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Für Gott und Vaterland? Die christlichen Missionen
von Erling von Mende

Im Orchester der westlichen Kräfte, die sich an der überwiegend erzwungenen Öffnung und Durchdringung Chinas beteiligten, nehmen die katholischen und protestantischen Missionen seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen, in mancher Hinsicht vielleicht den wichtigsten, Platz ein. Im Vergleich dazu ist die katholische Mission des 17. und 18. Jahrhunderts lediglich eine Marginalie. Vor allen Dingen ist die christliche Mission seit etwa 1890 bis in die frühen zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts ein Motor sozialer, politischer und intellektueller Veränderungen. Wenn auch eher verschämt, weil man sich vor dem Vorwurf einer imperialistischen und kolonialistischen Attitüde schützen wollte, artikulierte man Stolz über die christlichen Elemente im Taiping-Aufstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts, der stärker als jede andere Aufstandsbewegung dieser Zeit den Bestand des Qing-Kaiserreiches gefährdete. Ebenso begrüßte man die christlichen Einflüsse auf die Reformbewegung von 1898 und auf die allgemeine politische und soziale Entwicklung im frühen 20. Jahrhundert.1
Die Gefährdung der bestehenden Ordnung wurde schon seit der ersten Expansion der Mission nach dem Vertrag von Tianjin 1860 von der lokalen Elite erahnt und mit weitverbreiteter Missionsfeindlichkeit beantwortet: In diesem Vertrag wurden der katholischen Mission einschließlich der chinesischen Konvertiten weitgehende Rechte bis hin zum Recht auf Landerwerb eingeräumt. Bewußte Fehlinterpretationen des Vertrages waren an der Tagesordnung. So sahen die lokalen Machthaber (Gentry), aus deren Reihe sich auch die nationale Herrschaftselite bildete, ihre Stellung durch den Anspruch der Missionare und deren oft antikonfuzianische Haltung bedroht. Weiterhin sahen sie eine Gefährdung ihrer gesellschaftlichen Funktion in der Übernahme sozialer Verantwortung im Erziehungs- und Wohlfahrtswesen durch die Mission. Die seit 1860 (Tianjin) und 1877 (Zhifu) vertraglich privilegierte Stellung der Missionare schwächte im Verein mit den Auflösungserscheinungen der Zentralgewalt die Autorität der Beamten. Selbst in der sogenannten einfachen Bevölkerung rief die Identifizierung der Missionare mit dem Christentum der Taiping-Führer Hong Xiuquan und Hong Rengan populäre missionsfeindliche Reaktionen hervor.
Dem stand auf missionarischer Seite ein weitgespanntes Spektrum unterschiedlicher Haltungen zu China, den Chinesen und der chinesischen Kultur gegenüber, das nur in einem Grundsatz bei Katholiken und Protestanten unterschiedlichster Ausrichtung einheitlich war, und zwar in der Überzeugung der Überlegenheit des christlichen Glaubens über alle anderen Religionen. Unterschiedlich wurden die moralischen Qualitäten und die Heilsfähigkeit der Chinesen gesehen, unterschiedlich auch die Methoden der Missionierung und unterschiedlich schließlich die eigene Rolle bei der imperialistischen Durchdringung Chinas.
So schreibt neben vielen anderen Jakob Ernst: »Gewiß - wir sind den ›Gelben‹ überlegen - aber nicht unbedingt und nicht in allen Stücken, sondern nur in so weit, als wir uns zur Lehre Christi bekennen und sie zur Wahrheit zu machen bestrebt sind.«2
Während August H. Bach von der der China Inland Mission angeschlossenen Kieler China Mission die Unzulänglichkeit der chinesischen moralischen Werte anprangerte,3 betonten Missionare wie W. A. P. Martin4 und Ernst Faber5 die Übereinstimmungen im Christentum und Konfuzianismus und damit die Heilsfähigkeit der Chinesen innerhalb ihrer eigenen Traditionen.
Die Missionsmethoden reichten von bloßer seelsorgerischer Tätigkeit, wie dies lange bei der katholischen Mission und einigen protestantischen Missionsgesellschaften der Fall war, über soziale Aktivitäten, Schulen, Wohlfahrt und ärztliche Versorgung bis hin zu dem Versuch, das Christentum indirekt über die Vermittlung der westlichen Zivilisation in China zu verankern.
Über den deutschen Anteil an den Schulen, deren doppeltes Ziel »die Volksbildung auf christlicher Grundlage und die Einflußnahme auf die Jugend war«, schreibt Mirbt: »Von der Regierung wird hier die sogenannte Gouvernementsschule in Tsingtau unterhalten, die bis zum Abschluß von Untersekunda vorbereitet und von 129 Schülern besucht wird; für auswärtige Schüler hat sich ein Alumnat angegliedert. Daneben ist eine Gouvernementsmädchenschule eröffnet worden, zunächst mit einer Klasse von 5 Schülerinnen. Für die chinesische Bevölkerung bestehen 7 Dorfschulen mit 181 Schülern. Im Herbst ist die im großen Stil gehaltene Lehranstalt in Tsingtau eröffnet worden, die als ein Zentrum deutscher Kultur für Ostasien wirken soll. Außerdem existieren in dem Schutzgebiet 246 chinesische Dorfschulen, von denen 137 in der Ahnenhalle, drei in einem Tempel, 106 in einem Privathaus untergebracht sind. Unter diesen vom kolonialen Standpunkt aus mit Freude zu begrüßenden Verhältnissen ist es nicht zu verwundern, daß das Missionsschulwesen hier nur einen geringen Umfang hat. Die evangelische Berliner Mission hat 10 Elementarschulen mit 160 Schülern und 45 Schülerinnen, eine Abendschule mit 6 Schülern, 1 Mittelschule mit 30 Schülern, 1 Seminar mit 9 Schülern. Unter der Leitung des Allgemeinen ev. Protestantischen Missionsvereins steht ein Deutsch-Chinesisches Seminar mit etwa 60 Zöglingen, eine Mädchenschule mit 34 Schülerinnen, die Kreisschule in Kaumi mit 36 und eine Dorfschule mit 8 Schülern.«6
Die ärztliche Mission und vor allem die deutschen Bemühungen charakterisiert Mirbt7 zunächst historisch als eine Initiative der Herrnhuter Brüdergemeine im 18. Jahrhundert, die dann aber verstärkt durch die angelsächsischen Missionsgesellschaften aufgegriffen wurde und im Falle Chinas dazu führte, daß 1908 von 894 tätigen Missionsärzten 858 aus den USA oder Großbritannien kamen, nur 18 aus Deutschland. Dem protestantischen Vorbild folgte auch die katholische Mission.
Über die besondere Situation im Schutzgebiet schreibt Mirbt: »In Kiautschou hat der Allgemeine evangelisch-protestantische Missionsverein auf dem Gebiet der Krankenpflege sich eine ansehnliche und anerkannte Position geschaffen. Zwei Institute in Tsingtau erhalten durch ihren Namen die Erinnerung an Ernst Faber (…): das Faberhospital, in dem 1908 schon 2772 Patienten behandelt wurden, 440 als Innenpatienten und 2332 poliklinische, und das nur für Europäer bestimmte Faber-Krankenhaus, das von 82 Kranken in Anspruch genommen wurde. Dazu tritt noch das Hospital zu Taitungtschen in der Nähe von Tsingtau mit 6978 Patienten und das Hospital zu Kaumi, das von 2714 Personen aufgesucht wurde. Die Institute in Tsingtau werden von zwei deutschen Ärzten geleitet, die auch die Aufsicht über das Hospital in Taitungtschen ausüben, während das Kaumi-Hospital unter der Leitung eines chinesischen Arztes steht. Mit letzterem ist jetzt eine Opiumentziehungsanstalt verbunden. - Die Berliner Mission hat in Tsimo ein kleines, von einem chinesischen Heilgehilfen versehenes Hospital, das gute Dienste geleistet hat.«8
Die neuere katholische Mission in China beginnt mit dem Navarresen Francisco Xavier S. J., dem Apostel Japans, der das chinesische Festland jedoch nicht betrat, sondern 1551 auf einer Insel vor Macao (Aomen) starb. Als ihr eigentlicher Begründer ist dann aber Matteo Ricci S. J. anzusehen, der unter portugiesischem Schutz 1583 nach Guangzhou (Kanton) gelangte.
Die protestantische Mission nennt als ihr Gründungsdatum die Ankunft Robert Morrisons von der London Missionary Society 1807.
Die deutsche Mission spielte bis zur Besetzung Qingdaos in China eine untergeordnete Rolle. Selbstverständlich waren Deutsche in der katholischen Mission aktiv, doch war diese nicht national orientiert. Erst mit der deutsch dominierten Steyler Mission und der Erklärung des Deutschen Reiches 1890, daß es die Missionare und Missionen unter seinen Schutz stelle, erhielt ein Teil der katholischen Mission nationale Züge. Dies führte dazu, daß die Ermordung zweier Steyler Missionare 1897 Anlaß für die deutsche Besetzung der Jiaozhou-Bucht hatte werden können. Diesen Zusammenhang formuliert der Steyler Missionar Stenz: »Da wurden durch ruchlose Mörderhand die beiden deutschen Missionare PP. Nies und Henle in der Nacht vom 1. auf den 2. November 1897 erstochen. Deutschland hatte seit einigen Jahren den Schutz der Mission übernommen und verlangte daher Sühne von China. Um diese besser und energischer betreiben zu können, nahm es schon einige Tage nachher Besitz von dem Hafen Tsingtau. Der chinesische General Tschang, der dort mit einigen hundert zerlumpten Soldaten hauste, wurde überrumpelt und zum Abzug gezwungen, und deutsche Soldaten wurden gelandet, die sich schnell der wichtigsten Punkte bemächtigten. Ohne Blutvergießen war Tsingtau genommen. Der ›Sohn des Himmels‹ protestierte von seinem ›Drachenthrone‹ aus, doch ›das Land, auf das der deutsche Aar seine Fänge gesetzt, ist deutsch und wird deutsch bleiben‹«.9
Die deutschen protestantischen Missionsgesellschaften engagierten sich erst nach dem Vertrag von Nanjing 1842 in China. Eine Ausnahme war Karl Gützlaff, der in Diensten der Nederlandsch-Zendeling-Genootschap seit 1827 in Ostasien war. Während der gesamten Missionsperiode spielten die deutschen Gesellschaften im Vergleich zu den amerikanischen und britischen eine sehr viel geringere Rolle.
Auch sie jedoch nahmen gern die Anerkennung des Deutschen Reiches für ihre Tätigkeit wahr: »The German Government has acknowledged in a blue book its indebtedness to the work of the [missionary] societies as follows: - ›The influence of the missionaries on the population must be praised as a blessing. Many prejudices of the Chinese have been dispersed by their kind instruction and advice, many difficulties connected with the military occupation of a territory, and the economical opening of the country, have been mitigated by the quiet unobstrusive activity of the mission workers.‹«10
Die Provinz Shandong gehörte nicht zu den Missionsgebieten der Jesuiten, sondern es waren die Franziskaner, die 1651 in Jinan ein Grundstück erwarben und dort die Metropolitankirche ihres Ordens in China errichteten. Von dort durchdrangen sie vor allem Nord- und Ost-Shandong. Nachdem sie mit dem Vertrag von Tianjin am 1. Oktober 1860 nach Shandong zurückkehren konnten, teilten sie 1874 die Provinz in drei Kirchenprovinzen, in Nord-, Ost- und Süd-Shandong, besetzten aber nur die beiden erstgenannten. 1881 traf das Missionshaus in Steyl eine Vereinbarung mit den Franziskanern, Südwest-Shandong als Missionsgebiet zu übernehmen. Haupttriebkraft hierfür war der spätere Bischof Johann Baptist Anzer S. V. D., der eine der kontroversesten Gestalten der deutschen katholischen Mission in China werden sollte. Auch die protestantischen Missionsgesellschaften begannen überwiegend erst nach 1860 mit ihrer Arbeit in Shandong, und die deutschen Missionsgesellschaften sogar erst 1898 nach der Besetzung der Jiaozhou-Bucht durch das Deutsche Reich, eher ungewöhnlich, wie Mirbt11 schreibt, da sie in der Regel vor der Proklamierung der deutschen Herrschaft in den Missionsgebieten Fuß faßten. Ausnahmen waren lediglich Qingdao und Papua Neu Guinea (Kaiser-Wilhelmsland). So waren vor den Deutschen Briten, Amerikaner und Schweden in Shandong aktiv. In zeitlicher Reihenfolge kamen die folgenden Missionsgesellschaften nach Shandong:12
- Die britische Baptist Missionary Society, seit 1845 in China, begann ihre Arbeit 1859 in Yantai (Zhifu). Die eigentliche Missionsarbeit wurde jedoch erst 1875 aufgenommen, als Timothy Richard, einer der bedeutendsten westlichen Persönlichkeiten in China am Ende des 19. Jahrhunderts, der ab 1891 die Society for the Diffusion of Christian and General Knowledge zu einem der einflußreichsten Instrumente zur Verbreitung der westlichen Zivilisation in China ausbaute, eine Missionsstation in Qingzhou errichtete. Von dort wurden auch Linqu, Linzi und Shouguang im nordwestlichen Shandong betreut. 1889 wurde eine weitere Station in Zouping xian gegründet, von wo ein Missionsfeld erschlossen wurde, das sich von Boshan in Zentral-Shandong bis Lijun an der Huanghe-Mündung erstreckte. Eine Besonderheit der Baptist Missionary Society waren ihr intensiver Einsatz chinesischer Konvertiten in der Missionsarbeit und der private Gottesdienst. Erst nach dem Boxeraufstand zur Jahrhundertwende wurden zahlreiche Kapellen errichtet.
- 1860 stieß die amerikanische Southern Baptist Convention, seit 1835 in China, dazu und ließ sich zunächst in Yantai nieder. Sie dehnte ihre Arbeit bereits 1862 auf Dengzhou aus, wo im gleichen Jahr ein kleines Mädcheninternat gegründet wurde, 1885 auf Huangxian, 1891 auf Pingdu, 1903 auf Laizhou und 1906 auf Baima.
- 1866 errichtete die English Methodist New Conn- exion Missionary Society, die 1860 nach China kam, eine Station in Leling und begann sehr früh mit der ärztlichen Mission. Ein besonderes Kennzeichen dieser Gesellschaft waren wiederum der intensive Einsatz chinesischer Konvertiten und der Aufbau eines fast ausschließlich chinesisch orientierten Schulsystems. Eine weitere Missionsstation wurde später auch in Weihaiwei errichtet.
- 1872 ließ sich die Presbyterian Church in the U.S.A. (North), seit 1843 in China, in Jinan nieder. Nach Richthofen13 begann sie ihre Arbeit bereits 1861 oder 1862 in Yantai und Dengzhou. 1882 war sie in Weixian, 1890 in Yizhou und Jining, 1899 in Qingdao und 1905 in Yixian. Sie zeichnete sich aus durch ihre intensive ärztliche Mission, ein ausgedehntes Schulsystem, durch Lehrerausbildung und die Errichtung einer Taubstummenschule in Yantai 1898. Richthofen charakterisiert ihre Tätigkeit folgendermaßen: »Die in Töngtschou [Dengzhou] angewandte Methode war, wie bei den Amerikanern überhaupt, weniger auf exegetische Erklärung und Predigt, als auf die Aeusserung werkthätiger Liebe gerichtet. Krankenhaus, Schule und Buchdruckerpresse sind die Mittel, deren sie sich bedienen, um den ersten Zugang zu Herz und Geist der Leute zu bekommen.«14
- 1879 stieß auch die China Inland Mission, die einzige supranationale protestantische Gesellschaft, nach Shandong vor und errichtete Stationen in Ninghai und Fushan, nach Richthofen15 auch in Yantai.
- Der American Board of Commissioners for Foreign Missions (A.B.C.F.M.), der seit 1830 in China vertreten war und dessen erste Missionare, Elijah C. Bridgman, David Abeel (beide 1830), S. Wells Williams, Ira Tracy (beide 1833) und Dr. Peter Parker (1834) entweder eine bedeutsame Rolle für die Entwicklung einer westlichen akademischen Sinologie im 19. Jahrhundert oder aber für die Einführung der westlichen Medizin in China spielten, gründete 1880 eine erste Station in dem Dorf Pangjiazhuang, südlich von Dezhou, und eine zweite 1886 in Linqing zhou. Zu den in Pangjiazhuang tätigen Missionaren gehörte auch A. H. Smith, dessen Publikationen »Chinese Village Life« und »Chinese Characteristics« zu wichtigen Texten der historischen Ethnologie und Soziologie geworden sind.
Der A.B.C.F.M. setzte auch in Shandong die von Peter Parker begründete medizinische Tradition fort.
- Noch vor den deutschen Missionsgesellschaften kam die schwedische Baptistenmission (Sällskapet Svenska Baptist Mission) 1893 nach Qingdao, die dort seit 1900 zunächst eine Tagesschule für Jungen und Mädchen, wenig später Internate für beide Geschlechter gründete.
- Erst nach den deutschen Gesellschaften errichtete 1903 die Church of England Mission unter der Bezeichnung Society for the Propagation of the Gospel ein Bistum Shandong mit Missionsschwerpunkten in Taian und Pingyin. In Shandong vertreten waren auch unabhängige Missionare und die großen Bibelgesellschaften.
Über die deutsche Mission schreibt Richthofen: »Die deutsche protestantische Mission unterscheidet sich in mancher Hinsicht ganz allgemein von der englisch-amerikanischen. Sie sieht auf die Ausbildung der Sendboten in besonderen Missionsseminaren und schickt nur Geistliche aus. Der Missionsberuf wird ideal in völlig religiösem Sinn aufgefasst; seine Triebfeder ist das Erbarmen mit einer Menschheit, welcher das christliche Heil nicht zu theil geworden ist. Durch Predigt und Seelsorge sucht der Missionar sie ihrem Verderben zu entreissen. Er verschmäht principiell den Schutz einer weltlichen Macht, da sein Beruf um der Religion selbst willen ausgeübt werden und auch die Elemente der Kraft in sich tragen soll. Es ist der edle Standpunkt, der einen Bonifacius und Franciscus Xaverius unter die Heidenvölker getrieben hat. Im Gegensatz dazu steht der praktische Standpunkt der Amerikaner, während der englische mitten inne steht. Die Missionen dieser beiden Nationen streben, mit der Religionslehre die Segnungen der christlichen Kultur zu bringen.«16
- Diese Darstellung mag auf die Berliner Missionsgesellschaft zutreffen, die 1898 die Missionare A. Kunze, C. J. Voskamp, den wohl produktivsten Autor unter den frühen Qingdao-Missionaren, und W. Lutschewitz nach Qingdao entsandte, von denen die beiden erstgenannten unter den Hakka in Südchina gearbeitet hatten. Von ihnen wurde das erste Jahr dazu genutzt, Mandarin zu lernen und Deutsch in einem von der Kolonialregierung zur Verfügung gestellten Raum zu unterrichten.
Nach Landschenkungen (Erbpacht) der Reichsregierung an die protestantischen und katholischen Missionen und eigenen Grundstückskäufen wurden Missionsstation, Kirche und Schule errichtet. Pfeiler der Missionsstätigkeit waren neben der Seelsorge, die auch viele Getaufte der Presbyterianer-Missionen erfaßte, die Schulen mit dem Curriculum Chinesische Klassiker, Arithmetik, Geographie, Physik, Bibelgeschichte und Deutsch und die Frauenmission. Durch den Morgenländischen Frauenverein wurde eine Mädchenschule gegründet, auf der vor allem Töchter von Compradoren und wohlhabenden Kaufleuten unterrichtet wurden. Hinzu kam die Tätigkeit unter den Frauen in Haixi an der Westseite der Jiaozhou-Bucht.
905 gab es vier Hauptstationen, 23 Außenstationen und 15 Predigtplätze mit 435 Getauften, die von 7 Missionaren und 2 alleinstehenden Frauen betreut wurden. Im Interesse der Mission betrieb A. Kunze daoistische Studien am Laoshan, Lutschewitz arbeitete missionarisch und medizinisch bis 1910 in Jimo, einem für seine Geheimgesellschaften bekannten Ort.
- Der Allgemeine Evangelisch-Protestantische Missionsverein, der 1884 in Weimar gegründet worden war und seit 1885 in China arbeitete, bevor er ebenfalls 1898 sein Hauptarbeitsgebiet nach Qingdao verlegte, verfolgte dagegen doch eher die angelsächsischen17 und zum Teil die älteren jesuitischen Missionsziele. Sein Ziel ist nach Lipsius die Propagierung der christlichen Religion und Zivilisation unter den nichtchristlichen Völkern unter Berücksichtigung der bereits dort vorhandenen Wahrheitselemente: Wir werden ihnen die Bibel bringen, nicht als menschliche Weisheit, sondern als Gottes Offenbarung, nicht als neue Kultur, sondern als Hilfe in der Not, nicht als ausschließliches Bekenntnis, sondern als Zeugnis des einen Erlösers, nicht als Summe erstaunlicher Lehren, sondern als Tat Gottes zu unserer Erlösung, nicht als vergangene Geschichte, sondern als die göttliche Macht, die der Christ in seinem Herzen erfährt.
1898 kam Ernst Faber (1839 bis 1899)18 von Shanghai, wo er die deutsche Gemeinde betreut und sich hauptsächlich schriftstellerischen Aufgaben gewidmet hatte, nach Qingdao, starb jedoch bereits ein Jahr später an Dysenterie. Zu nennen ist er trotz seiner kurzen Tätigkeit in Qingdao, weil er in missionarischen Augen der vielleicht bedeutendste Sinologe des 19. Jahrhunderts war.19 Dieses Urteil wird von Otto Franke nur partiell geteilt, der dennoch ein ungemein sympathisches Bild von ihm zeichnet: »Neben Edkins war die Sinologie in Shanghai durch den Deutschen Ernst Faber vertreten, ebenfalls Missionar und einer der Begründer des Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins von 1886. Er war eine Autorität in chinesischer Botanik, und seine Leistungen in dieser Disziplin sind von größerem und dauernderem Werte als seine Arbeiten über die kanonischen Schriften der Chinesen, die heute überholt sind. Der Umgang mit dem sehr gemessenen und sehr würdevollen Herrn, der nur seiner Arbeit lebte, war mir immer eine Freude, und in die Verehrung, die er überall genoß, stimmte ich von Herzen ein.«20
Fabers Nachfolger wurde Richard Wilhelm (1873 bis 1930),21 der sich vom Missionar zum vielleicht wichtigsten Mittler von wichtigen Teilen der chinesischen Kultur wandelte.22 Auch ein dritter Sinologe ging aus dem Missionsverein hervor, nämlich Wilhelm Schüler.
Soweit sich die Missionare des Vereins nicht der unmittelbaren Missionstätigkeit entzogen, standen Schulen und ärztliche Mission im Vordergrund der Tätigkeit. In Zusammenarbeit mit chinesischen Schulen wurden Grundschulen auf dem platten Lande gegründet. In Qingdao gab es das Deutsch-Chinesische Seminar mit mehr als hundert Schülern aus der lokalen Elite und wiederum eine Mädchenschule seit 1905. 1908 unterhielt der Verein 3 Stationen mit 3 Missionaren und 2 unverheirateten Missionarinnen.
Ab 1915 wurde die deutsche Missionstätigkeit in China immer schwieriger.23
Das deutsche Eigenbild von ihrer Missionstätigkeit war von dem Versuch geprägt, sich vorteilhaft von den großen angelsächsischen protestantischen Missionen, aber auch von der von Italienern und Franzosen getragenen katholischen Mission abzugrenzen und sich selbst ein größeres Einfühlungsvermögen und größere Vorsicht im Umgang mit den Chinesen zuzusprechen, so daß es gelungen sei, größere Reibungen mit den chinesischen Behörden zu vermeiden.24
Wie wenig dies den Realitäten entsprach, geht selbst aus der parteiischen Beschreibung von Stenz25 hervor, in welcher Weise durch Anzer mit Hilfe des Deutschen Reiches die Öffnung Yanzhou fus, der engeren Heimat des Konfuzius, für die Steyler Mission erzwungen wurde und wie die lokalen Behörden und die Bevölkerung hinhaltenden Widerstand leisteten.
Vorsichtiger hat fraglos die deutsche protestantische Mission agiert, wenn auch der Beginn ihrer Arbeit in Shandong in unmittelbarem Zusammenhang mit der Besetzung der Jiaozhou-Bucht durch das Deutsche Reich stand. Trotz innermissionarischer Schuldzuweisungen entweder gegenüber den Missionaren anderer Natio- nen oder gegenüber der allzu offensiven Missionspolitik der Steyler Mission waren die Missionare nicht in der Lage, ihre eigene, eben auch oft negative Rolle bei der Durchdringung Chinas zu erkennen, und schlossen etwa nach dem Boxeraufstand ihre Ränge gegen die politischen und kommerziellen Interessen des Westens, die für die Störungen im Verhältnis zu China verantwortlich seien.26



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Missionare

 

 

 

 

 

 

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Mädchenschule in Tsingtau

 

 

 

 

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