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    Häftlinge im befreiten Auschwitz, 1945

> Der Zweite Weltkrieg > Völkermord

Das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz

Im Mai 1940 wurde in einem Vorort der Stadt Auschwitz (Oswiecim) in Ostoberschlesien ein Konzentrationslager (KZ) für polnische politische Gefangene errichtet. Örtliche deutsche Polizeistellen hatten den Bau des Lagers angeregt, da die Kapazitäten der vorhandenen Gefängnisse zur Inhaftierung nicht mehr ausreichten. Für die Errichtung des Lagers auf einem leerstehenden Barackengelände der polnischen Armee aus der Vorkriegszeit wurden über 1.200 Einwohner ausgesiedelt. Zum Kommandanten von Auschwitz ernannte Heinrich Himmler, Reichsführer der Schutzstaffel (SS) und "Chef der deutschen Polizei", den SS-Hauptsturmführer Rudolf Höß. Das Durchgangs- und Quarantänelager sollte zunächst 10.000 polnische Gefangene aufnehmen, um sie von dort in die Konzentrationslager des "Altreichs" zu überstellen. Außerdem war Auschwitz als Exekutionsort für polnische Geiseln, Widerstandskämpfer und sogenannte "Intelligenzler" geplant. Bis März 1941 inhaftierte die SS etwa 10.900 hauptsächlich polnische politische Gefangene, von denen eine große Zahl durch Hunger und Folter starb, viele wurden ermordet.

 

Nach einem Besuch von Heinrich Himmler in Auschwitz im März 1941 wurde auf dessen Anordnung die Aufnahmekapazität des Lagers um weitere 20.000 Gefangene erhöht. Für die Errichtung von Buna-Werken im nahe gelegenen Monowitz (Monowice) lieferte die SS der IG Farben mehrere tausend KZ-Insassen als Zwangsarbeiter. Wenige Monate nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurden Anfang September 1941 - entgegen der "Haager Landkriegsordnung" und der Genfer Kriegsgefangenen-Konvention - mehrere Hundert sowjetische Kriegsgefangene in das Stammlager Auschwitz deportiert und dort zusammen mit rund 250 KZ-Insassen in Kellerräumen einer Baracke mit dem Giftgas Zyklon B ermordet. Im Oktober 1941 überstellte die Wehrmacht weitere 10.000 Rotarmisten in das Stammlager, die im drei Kilometer entfernten Birkenau (Brzezinka) ein Lager für 100.000 Kriegsgefangene errichten sollten. Bis zum Februar 1942 starb der Großteil der Gefangenen an Unterernährung, Typhus und anderen Krankheiten. Den Rest von wenigen hundert sowjetischen Soldaten und einen Teil der Häftlinge überstellte die SS schließlich im März 1942 in das neue Lager nach Birkenau.

Nachdem die NS-Führung im Verlauf des Jahres 1941 die Ermordung der europäischen Juden beschlossen hatte, bestimmte Himmler Auschwitz zum zentralen Ort für den Massenmord. Anfang 1942 ließ Rudolf Höß zwei Bauernhäuser ("Bunker") in einem Wald bei Birkenau zu Gaskammern umbauen. Die ersten Opfer waren vor allem Juden aus Ostoberschlesien, dem Generalgouvernement sowie dem "Protektorat Böhmen und Mähren". Ab März 1942 trafen die ersten großen Transporte mit Juden aus der Slowakei und Frankreich in Birkenau ein. In den nächsten Monaten folgten Transporte aus nahezu allen von Deutschland besetzten Ländern. Nicht nur die Massentötung der Juden mit Giftgas, sondern auch ihre Deportation, die "Selektion" an der "Rampe" und schließlich die "Beseitigung" der Ermordeten sowie die Verwertung ihrer Habe in einer Sortierstelle gehörten zum durchorganisierten Mordverfahren. Auf diese Weise ermordete die SS über eine Million Menschen in Auschwitz, von denen 90 Prozent Juden waren.

Auschwitz war das größte und mit dem höchsten technischen Aufwand betriebene nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager. Dort sind den Gaskammern, Giftinjektionen und Erschießungen sowie schwerster Arbeit, Krankheit und Verhungern insgesamt mehr Menschen zum Opfer gefallen als in jedem anderen Vernichtungslager. Neben Auschwitz-Birkenau, das ab Sommer 1942 zum zentralen Deportationsziel nahezu aller europäischen Juden im deutschen Herrschaftsbereich wurde, existierten mit Majdanek, Chelmno, Belzec, Sobibor und Treblinka weitere Vernichtungslager im Generalgouvernement und im Warthegau, in denen 2.000.000 Menschen - hauptsächlich polnische Juden - ermordet wurden.

Als sich die Rote Armee dem KZ Auschwitz im August 1944 näherte, begann die SS mit der stufenweisen Evakuierung des Lagers. Bis Mitte Januar 1945 wurden etwa 65.000 "arbeitsfähige" Häftlinge in das "Altreich" zur Arbeit in die Rüstungsbetriebe überstellt. Gleichzeitig begann die SS mit der Spurenbeseitigung der Verbrechen im Lager. Als die Ermordung aller bei den Vernichtungsanlagen arbeitenden Mitglieder des jüdischen "Sonderkommandos" absehbar war, organisierten sie am 7. Oktober 1944 einen Aufstand und sprengten das Krematorium IV mit seiner Gaskammer. Nach der Niederschlagung der Revolte erschoss die SS alle Beteiligten. Gegen Ende des Jahrs 1944 wurden alle technischen Installationen der Gaskammern demontiert sowie ein Großteil der Geheimakten verbrannt. Zahlreiche Gegenstände der ermordeten Juden, die die SS in der Sortierstelle gelagert hatte, ließ sie ins Innere des Reichs bringen. Am 17. Januar 1945 begann die Endphase der Evakuierung des KZ Auschwitz und seiner Nebenlager. Die SS schickte etwa 56.000 Häftlinge auf "Todesmärsche" in Richtung Westen, um ihre Befreiung durch die Rote Armee zu verhindern. Tausende kamen dabei ums Leben. Am 26. Januar ließ die Lagerleitung das letzte Krematorium sprengen. Als die sowjetische Armee am 27. Januar 1945 Auschwitz befreite, befanden sich noch etwa 8.500 kranke und erschöpfte Häftlinge im Stammlager und seinen Nebenlagern.

Nach der Errichtung des Lagers 1940 bis zu seiner Befreiung 1945 sind von mindestens 1.300.000 nach Auschwitz Deportierten etwa 900.000 direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet oder erschossen worden. Etwa 200.000 weitere Häftlinge starben an Hunger und Krankheiten oder wurden nach kurzer Zeit in die Gaskammern geschickt.

1947 wurde auf dem Gelände der zwei erhaltenen Lagerbereiche Auschwitz I (Stammlager) und Auschwitz II (Birkenau) das "Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau" geschaffen.

Am 20. Dezember 1963 begann in Frankfurt am Main der erste sogenannte Auschwitz-Prozess gegen 22 Aufseher und Angehörige der Lagerleitung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, der am 20. August 1965 beendet wurde. Im Jahr 1979 wurde das ehemalige Lagergelände in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) aufgenommen.

Jenny Oertle
15. Mai 2015

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