Deutsches Historisches Museum - Verf�hrung Freiheit. Kunst in Europa seit 1945 - Blog

18.10.2012
14:45

Aus dem Kopf zum Modell in die Ausstellung: Ausstellungsgestalter Werner Schulte

„Verführung Freiheit. Kunst in Europa seit 1945“ ist seit gestern für unsere Besucher geöffnet. Die Eröffnungsreden sind gehalten. Die ersten Rezensionen stehen in der Tagespresse. Zeit, einen Schritt zurückzugehen. Um in den Ausstellungstermini zu bleiben: Wie wird aus der Ausstellungsidee, dieser „Welt im Kopf“, ein Modell und dann eine Ausstellung? Warum darf ein Gemälde nicht neben einem Foto hängen? Und wie groß ist eigentlich unser „Optimalbesucher“?

Diese Fragen hat uns Ausstellungsgestalter Werner Schulte beantwortet.  

„Ich bin Werner Schulte, ich bin Ausstellungsgestalter hier im Deutschen Historischen Museum seit mittlerweile 23 Jahren. Eine Ausstellung will gestaltet werden, sprich: Wir besprechen mit den Kuratoren am Anfang das Ausstellungskonzept und die Kuratoren erstellen eine Datenbank. Dann wird besprochen, wie das konzeptionell aussehen soll und wie viele Themenräume es gibt.

Dann beginnt mein Part, indem wir sagen: „Wo liegen die Schwerpunkte in dieser Ausstellung?“ Wir erstellen ein Ausstellungskonzept anhand eines Modells im Maßstab von 1:25, was ganz wichtig ist. Wenn wir das nur am PC machen würden, würden wir nur zeichnen. Die Kuratorin hätte im Nachhinein keine Möglichkeit mehr in wenigen Sekunden zu sehen, ob ein Objekt inhaltlich die richtige Position hat.“

F: Wie funktioniert das – vom Ausstellungskonzept und den Objekten zum Modell? Erzählen Sie uns von diesem Weg. Wie nahe bleiben Sie am Konzept? Wie viel kreative Arbeit steckt da von Ihnen aus drin?

A: „Da ist schon viel kreative Arbeit drin, weil wir ja von den Kuratoren in Anführungszeichen „nur“ die Objekte bzw. etwas inhaltlich übermittelt bekommen. Es gibt einmal in der Woche einen Jour Fixe, wo wir viel Input bekommen – von den Kuratoren und Mitarbeitern über die Objekte und die Geschichte, die erzählt wird, über die Themenräume und in welchem Kontext die zu den Objekten stehen. Dann versuchen wir ein Konzept zu entwerfen.

Im Fall der „Verführung Freiheit“, dass wir zum Beispiel an den Außenwänden grundsätzlich große Objekte zeigen, so dass der Besucher auch in diese Nischen eintreten will. Außerdem überlegen wir uns Blickpunktperspektiven, damit der Besucher reingelockt wird von Themenraum zu Themenraum und durch die Objektlage geführt wird.“

F: Was muss man bei der Gestaltung und Konzeption einer Ausstellung beachten?

A: „Wichtig sind immer die Blickachsen und dass auch bestimmte Gattungen immer zueinander passen. Aus restauratorischer Sicht können wir natürlich nicht unbedingt ein Gemälde direkt neben einer Grafikwand montieren: Das Gemälde wird hell ausgeleuchtet, bis zu 250 Lux, die Grafik sprich Papier wird meistens mit 50 Lux ausgeleuchtet und das Auge kann sich nicht so schnell umstellen.

Das Auge braucht einfach eine gewisse Zeit – circa 20 bis 30 Sekunden –  um die unterschiedliche Helligkeit wahrzunehmen. Und darum ist es besser, wenn man das trennt. Es gibt in der Ausstellung deshalb auch bestimmte Grafikwände und Fotowände, die wir zusammengefügt haben – auch Fotos dürfen nur gering ausgeleuchtet werden, weil die sonst zu viel Schaden nehmen.“

F: Wenn das Modell steht, geht es an die tatsächliche Umsetzung in den Ausstellungsräumen. Was ist das Schönste daran, das Modell in die Realität zu überführen?

A: „Das Schönste ist erst mal mit den Kuratoren hier am Modell zu diskutieren, das mal eine Woche ruhen zu lassen. Dann kommen noch Details, dann kommen noch andere Vorstellungen. Alleine sitze ich hier natürlich auch lange dran und gucke: Wie sind die Blickachsen? Funktionieren die? Ja, nein? Da sind wir immer flexibel. Und dann, wenn wir alles durchgesprochen haben, kommen die Detailarbeiten, da werden die Wände gestellt bzw. geplant, Detailzeichnungen gemacht – funktioniert das so, wie wir es hier am Modell besprochen haben, wie es hier aufgebaut ist? Das ist ein dynamischer Prozess.

Die Gestaltungsidee kann man vielleicht mit fünf Prozent der Arbeit bewerten, der Rest ist viel Organisation, Detailzeichnung und Besprechung mit den Restauratoren. Jedes Objekt wird durchgesprochen: Wie kann es präsentiert werden, welche Auflagen hat der Leihgeber – das ist natürlich auch Voraussetzung für die Präsentation. Möchte der Leihgeber eine Gemäldesicherung haben? Eine optische Sicherung? Muss das Objekt durch eine Plexiglaswand geschützt werden? Haben wir komplizierte Objekte, die eine spezielle Vitrine benötigen? Das wird alles mit den Restauratoren durchgesprochen und dann wird das Konzept umgesetzt.

Wenn wir die Architektur aufbauen, dauert das meistens zwei bis drei Wochen. Danach kommt der „Aufbau Kunst“ – so nennen wir das – da stehen uns meistens so 10 bis 14 Tage zur Verfügung. Zuletzt wird die Wandabwicklung montiert, die wir vorher am Computer in einem Layout-Programm erstellt haben. Sobald die Objekte stehen und die Wand komplett ist, sagen wir: „Okay, das machen wir so.“ Es gibt aber auch häufig Möglichkeiten die Objekte zu tauschen, um bestimmte Schwerpunkte noch mal hervorzuheben.“

F: Wenn Sie Ihre Blickachsen bestimmen, wie groß ist dann der „Optimalbesucher“?

A: Die durchschnittliche Augenhöhe berechnen wir mit 1,55 oder 1,60 Meter. Das ist der Durchschnitt. Sollten wir ganz große Wände und schwere Objektehaben – sind die Gemälde zum Beispiel auf Untersicht gemalt –müssen wir das entsprechend anpassen. Dann kann ein Gemälde mal eine Augenhöhe von 1,80 Meter haben. Das hängt immer davon ab, was für Gemälde das sind und wie die Wand aussieht.“

F: War die Ausstellungsgestaltung Ihr Traumberuf?

A: „Während meines Studiums habe ich viel für Ausstellungen gearbeitet und da habe ich die Idee gehabt, Ausstellungen zu gestalten. Das ist dementsprechend jetzt schon mein Traumberuf. Das Schöne daran ist, dass es immer kurzfristige Projekte sind. Ich habe also relativ schnell „Erfolg“. Das ist dann kein Projekt über vier, fünf Jahre, sondern maximal über ein oder ein halbes Jahr.

Und das gefällt mir natürlich am besten: Wenn der Aufbau funktioniert, wenn die Zusammenarbeit gut funktioniert, dann bin ich ganz zufrieden, ganz begeistert. Und wenn dann die Kunst aufgebaut wird, ist das nach wochenlanger Planung das Spannendste überhaupt. Wie sehen die Originale eigentlich aus? Und wenn dann noch der Besucher zufrieden durch die Ausstellung geht und sagt: „Ich hab was gelernt“, dann ist es super. Punkt.“

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Was wir nicht gefragt haben:

Ob er immer mit den Ausstellungsresultaten zufrieden ist.

Wo er am DHM arbeitet:

Verwaltungsgebäude hinter dem Zeughaus, 2. Stock

Auf welchen Raum er sich in der Ausstellung am meisten freut:

„Da geh ich ganz pragmatisch ran. So etwas habe ich grundsätzlich nicht, muss ich sagen. Jeder Raum ist schön, jeder Raum ist im Detail durchgeplant und alles wird hervorragend funktionieren.“

Wann er sich am freiesten fühlt:

„Wenn ich gesund bin, fühle ich mich am Freiesten und wenn ich unabhängig bin.“

Wiebke Hauschildt(hauschildt[at]dhm.de)Trackback-Link
Tags: die macher, ausstellungsgestaltung
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  • 1 Kommentar(e)
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Tanja Praske
18.10.2012
20:59
Spannend

Sehr schöner Beitrag! Toll auch, dass es hier eine enge Zusammenarbeit mit Kuratoren gibt - ein Idealfall. Ich wünsche Euch viel Erfolg mit der Ausstellung, sie liest sich schon mal sehr vielversprechend. Schöne Grüße! Tanja Praske

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