Deutsches Historisches Museum - Verf�hrung Freiheit. Kunst in Europa seit 1945 - Blog

03.01.2013
12:38

Freiheiten und Grenzen: Schreibend die Ausstellung erfahren

Sie versammeln sich morgens um zehn vor dem Eingang zur „Verführung Freiheit“. Vor ihnen steht Theaterregisseur Thorsten Schlenger, der nicht lange zögert und mit den Fragen beginnt: „Was heißt eigentlich Freiheit? Was bedeutet Verführung?“  

  • Thorsten Schlenger vor Ausstellungseingang
  • Schüler und Schlenger vor Ausstellungseingang

Sie hingegen zögern etwas. Schnell gelangt man zu den Grenzen der Freiheit. Wo beginnt Freiheit und wo hört sie auf? Das, was als Denk- und Assoziationsprozess begonnen wurde, soll nun zum Schreiben führen. Im vorletzten Raum der Ausstellung „Selbsterfahrung – Grenzerfahrung“ setzt sich die Gruppe auf den Boden. Vor ihnen hängt Jean Dubuffets „Le Géographié/Der Geografierte“ (1955). Namen- und titellos soll er für die Schüler zunächst bleiben. Wie erfährt man ein Kunstwerk, wenn man nichts darüber weiß? Welche Assoziationen werden ausgelöst? Und wie schreibt man darüber?

„Der Geografierte“ erinnert die Schüler an Krieg, sein Körper an eine Landkarte, seine Ausstrahlung an Kälte. Die Assoziationen reichen von bildlich-beschreibenden Elementen bis hin zu konkreten Gefühlen und abstrakten Verweisen. Nun sollen sie zu Text werden. Aus der Perspektive des Geografierten sollen die Schüler seine Sicht auf sich selbst und die Welt beschreiben.

  • Klasse und Schlenger vor Dubuffet
  • Klasse und Schlenger vor Dubuffet
  • Klasse und Schlenger vor Dubuffet

„Ich bin der Geografierte. Ich lebe zu jeder Zeit, bin immer anwesend. Ich habe den Lauf der Welt erlebt. Bin erschaffen aus der Natur. Ich ziehe Grenzen zwischen Ländern. Ich schränke die Menschen ein und warte auf den Krieg. Bis sie mehr wollen und ihre Gier nach Land und Macht überhand gewinnt. Ich bin verbittert, was ich schaffe, wird zerstört. Ich bin allein und einsam. Ich bin verdammt und fremd in dieser Welt.“ (Shirin)

„Ich erlebte den Ersten und den Zweiten Weltkrieg. Ich kämpfte auf beiden Seiten, auf der der Befreier und der der Unterdrücker. Ich sah, was wir Menschen uns gegenseitig antun können. Ich sah so viele Gesichter von Toten, Lebenden, Kranken, Starken, Großen, Kleinen, Frauen, Männer, Kinder, nur mein inneres Gesicht habe ich nicht gesehen. Bin ich auch dazu fähig anderen Leid zuzufügen? Ich bin mir selbst vertraut, weiß, was ich kann und was ich nicht kann und trotzdem bin ich mir fremd, weiß nicht, wer ich bin und zu was ich eigentlich fähig bin. Wir Menschen definieren uns durch Leute um uns herum und davor habe ich Angst, da wir Menschen zu Grausamem fähig sind.“ (Leo)

Erst jetzt erfährt man mehr über Künstler und Bild. Seine erste Ausstellung hatte Dubuffet mit zwanzig. Seine Arbeit als Künstler setzte er nicht fort, sondern wurde Weinhändler, um sich dann in den vierziger Jahren erneut mit Kunst zu beschäftigen. Seine Inspiration erhielt er über die „unakademische Kunst“, prägte den Begriff „Art brut“ und wollte wissen, wie Menschen malen, die keine Künstler sind.

Fünf Stunden dauert der Workshop, der über das kreative Schreiben Zugang zu und Auseinandersetzung mit den Ausstellungsinhalten ermöglicht. Das Fazit der Schüler des Berliner Gymnasiums ist positiv und rangiert von „Spannend“ und „Informativ“ zu „Man setzt sich nicht jeden Tag mit diesen Themen auseinander“ und „Gut, darüber zu diskutieren, was die Grenzen und Freiheiten der anderen sind“.

Schüler beim Schreiben

Workshops mit Theaterregisseuren:

Zu den Themen „Selbstbildnis – Fremdbildnis – Welt im Kopf“ und „Performance Widerstand“ werden Workshops angeboten, die von Theaterregisseuren geplant und durchgeführt werden. Ziel ist, dass sich Schüler szenisch-performativ oder kreativ schreibend mit der Ausstellung auseinandersetzen. Das Schreibmaterial wird gestellt und darf von den Schülern mit nach Hause genommen werden.

Bei Interesse an den Workshops bitte an den Besucherservice wenden:

Besucherservice
Unter den Linden 2, 10117 Berlin
E-Mail: fuehrung@dhm.de
Tel.: +49 30 20304-750, Fax: +49 30 20304-759

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