Die rassisch begründete Germanenideologie lag der völkischen Weltanschauung zugrunde. In Ablehnung älterer, vornehmlich sprachwissenschaftlich argumentierender Theorien, die den Ursprung von Indogermanen und Ariern im Osten, in Asien, suchten, erklärte sie den Norden zum ›Schöpfungsherd‹ der Menschheit (Ludwig Wilser) und zur Wiege des arisch-germanischen ›Edelmenschen‹. Die völkische Presse thematisierte in unzähligen, vielfach abenteuerlich argumentierenden Artikeln diesen nordischen Ursprungsmythos. &'150; Titel und Layout zahlreicher völkischer Zeitschriften bringen dieses Programm und Selbstverständnis zum Ausdruck. Den Titelkopf des kurzlebigen ›alldeutschen Kampfblattes‹ Odin (1899-1901) zieren der namengebende eddische Hauptgott, die weltumschlingende Midgardschlange und die beiden Odin/Wotan alle Neuigkeiten zutragenden Raben Huginn und Muninn.
Kat.-Nr. 227: Odin, 1900, Nr. 40, Titelblatt (Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin)

  Das heute noch bestehende Harzer Bergtheater nahm im Sommer 1903 den Spielbetrieb auf. Nahe Thale gelegen, gilt das Theater als die bedeutendste deutsche Freilichtbühne vor dem Ersten Weltkrieg. Die Naturbühne sollte nach dem Willen ihres Gründers Ernst Wachler Vorbild für eine Kunstform sein, »die in der Eigenart der Stämme und Landschaften, ihrer Vorzeit und Geschichte den Nährboden und das Quellgebiet aller frischen, gesunden Kunst sieht.« – Wachler zählte zu den Befürwortern von Nationalfestspielen und war Mitbegründer der Heimatkunstbewegung, vor allem aber gehörte er zum Kreis der führenden Protagonisten und Vordenker der völkischen Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Das unweit des mythenumwobenen ›Hexentanzplatzes‹ auf dem Brocken errichtete Theater war von Anfang an auch als neuheidnische Kultstätte gedacht. Die Theateraufführungen wurden als ›gottesdienstliche Handlungen‹ begriffen und Stücke inszeniert, deren Stoffe aus der deutschen Mythologie oder der altnordischen Literatur entlehnt wurden. Nach völkischer Überzeugung bargen diese Überlieferungen das vor Fremdeinflüssen bewahrte, ursprüngliche, vorchristliche ›nationale Erbgut‹. Das galt im besonderen für die Edda, die wie die taciteische Germania zum Grundstock des völkischen Lektürekanons gehörte und von den Germanischgläubigen zum religiösen ›Grundbuch‹ erhoben wurde. In diesem Kontext steht Ludwig Fahrenkrogs, auf einen eddischen Stoff zurückgreifendes völkisches Weihespiel Wölund. Im Rahmen eines Treffens von Fahrenkrogs Germanischer Glaubens-Gemeinschaft, der auch Wachler angehörte, fand im Sommer 1913 im Harzer Bergtheater die Uraufführung des Dramas statt.
Kat.-Nr. 237 a,b: Wölund. Aufführung im Harzer Bergtheater, 2 Photographien, 8,7 x 13,6 cm (Berlin, Germanische Glaubens-Gemeinschaft)