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30.11.2012
12:30

Geschichten von der Reise, Part II

„Die Geschichte von Frau Flackes Nacht an der serbisch-kroatischen Grenze ist mittlerweile schon legendär im Team“, sagte unsere Praktikantin Cora Schmidt-Ott. Das sehen wir ebenso. Auf dem Weg von Zagreb nach Belgrad begab es sich, dass unserer Kuratorin Monika Flacke die Grenzüberquerung verweigert wurde. Es war im Februar 2009, mitten in der Nacht und sie hatte keinen Reisepass dabei. Wie es dazu kam und wie es weiterging, erzählt sie Euch selbst! 

(Wer die erste Geschichte von der Reise unserer Co-Kuratorin Ulrike Schmiegelt verpasst hat, kann diese hier nachlesen.)

„Henry Meyric Hughes, Lutz Becker und ich kamen von Zagreb und waren auf dem Weg nach Belgrad. In Zagreb hatten wir noch gefragt, ob der Zug einen Speisewagen hat. Von den letzten Groschen teilten wir uns ein Sandwich und eine Flasche Wasser, sind dann frohgemut in den Zug eingestiegen, nur um herauszufinden, dass es keinen Speisewagen gab. Und dann saßen wir da und fuhren hungrig in die Nacht hinein, weil wir die letzten Cents kroatischen Geldes ausgegeben hatten und kein neues mehr tauschen wollten.

Mitten in der Nacht, so gegen 23 Uhr, kam dann die Grenze nach Serbien. Die Zöllner stiegen in den Zug und ich zeigte meinen Personalausweis. Und der war nicht gültig. Um die Grenze zu überqueren brauchte ich einen Reisepass oder ein Visum. Das hieß, ich musste im Schneeregen mitten in der Nacht aus dem Zug. Ich war ziemlich erschrocken, dachte aber „Gut, okay, kann nicht so viel passieren“. Gleichwohl hatte ich sofort die Assoziation, dass die serbisch-kroatische Grenze ja auch so ein „Dead End“ für viele Emigranten gewesen ist und dachte, diese Erfahrung hätte ich mir gerne erspart. Aber da musste ich jetzt durch. Der nächste Schritt war, dass mir der Personalausweis abgenommen wurde, weil sie den behalten wollten, um mich dann zum nächsten Bankautomaten zu fahren. Ich habe aber zuvor erst mal ein Glas Wasser gewollt, was ich auch bekommen habe. Außerdem sprachen alle Zöllner perfekt Englisch, was sehr beruhigend war.

Ich bekam also mein Glas Wasser, musste meinen Personalausweis abgeben und fragte, ob ich eine Kopie davon haben könnte, was sie dann auch gleich machten. Dann fuhr mich ein Grenzer zum nächsten Bankautomaten, weil man für ein Visum Geld braucht. Es schneite stark, fast schon ein Schneegestöber, und ich wollte mich anschnallen. Der Grenzer meinte daraufhin, es sei völlig zwecklos sich anzuschnallen. Da saß ich dann also versteinert, nicht angeschnallt, fror in diesem Auto, welches nach links und nach rechts schlingerte. Glücklicherweise waren weder Fußgänger noch andere Autofahrer auf der Straße bis zum nächsten Bankautomaten. Da stand der Herr dann auch noch hinter mir. Ich hatte Mühe meine Geheimnummer einzugeben, weil er mir auf die Finger guckte. Und dann kam tatsächlich Geld raus. Er war wahnsinnig erleichtert. Ich auch. Dann fuhren wir wieder zum Zoll und es wurde ein Taxi zurück zur Grenze bestellt (in dem habe ich mich aber angeschnallt).

Inzwischen war es ein Uhr nachts. An der Grenze weckte der Taxifahrer diesen Beauftragten für Visumsangelegenheiten auf – der saß da in einem Liegestuhl und schnarchte still vor sich hin. Ich habe das Geld bezahlt, was sogar weniger war, als der Grenzer gesagt hatte und erhielt mein Visum. Danach wurde ich wieder mit dem Taxi zurück zu einem Hotel direkt am Bahnhof chauffiert und abgesetzt. Wobei der Taxifahrer unterwegs noch einen Kasten Bier kaufte.

Um zwei Uhr nachts kam ich ins Hotel. Der nächste Zug nach Belgrad fuhr erst morgens um fünf Uhr. Dann saß ich in diesem Hotel in einem extrem schmalen Zimmer, was vermutlich nur anderthalb Meter breit war. Ich konnte jedenfalls meine Arme ausstrecken und die gegenüberliegenden Wände des Raumes berühren. Das Bett machte eher den Eindruck eines Gummibootes – alles wackelte –  und ich habe mich dann mit Mantel in dieses Bett gelegt. Um fünf bin ich wieder aufgestanden, geschlafen habe ich glaube ich gar nicht und bin in den nächsten Zug nach Belgrad gestiegen. Mit meinem Visum. Der Zöllner war immer noch der Gleiche. Er nickte mir freundlich zu und schien zu sagen „Sie haben es also geschafft!“

Ich stieg aus dem Zug aus, hatte immer noch Hunger und einen riesigen Kaffeedurst und hab dann im Bahnhofsrestaurant eine Käsestulle bekommen. Und alle waren unglaublich freundlich. Die meisten sprachen zwar kein Englisch, wollten aber wissen, wo ich hin will und haben mir dann den Weg gezeigt. Und dann war ich morgens um neun Uhr endlich im Hotel Moskva in Belgrad.

Henry Meyric Hughes und Lutz Becker kamen da gerade runter in den Frühstückssaal und Henry brach zwar nicht in Tränen aus, war aber sichtlich froh, als er mich sah und nahm mich in den Arm. Eigentlich hatte er auch vorgeschlagen nachts mit auszusteigen, aber ich habe dann gesagt: „Das geht auf gar keinen Fall. Wenn ich verloren gehe, dann wisst ihr wenigstens, wo ihr mich ausgesetzt habt!“

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