Deutsches Historisches Museum - Verf�hrung Freiheit. Kunst in Europa seit 1945 - Blog

15.11.2012
15:35

Die Schnittstelle des Museums: Registrar Edith Michelsen

Das Büro der Registrare Edith Michelsen und Regina Gelbert liegt in einem Raum, der nicht nur direkt an das Verwaltungsgebäude, sondern auch an das Ausstellungsgebäude grenzt. Dieses architektonische Dazwischen ihrer Arbeitsplätze korrespondiert mit ihrer Tätigkeit als Registrare: Sie sind die Schnittstelle zwischen den Ausstellungsobjekten und den Ausstellungsgestaltern. Jede Objektbewegung wird von ihnen begleitet und registriert: Ob sich ein Exponat noch im Transporter von Paris befindet, im Zwischendepot lagert oder in den Ausstellungsräumen ausgepackt und aufgebaut oder abgebaut wird.  

„Mein Name ist Edith Michelsen. Ich arbeite am Deutschen Historischen Museum als Registrar oder Registrarin. Das ist ein Wort, das aus dem Englischen oder Amerikanischen kommt und das nicht richtig übersetzt oder eingedeutscht werden konnte, insofern sagt man meistens „Registrar“ und hält es geschlechtsneutral.“

F: Was genau ist ein Registrar?

„Ein Registrar ist eine Koordinationsstelle für alle Objektbewegungen, die ins Haus kommen oder aus dem Haus rausgehen. Unsere Stellen sind geteilt: Wir beide (Frau Gelbert und ich) arbeiten als Registrare für die Wechselausstellungen, d. h. wir sind für die Objekte zuständig, die ins Haus kommen und unsere Kollegin, die drüben im Archivgebäude arbeitet, ist zuständig für alle Objekte, die aus dem DHM rausgehen.“

F: Wie sieht ein typischer Arbeitstag als Registrar aus?

„Wir beschäftigen uns mit den eingehenden Objekten, die für die Wechselausstellungen kommen, d.h. wir arbeiten immer projektweise. Es gibt ein Projekt, ein Ausstellungsthema und dafür arbeiten wir. Im Großen und Ganzen sind wir für die Datenbankpflege zuständig. Wir schreiben außerdem die Leihanfragen, wenn feststeht, welche Objekte ins Haus kommen sollen. Wir fertigen die Leihverträge an oder prüfen die Leihverträge, die von anderen Institutionen ins Haus kommen. Wir kümmern uns um die Versicherung, wir koordinieren Transporte und Kurierbegleitungen. Wir sprechen die Verpackung der Objekte ab, die ins Haus kommen und sind für die erste Annahme der Objekte zuständig. Wir führen Listen, sind immer in Absprache mit den Ausstellungsarchitekten, Restauratoren und natürlich den Kuratoren.“

Warten auf die Anlieferung
Warten auf die Anlieferung
Aufbewahrung unserer Objekte
Aufbewahrung unserer Objekte
Thermohygrograph im Museum
Thermohygrograph im Museum

F: „Ihre Mitarbeit an einem Projekt beginnt, sobald Ihnen die komplette Objektliste vorliegt. Was genau ist dann für Sie zu tun?“

„Meistens beginnt die Arbeit schon früher, denn in diesem Fall war für das Projekt auch eine Ausstellungsmanagerin oder Registrarin (Frau Sid Otmane) zuständig. Wenn es das nicht gibt, fangen wir selber mit den Leihanfragen an. Dann kommen die Zusagen oder die Absagen und wir tragen das in die Datenbanken ein. Dazu gehören die Bedingungen, die an diese Ausleihe geknüpft sind.“

F: Erinnern Sie sich an eine Anekdote aus der Projektzeit von „Verführung Freiheit“ besonders gut?

„Ja. Wir hatten ein Objekt aus Ungarn, aus Budapest. Das war eine Installation von Miklós Erdély namens „Das Auge der Vernunft“. Und es war nicht richtig rauszukriegen, wo das Objekt ist und wie man das am besten hierher transportiert. Ob es eine Kiste braucht, ob das geflogen werden muss, was für Kosten da auf uns zukommen und letztendlich lief das alles über unseren Projektpartner Collegium Hungaricum und Frau Sid Otmane und ich konnten um die Ecke gehen und das Objekt beim CHB abholen. Das war dann eine sehr einfache und preiswerte Lösung, die sich uns da präsentierte.“ (lacht)

F: Was hat Ihnen bei der Arbeit an unserem Projekt besonders gut gefallen? Was war für Sie am Schönsten?

„Das es diesmal eine Kunstausstellung war. Ansonsten haben wir ja meistens Jahrestage oder historische Ereignisse, um die dann eine Ausstellung herum geplant wird. Und dieses Mal standen die Objekte im Vordergrund, also die Kunst in Europa seit 1945. Und es waren wirklich Objekte, die wir sonst nicht hier am Deutschen Historischen Museum haben. Und Künstler, die ihre Objekte begleitet oder selbst installiert haben. Das war das neue und interessante dann auch für uns.“

F: Und was war das Schwierigste an diesem Projekt?

„Ja... es gab sehr viele Schwierigkeiten! Das Schwierige beim Aufbau zum Beispiel war wirklich diese Fülle von Objekten, die unterschiedlichen Leihgeber aus ganz Europa, viele Kuriere zu koordinieren und am Anfang wirklich eine Linie zu schaffen, so dass alles in einen Fluss kommt. Dass es beim Aufbau nicht so hektisch zugeht, dass aber auch eine Kontinuität da ist. Das war schwierig zu koordinieren bei so vielen Transporten aus dem Ausland, wo man immer sehen muss, dass das Land zusammengefasst wird. Also dass ein Transport aus Italien kommt, ein Transport aus England und ein Transport aus Frankreich, obwohl das ganz viele unterschiedliche Leihgeber sind.“

F: Sobald das Objekt am hier am Haus angekommen ist, was machen Sie dann? Werden die Objekte sofort ausgepackt?

„Das ist unterschiedlich. Manchmal sind die Objekte in Klimakisten. Das sind vor allem Gemälde und die müssen dann 24 Stunden am Ort stehen, bevor sie überhaupt ausgepackt werden dürfen. Eine Klimakiste ist dabei eine speziell ausgestattete Holzkiste, die das Klima über einen bestimmten Zeitraum konstant hält, so dass es keine großen Temperaturschwankungen gibt innerhalb der Kiste. Die Kiste muss sich dann in diesen 24 Stunden vor Ort „akklimatisieren“, bevor sie aufgemacht wird. Muss sich also den Klimabedingungen vor Ort anpassen.“

Unsere andere Registrarin Frau Gelbert fügt hinzu:

„Es geht eben darum, dass diese Schwankungen für das Gemälde nicht zu stark werden. Es befindet sich ja in einem Museum bei einer bestimmten Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Dann wird die Klimakiste dorthin gebracht, geöffnet, akklimatisiert sich, nimmt also das „Klima“ des Museums auf, das Bild wird verpackt, zugemacht und dann kommt der Transport und man hofft, dass das Klima drinnen so erhalten bleibt. Hier am Museum wird es im gleichen Klima wieder ausgepackt, da die Bedingungen vereinheitlicht sind, was Temperatur und Luftfeuchtigkeit für Gemälde betrifft. Das Schwierige ist, wenn es große Schwankungen gibt. Dann kann sich eine Malschicht oder Farbschollen lösen.“

__________________

Was wir nicht gefragt haben:

Wie sie eigentlich Registrarin geworden ist.

Wo sie am DHM arbeitet:

Im Übergang zwischen Verwaltungsgebäude und Pei-Bau.

Welches Werk ihr in der Ausstellung am meisten ans Herz gewachsen ist:

„Da gab es ja so viele tolle Objekte von so vielen bekannten und berühmten Künstlern, dass es schwer ist das zu sagen. Aber vielleicht doch die beiden Gemälde von Opalka, also diese „1 - ∞“, wo wir „2 269 683“ bis „2 289 861“ genommen haben. Das ist eine tolle Arbeit, die dieses Vergängliche zeigt und immer nur um 1 ergänzt. Und fast sieht man die Gemälde nicht als Zahlen, sondern als Grafik. Es hat nichts Gegenständliches mehr, sondern mehr etwas Grafisches. Vor allem man einen Schritt zurück tritt.“

Wann sie sich am freiesten fühlt:

 „Da habe ich lange überlegt. Das ist schwer zu sagen. Aber ich glaube, wenn ich unabhängig bin von inneren und äußeren Zwängen, soweit das möglich ist. Und das ist sehr oft draußen, draußen in der Natur.“

Wiebke Hauschildt(hauschildt[at]dhm.de)Trackback-Link
Tags: die macher, registrar, interview, fotos
Anzahl Aufrufe: 1290
  •  
  • 0 Kommentar(e)
  •  

Sie müssen zum Kommentieren angemeldet sein. Bitte anmelden oder registrieren.

Zurück

Archiv