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Aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums

Deutschsprachiger Erstdruck der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4.Juli 1776

 

 

Reimer Eck *

Der deutschsprachige Buchdruck in den amerikanischen Kolonien bis zum Erscheinen der Unabhängigkeitserklärung (Teil 1)

 
 

1. Zum Stand der bibliographischen Erfassung und Erschließung des frühen deutschsprachigen Buchdrucks auf dem Territorium der heutigen Vereinigten Staaten

Die bibliographische Verzeichnung des deutschsprachigen Buchdrucks in den USA hat ihre eigene lange Geschichte. Der aus Göttingen stammende Pennsylvania-Deutsche Oswald Seidensticker hatte zu Ende des 19. Jahrhunderts eine umfassende Bibliographie des deutschsprachigen amerikanischen Buchdrucks vorgelegt, die für den Zeitraum 1728 bis 1830 die stattliche Zahl von 1550 Büchern, Streitschriften und Almanachen nachwies. Danach arbeiteten zahlreiche amerikanische Forscher an Ergänzungen und Erweiterungen, die verstreut veröffentlicht wurden.

In den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts publizierten dann Karl J. R. Arndt und May E. Olson eine dreibändige Bibliographie der deutschsprachigen Presse Amerikas, die auch die überlieferten Zeitungen und Zeitschriften der Deutschamerikaner nachwies. Hier wies Arndt zuerst darauf hin, daß eine sehr frühe deutsche Fassung der Unabhängigkeitserklärung bereits am Dienstag, dem 9. Juli in Henrich Millers Pennsylvanischer Staatsbote erschienen war. Ebenfalls auf Veranlassung von Karl J. R. Arndt nahm sich gleichzeitig die Deutsche Forschungsgemeinschaft des Projekts einer Überarbeitung der Bibliographie der ersten einhundert Jahre des deutschsprachigen Buchdrucks in den USA an. In enger Kooperation mit zwei amerikanischen Sammlungen, der Library Company of Philadelphia und der American Antiquarian Society in Worcester, Mass. unternahm es Anfang der achtziger Jahre die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, die lange fällige Überarbeitung des Seidensticker weiter zu führen.

Auf Kosten der Forschungsgemeinschaft sandte die Göttinger Bibliothek mit Werner Tannhof einen geschulten Mitarbeiter in die USA, der in einem längeren Forschungsaufenthalt über einhundert Bibliotheken, Archive und Privatsammlungen aufsuchte, um nach einschlägigen Drucken zu forschen. Dabei wurde er von den amerikanischen Fachkollegen tatkräftig und sachkundig unterstützt. Neben zahlreichen anderen seltenen Drucken entdeckte Werner Tannhof auf dieser Forschungsreise in der Bibliothek des Gettysburg College einen Druck der Unabhängigkeitserklärung in deutscher Sprache, der bis dahin völlig unbekannt war. Schließlich waren bibliographische Notizen zu etwa 4500 verschiedenen deutschamerikanischen Drucken gesammelt. Nach Bearbeitung des so erfaßten Materials in Göttingen konnten dann 3151 Drucke an Monographien, Almanachen und Pamphleten im Jahr 1989 in einer neuen zweibändigen Bibliographie detailliert verzeichnet und der Forschung zugänglich gemacht werden, wobei die Pennsylvania German Society in Birdsboro, Pa. die nicht unerheblichen Druckkosten übernahm. Damit kam leider ein interessantes und außerordentlich ertragreiches Kapitel transatlantischer Kooperation zwischen deutschen und amerikanischen Forschern, Bibliotheken und Bibliothekaren zu einem vorläufigen Ende.

Die von Seidensticker für den gleichen Erfassungszeitraum ursprünglich erreichte Anzahl von bibliographischen Nachweisen wurde damit praktisch verdoppelt, wobei etwa 600 Drucke bislang noch gar nicht erfaßt worden waren. Weitere 612 Drucke konnten bei Erscheinen der Bibliographie nur in einem einzigen Exemplar nachgewiesen werden, was beweist, wie außerordentlich selten die frühen Produkte der deutschsprachigen Presse geworden sind. Vieles ist wohl bereits unwiederbringlich verlorengegangen. Dies gilt besonders für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Revolutionszeit und die im Kontext der Unabhängigkeitserklärung so wichtigen Einblattdrucke und Zeitungen.

Leider konnte das in Göttingen gesammelte Material an Einblattdrucken, mehr als 1100, noch nicht wissenschaftlich aufgearbeitet und publiziert werden. Gerade aus der Erschließung dieser Druckgattung dürfte sich für die politische Weltsicht der deutschen Einwanderer in den Kolonien noch eine Reihe von wichtigen neuen Erkenntnissen ergeben, auch wenn die derzeit in den USA laufenden Reprintprojekte im Zusammenhang mit dem North American Imprints (NAIP) Programm unsere Kenntnis laufend erweitern. Die drei genannten ursprünglich beteiligten Bibliotheken stehen weiterhin in Kontakt miteinander und sind glücklicherweise auch in der Lage, ihre Sammlungen an frühen deutsch-amerikanischen Drucken von Zeit zu Zeit auf dem Antiquariatsmarkt zu ergänzen. Die Göttinger Bibliothek ist als Teil des von der Volkswagenstiftung geförderten Nationalarchivs deutscher Drucke für das 18. Jahrhundert zuständig. Unter diesem Programm entspricht es ihrem Sammelauftrag, auch den kleinen, aber feinen Fundus an deutschamerikanischen Drucken, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus Amerika in den Besitz der Bibliothek gelangte, zu erweitern, soweit sich die Gelegenheit bietet. Ein Großteil der dieser Publikation beigegebenen Abbildungen entstammt den Sammlungen der Göttinger Bibliothek.

 

 

zum Plan von Philadelphia

 

 

 

REIMER ECK, Leiter der Fachabteilung Großbritannien und Nordamerika der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, ist Mitherausgeber der Bibliographie the First Century of German Language Printing in the United States of Amerika.

 

 

 
[ Teil 2 ]