Deutsches Historisches Museum - Verf�hrung Freiheit. Kunst in Europa seit 1945 - Blog

22.10.2012
15:07

Der Morgen danach: Die Kritik

Mittwochmorgen am Museum: Nach den Eröffnungsfeierlichkeiten am Abend zuvor, ist das, was alle am meisten interessiert die Presseresonanz. Im Projektbüro sind die Rechner schneller an als sonst, die Google Alerts schon in den Mailboxen eingetroffen und die digitale Außenbewertung wird umgehend konsumiert. Die folgende Geräuschkulisse wurde nicht aufgezeichnet.Gefühlt haben wir jedoch ein breites emotionales Spektrum abgedeckt. 

 

Der Tagesspiegel titelt „Das einsame Ich“ und untertitelt „Nachkriegsgeschichte im Spiegel der Kunst“. Redakteur Bernhard Schulz fragt ebenso wie sein Kollege von der Zeit: „Wie kommt ein Geschichtsmuseum dazu, eine Ausstellung allein von Kunstwerken zu zeigen [...]?“ Den Ausstellungsansatz findet Schulz „faszinierend“: Die Europaratsausstellung versuche „die Nachkriegsgeschichte Europas neu zu lesen. Statt einer Geschichte der ideologischen Blockkonfrontation eine Geschichte des Fortlebens der Aufklärung [...]“. Für Schulz ist ein Höhepunkt der Ausstellung unser elftes Kapitel „Selbst-/Grenzerfahrung“, in welchem sich für den Redakteur „Sinn und Ziel von Freiheit“ erschließen, durch „Erfahrung und Behauptung des eigenen Selbst“. Sein Fazit: Auf eine „anrührende Weise“ sei diese Ausstellung „unpolitisch: weil sie sich partout weigert, die konkreten Bedingungen in den Blick zu nehmen, unter denen die gezeigten Kunstwerke aus immerhin sechs Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte entstanden sind.“

Das Kulturradio des rbb findet, dass es „passt, dass in Berlin eine große Ausstellung fragt, wieweit es denn tatsächlich  her ist mit der „Freiheit“ und dem Frieden in Europa“, angesichts des gerade verliehenen Friedensnobelpreises an die EU. In der Druckversion des Beitrags fragt Redakteurin Anke Schäfer jedoch gleich zu Beginn: „Nur zeigt die Ausstellung wirklich was?“ Kritisch bewertet Schäfer, was sie in den Räumen sieht, um gleich darauf zu relativieren: Zwar würden sich „überraschende Bezüge und verblüffende Zusammenhänge“ ergeben, trotzdem wirken die Kunstwerke  auf sie so „als würden sie in einem Kuriositätenkabinett auf dem Jahrmarkt verramscht“.

Das Deutschlandradio Kultur titelt „Kunstwerke, die für sich selber sprechen“. Redakteur Carsten Probst assoziiert mit den Ausstellungsräumen im Untergeschoss des Pei-Baus „eine große Bilderkammer“ und befürchtet, dass unvorbereitete Besucher aufgrund des „wirren Durcheinanders von Werken einschlägig bekannter Künstlerinnen und Künstler aus dem Europa der Nachkriegszeit“ möglicherweise „verstört“ würden. Das Fazit aber bleibt für Probst positiv: Die gezeigten Positionen würden „eine vielstimmige Wahrnehmung des zweischneidigen Phänomens der sogenannten „Freiheit““ bilden und die „Vielheit der Bilder sich plötzlich kaleidoskopartig zueinander fügen.“

Die Zeit titelt „Alles auf Kunst“ und untertitelt „Grandios ausgedacht, fatal vermurkst: Die Schau „Verführung Freiheit“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin will das 20. Jahrhundert erklären“. Redakteur Sebastian Preuss zufolge lässt die „gleichmacherische Regie dieser Ausstellung“ Europa zu einer „einzigen übergreifenden Kunstlandschaft“ werden. Er berichtet von dem Schicksal der Künstlerin Lenke Rothman (nur im Katalog abgebildet) und ihren „Retroaktiven Aufzeichnungen“ (1956).  In den Zeichnungen setzt sich die Künstlerin mit ihren Erfahrungen in Ausschwitz auseinander. Die skizzenhaft anmutenden Blätter spiegeln Heilungsprozess als auch Widerstand gegen das Vergessen. Diese Arbeit nimmt der Redakteur als Aufhänger für sein Fazit: „Das alles kann Kunst. Doch braucht man, um dies zu zeigen, ein historisches Museum?“

(Die Zeit vom 18.10.2012, Nr. 43, S. 19)

_____________________________
 

Weitere Rezensionen:

SWR2 – „Tradition der Aufklärung in Bildern

Monopol – „Demokratie mit roten Fingernägeln

MDR Figaro – „Ausstellung Verführung Freiheit eröffnet

Aboutsomething – „Verführung Freiheit. Kunst in Europa seit 1945“, Ausstellung in Berlin

Die Presse – „Von der Freiheit, die alle meinen

Wiebke Hauschildt(hauschildt[at]dhm.de)Trackback-Link
Tags: besucher, presseschau
Anzahl Aufrufe: 5042
  •  
  • 0 Kommentar(e)
  •  

Sie müssen zum Kommentieren angemeldet sein. Bitte anmelden oder registrieren.

Zurück

Archiv