebiets haftenden Gewinnchancen zugunsten der eigenen politischen Gemeinschaftsgenossen die politische Okkupation oder doch die Unterwerfung der fremden politischen Gewalten in der Form des ›Protektorats‹ oder ähnlichen (Formen) ist, so tritt auch diese ›imperialistische‹ Richtung der Expansion wieder zunehmend an die Stelle der pazifistischen, nur ›Handelsfreiheit‹ erstrebenden.«4
Derjenige, der dies geschrieben hat, war nicht etwa ein dogmatischer Marxist oder gar Antiimperialist, sondern der als »bürgerlicher Marx« bekannte und zugleich als ein leidenschaftlicher Anhänger imperialistischer Politik berüchtigte deutsche Soziologe Max Weber. Wir verdanken Max Weber nicht nur diese Demaskierung des Imperialismus, womit er sich von manchen späteren westlichen China-Forschern, die das wahre Gesicht des Imperialismus verschleierten und beschönigten, wohltuend unterscheidet. Weber hebt auch den engen Zusammenhang zwischen der expansiven Außenpolitik und den kapitalistischen Interessen der imperialistischen Staaten hervor. Der moderne Imperialismus diente nach Weber der weltweiten Durchsetzung der kapitalistischen Interessen der sogenannten Gläubigervölker. Im Unterschied zu den alten Formen des Imperialismus stehen nach Weber hinter den außenpolitischen Aggressionen nun moderne kapitalistische Interessen. In Anlehnung an Max Weber kann man den Imperialismus als das gemeinsame Auftreten der nationalstaatlichen Machtambitionen mit den Kapitalinteressen der industriekapitalistisch fortgeschrittenen Staaten in den industriell rückständigen Ländern definieren. Das archaische Interesse der von Militärs dominierten und in diesem Sinne auch traditionellen Staatsführung an der Eroberung fremder Territorien und an der Unterwerfung fremder Völker mit militärischen Mitteln auf der einen Seite und das moderne Interesse des Kapitals und der Unternehmer an den Rohstoffen, Märkten und Schlüsselsektoren sowie billigen bis kostenlosen Arbeitskräften fremder Länder auf der anderen Seite gingen Hand in Hand, wobei der militärische Sieg die grundlegende Voraussetzung darstellen sollte.
So gesehen, wurde die ambivalente Vorstellung des deutschen Kaiserreichs in Shandong von einem »ungleichen Paar« gegeben: dem deutschen Militär und dem deutschen Bürgertum. Ein Gespann, das sich die zwei Hauptrollen im Programm des modernen Imperialismus teilte. Nach der militärischen Eroberung begann die Phase der »Bewirtschaftung« der kolonialen Beute, in der das deutsche Bürgertum und die deutsche Bürokratie ihr im Heimatland erprobtes Können in Architektur, in Unternehmen, Bildung und Krankenversorgung usw. einsetzen konnten, um ihre Interessen zu verfolgen. So wurde Qingdao rasch zu einer modernen Stadt entwickelt, deren ökonomische und technische Modernität auch Chinesen von außen anzog. Hier wurde quasi ein Stück Deutschland im Miniformat auf kolonialistischem Fundament binnen relativ kurzer Zeitspanne aufgebaut. Den militärischen Stechschritten folgten virtuose Arbeitsschritte einer vom Bürgertum mitgetragenen Industriegesellschaft. Auch die deutsche Bürokratie entfaltete innerhalb der örtlichen Verwaltung ihre Aktivitäten.
Der Imperialismus war die Modernisierungs- und Entwicklungsstrategie des deutschen Kaiserreichs, welches man nach einer der neueren Modernisierungskonzeptionen als eine Zivilgesellschaft mit einer expliziten Stoßrichtung zur Kriegsgesellschaft bezeichnen könnte.5 Mit der Eroberung der Jiaozhou-Bucht schien sich das Kaiserreich einen kleinen »Platz an der Sonne« gesichert zu haben. Diese Modernisierungsstrategie, vor allem der Vorrang des Militärischen, wurde auch von Bismarck dem großen chinesischen Reformer Li Hongzhang - auch »Bismarck des Ostens« genannt - bei dessen Staatsbesuch in Deutschland im Sommer 1896 persönlich empfohlen. In den Augen damaliger chinesischer Reformer war das deutsche Kaiserreich ein bewundertes Vorbild, das sie eifrig nachahmten. Die Militarisierung der Politik und auch der Erziehung, die im Gegensatz zum konfuzianischen Pazifismus stand, wurde sogar zur Hauptzielsetzung der chinesischen Modernisierung.6
Obwohl einige westliche Forscher der Theorie des Imperialismus ablehnend gegenüberstehen, sehen sie, den Wertmaßstäben des 19. Jahrhunderts verhaftet, doch das deutsche Kaiserreich und auch Japan als Vorbilder der Modernisierung für China an. Der deutsche und japanische Weg wurde nicht in Frage gestellt. Deren Erfolg schien bis dahin diesen Weg auch zu bestätigen.

Der gemeinsame Sturz
Normalerweise verweist man bei einer kritischen Beurteilung der »Musterkolonie« vorwiegend auf ihren kolonialen Charakter, auf die Privilegierung deutscher Interessen im deutsch-chinesischen Handel und vor allem auf den damit sich noch verstärkenden Prozeß der Aufteilung ganz Chinas in leicht zu kontrollierende Einflußzonen durch die ausländischen Mächte. Diese Hinweise reichen jedoch nicht aus, um die Idee einer imperialistischen Modernisierung entscheidend zu entkräften.
Kein Argument scheint hierbei stärker zu sein als das Scheitern des Projekts »Musterkolonie« selbst, als die anscheinend blühende Kolonie beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf einen Schlag in japanische Hände fiel und damit alle deutschen Bemühungen und Erwartungen zunichte gemacht wurden. Bei allen Bemühungen, den Erfolg der deutschen Aufbauarbeiten in Qingdao und Shandong zu würdigen, darf man nicht vergessen, daß dieses Modell einer aufgezwungenen Modernisierung im Ergebnis gescheitert ist, und zwar relativ schnell. Zu den wesentlichen Merkmalen der deutschen Kolonialgeschichte in China gehört eben ihre Kurzlebigkeit. Wie das deutsche Kaiserreich die Jiaozhou-Bucht durch seine militärische Überlegenheit gegenüber China eroberte, verlor es die Kolonie an seinen Konkurrenten Japan auf gleichem Weg. Vor allem die geostrategische Unterlegenheit offenbarte die Aussichtslosigkeit der deutschen Expansionspläne. Mit dem Verlust der Kolonie brach auch die Profitkalkulation des deutschen Kapitals wie ein Kartenhaus zusammen. Dem scheinbar einträchtigen »Tangopaar« wurde der Teppich unter den Füßen weggezogen. Die Investitionen in Qingdao und Shandong haben sich insgesamt für Deutschland nicht gelohnt.7 Das Scheitern gehört zur Geschichte dazu und beeinflußt das abschließende Urteil über jegliche Zukunftsfähigkeit des Projekts »Musterkolonie«.
Der Verlust der »Musterkolonie« steht beispielhaft für das Scheitern des imperialistischen Modernisierungsmodells, sowohl für die rückständigen wie für die imperialistischen Staaten. Dieses Modell scheiterte an seiner inneren Logik. Es hatte die gewaltsame Eroberungsmethode zur Voraussetzung, und es scheiterte, paradox genug, gerade an derselben. Die Logik des Kriegs will es, daß es nur einen Sieger gibt und daß bei der mörderischen Konkurrenz und unberechenbaren Verschiebung der Kräfteverhältnisse kein Land auf Dauer immer der Sieger bleiben kann. Ein rückständiges Land wie China hatte kaum eine Chance, den überlegenen Gegner zu besiegen. So »aufrichtig« die deutsche Staatsführung mit dem Rat der militärischen Stärkung war, im Ernstfall kam für sie nicht in Frage, China ausreichend Zeit für das Aufholen zu geben oder ihm einen Sieg zu »schenken«. Im November 1897, gut ein Jahr nachdem Li Hongzhang sich bei Bismarck Rat geholt hatte, hat das deutsche Kaiserreich seine Truppen nach Jiaozhou geschickt und China kurzerhand überwältigt. Was die Bemühungen zum Aufbau einer modernen chinesischen Armee angeht, gab es keinen Erfolg bei der Landesverteidigung. Statt dessen entstand bei der militärischen Modernisierung eine der Staatsführung illoyale Armeeführung, die sich nach der Revolution 1911 bald in sich bekämpfende Kriegsherren (Warlords) auflöste, mit der Folge, daß es den japanischen Invasoren nach 1937 beinahe gelang, China zu unterwerfen. Der vom Imperialismus aufgezwungene Prozeß der Modernisierung hat den Chinesen nicht nur neue Entwicklungsperspektiven gebracht, sondern auch Irrungen, Wirrungen und Katastrophen. Wäre der Westen nur in Gestalt einer rein bürgerlichen Gesellschaft oder Zivilgesellschaft nach China gekommen, so wäre den Chinesen viel Leid und Verirrung erspart geblieben.
Mit dem Verlust der »Musterkolonie« und der Niederlage im Ersten Weltkrieg ereilte auch das seit den Einigungskriegen siegesgewohnte Deutschland das Schicksal eines Kriegsverlierers. Doch die Lehre über die grundsätzliche Aussichtslosigkeit eines größenwahnsinnigen Expansionskriegs wurde nicht rechtzeitig gezogen. Statt dessen entstand die sogenannte Dolchstoßlegende, mit deren Hilfe die Verfechter imperialistischer Entwicklungsstrategien politisch überleben konnten und Deutschland und die Welt nochmals in den Abgrund zogen.

Die ungerechte Bewertung
Blickt man auf die historischen Quellen und wissenschaftlichen Forschungen zu diesem gemeinsamen Auftritt und Sturz des deutschen Bürgertums und Militärs in China zurück, muß man leider konstatieren, daß bislang keine gerechte Bewertung der zwei »Hauptdarsteller« vorgenommen wurde. Wie bei einer Tanzvorstellung teilt sich das Paar Glanz und Schatten. Noch schlimmer: Lob und Tadel gingen jeweils stets an den falschen Adressaten. Immer wenn von Aufbauleistungen die Rede war, kam der einschränkende Hinweis auf die militärische Besetzung. Und umgekehrt: Immer wenn die militärische Besetzung kritisiert wurde, war ein »differenzierender« Hinweis auf die Aufbauleistungen unverzichtbar. Das Militär profitierte von den modernen Aufbauleistungen des Bürgertums, dessen Image unter dem seines blutrünstigen Kumpanen litt. Allerdings kann man den chinesischen Zeitgenossen nicht verübeln, daß sie angesichts der deutschen Invasion in Jiaozhou ihr altes, pauschales Vorurteil über die Europäer wieder bestätigt sahen. So schrieb eine chinesische Zeitung im Frühjahr 1898: »Als früher die Europäer davon hörten, daß die chinesischen Kinder und Alten sie als ›Barbaren‹ und ›Teufel‹ bezeichneten, belächelten sie ihre Unwissenheit. Denken wir aber in Ruhe über unsere Demütigungen durch die Europäer nach, so wissen wir, daß die Bezeichnungen ›Barbaren‹ und ›Teufel‹keine Verunglimpfung waren.« In anderen Kommentaren wurde gefragt, warum die angeblich zivilisierten, aufgeklärten und christlichen Europäer ein Land wegen eines gewöhnlichen Zwischenfalls überfielen, ein Stück davon besetzten und damit gegen die zehn Gebote verstießen.8 Die Komplizenschaft hat sich für das Bürgertum historisch nicht gelohnt. Hingegen scheint die Anerkennung seiner Aufbauleistungen die alte imperialistische Gewaltmethode zu rehabilitieren.
Heute sollte man in der Lage sein, auch unter Berufung auf Max Weber, der mit besonderem Bedacht die gewaltsame Eroberung und den friedlichen kapitalistischen Erwerb gegenübergestellt hat, zwischen dem kriegerischen Militär und dem an sich friedlich agierenden Bürgertum zu unterscheiden, das zeitweilig eine Komplizenschaft mit den »Barbaren« einging, aber sein Kapital und seine Fähigkeiten in den Sand setzte und sein Ansehen mit verloren hatte. Die teils noch heute in Qingdao und Shandong sichtbaren ökonomischen und technischen Aufbauleistungen sind keine Argumente für eine gescheiterte Modernisierungsstrategie, sondern beispielhafte Zeugnisse der Effizienz einer bürgerlichen Gesellschaft und zugleich, exemplarisch das deutsche Bier, für Chinesen erfrischende und inspirierende Botschafter einer fremden Kultur. Nur schade, daß sie durch den Imperialismus nach China gekommen sind.

Epilog: Qingdao - ein deutsches Hongkong?

Wenn die Vorstellung des deutschen Imperialismus in China ein kurzes Gastspiel war, gleicht die Geschichte der britischen Kolonialherrschaft in Hongkong, dessen abgelaufener Pachtvertrag im engsten Zusammenhang mit dem deutschen Jiaozhou-Pachtvertrag stand, einer sehr langen Party, die gerade zu Ende gegangen ist. Angesichts der alles überstrahlenden Prosperität Hongkongs taucht bei einem Historiker während seines Rückblicks auf die deutsche Kolonialvergangenheit in China gelegentlich die Frage auf, ob aus Qingdao auch eine internationale Handelsmetropole wie Hongkong hätte werden können, wenn die Deutschen 1914 nicht von den Japanern vertrieben worden wären.
Wenn die Deutschen über 1914 hinaus an der Kiautschou-Bucht geblieben wären, hätte sich möglicherweise auch die Stadt Qingdao in den vorgezeichneten Bahnen weiterentwickelt. Doch ob sie den Entwicklungsstand von Hongkong je erreicht hätte, kann bezweifelt werden. Denn jedes europäische Land war und ist verschieden und drückte den Kolonien seinen speziellen Stempel auf. So mag die Frage Wirtschaftshistoriker durchaus beschäftigen, warum sich Hongkong unter der Verwaltung Englands, jenes Ursprungslandes des Industriekapitalismus, zu einem Zentrum des Weltkapitalismus entwickeln konnte, während das nahegelegene portugiesische Macao nur einige Spielkasinos vorzuweisen hat. Das deutsche Qingdao hätte sich zwar auch zu einem großen internationalen Handelszentrum entwickeln können, wäre aber wahrscheinlich zugleich eine besonders intensiv verwaltete und subventionierte Garnisonsstadt geblieben.



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