Deutsches Historisches Museum - Verf�hrung Freiheit. Kunst in Europa seit 1945 - Blog

11.10.2012
17:00

Edi Hila: Brautkleid zu vermieten oder von Systemübergängen und Überlebensstrategien

„Auf den Landstraßen zwischen zwei Städten fand man ein Aquarium. Ein Aquarium mit lebenden Fischen. Jemand hatte sie aus dem See gefischt und an der Straße ausgestellt. In der Hoffnung sie an jemanden verkaufen zu können, der mit dem Auto vorbeikommt, anhält und diese frischen Fische kauft. Das nennt man Parallelwirtschaft - im Gegensatz zur organisierten Wirtschaft, die von der Regierung, dem Staat geplant wird. Diese Parallelwirtschaft wurde als Mittel zum Überleben erfunden.“ 

Edi Hila Porträt

 

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs befindet sich Albanien mit dem Übergang von Diktatur zu Demokratie in einer tiefen Krise. Obwohl 1991 die ersten freien Wahlen stattfinden, weitet sich 1997 die wirtschaftliche und politische Krise derart aus, dass sie zur gesellschaftlichen wird. Die albanische Bevölkerung erhebt sich im sogenannten „Lotterieaufstand“. Um zu überleben, entwickelt sich eine Parallelwirtschaft. Es wird gehandelt, verkauft, vermietet. Lebende Fische ebenso wie Brautkleider.

Das erzählt uns der albanische Künstler als wir ihn in unserem Museum interviewen. Wir treffen in Edi Hila einen leise lächelnden älteren Herrn. Er erzählt uns in wohlbedachten Worten die Geschichte seines Bildes „La robe de la mariée 2“ (2007), die so eng mit der Geschichte seines Landes verknüpft ist.

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Die Veränderungen in Albanien sind tiefgehend. Die neue Realität führt nicht nur zu neuen künstlerischen Freiheiten, sondern auch zu künstlerischer Verwirrung. Edi Hila erzählt, wie er und andere albanische Künstler mit einer neuen Wirklichkeit konfrontiert werden. Sie fangen an zu reisen und verstehen schnell: Wenn sie die albanische Situation künstlerisch mitgestalten wollen, müssen sie etwas ändern. Künstlerische Freiheit bedeutet nun offen mit der albanischen Realität umgehen zu können. Diese Freiheit mitzudenken und umzusetzen, muss aber erst gelernt werden.

Edi Hila hat sein Bild persönlich zu uns gebracht. Der deutsche Titel lautet „Das Brautkleid 2“. Als er anfängt über das Bild zu sprechen, wird uns bewusst, wie weit die Interpretationsräume sind. In unserem Objekttext verweist das Brautkleid „auf eine verlorene Welt, beklagt das Versagen der Politik und das Ende aller Hoffnungen. Das Freiheitsversprechen des Westens hat nur Elend gebracht. Eine Zukunft gibt es nicht.“ Edi Hila sieht in ihm die Möglichkeit wegzugehen und sein Glück zu suchen.

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Was wir nicht gefragt haben: Ob er gefragt hat, für wie viel Geld das Brautkleid vermietet wird. 

Wo er in der Ausstellung ist: Raum 5 „Realismus des Politischen“, hintere Wand links.

Was er noch erzählt hat: Er wurde während der Diktatur verhaftet und drei Jahre inhaftiert, weil seinem Stil „westliche Tendenzen“ vorgeworfen wurden.

Wie er das Ausstellungskonzept findet: „Das Konzept der Ausstellung erscheint mir sehr interessant. Ich glaube, es wird funktionieren! Ich hatte mir eine monumentale Ausstellung vorgestellt und ich glaube das wird sie sein. Und es gab so viele Veränderungen, nicht nur in Albanien, auch in Deutschland. Die Idee des Übergangs von einem System zu einem anderen ist sehr stark. Ich bin sehr neugierig auf die Ausstellung!“

Wann er sich am freiesten fühlt:

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