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    Kriegszeitung "Front und Heimat" mit Durchhaltepropaganda aus den letzten Kriegswochen, 1945

Seit Mitte September 1944 befasste sich Heinrich Himmler als Oberbefehlshaber des Ersatzheeres angesichts des alliierten Vormarsches mit dem "Aufbau der Widerstandsbewegung in den dt. Grenzgebieten", der er den Namen "Werwolf" gab. Durch einen Untergrundkampf auf deutschem Boden und gezielte Sabotageakte in den rückwärtigen Gebieten der Alliierten sollten die Wehrmachtsverbände an der Front entlastet und Kollaboration mit dem Feind durch Anschläge verhindert werden. Der Begriff "Werwölfe" tauchte erstmals am 28. Oktober 1944 in einer Rede Himmlers vor Angehörigen des ostpreußischen Volkssturms auf. Die Bezeichnung ist wohl dem Roman "Der Wehrwolf" von Hermann Löns aus dem Jahre 1910 entlehnt. Darin hatte Löns den Partisanenkampf niedersächsischer Bauern gegen die Soldateska während des Dreißigjährigen Krieges geschildert.

 

SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Hans-Adolf Prützmann (1901-1945) war als Leiter der "Werwolf"-Organisation vorgesehen. Als "Generalinspekteur für Spezialabwehr beim Reichsführer SS" leitete er ab Mitte September 1944 den Aufbau der Organisation aus einem Reichsbahn-Sonderzug zunächst von Königs Wusterhausen, später von Rheinsberg aus. Dabei konnte er auf Angehörige von Sondereinheiten der Waffen-SS zurückgreifen, die seit Anfang 1943 auf Schloss Friedenthal bei Berlin Kommando-Unternehmen übten. Als Grundlage der Ausbildung diente die Taktikfibel "Werwolf. Winke für Jagdeinheiten", wonach neben einem militärischen Führer auch ein den politischen Kommissaren der Roten Armee vergleichbarer politischer Führer zu den Kleinkampfgruppen gehören sollte.

Die propagandistisch wirksamste Aktion des "Werwolfs" war die von Himmler befohlene Ermordung des Aachener Bürgermeisters Franz Oppenhoff (1902-1945) durch ein Fallschirmkommando am 25. März 1945. In dem seit Ende 1944 amerikanisch besetzten Aachen war Oppenhoff als erster "Nachkriegsbürgermeister" eingesetzt worden. Den Nationalsozialisten galt er als Verräter und Kollaborateur. Der "Völkische Beobachter" begrüßte die Hinrichtung als die Vollstreckung eines rechtmäßigen Todesurteils. Insgesamt blieb die Organisation und die Wirksamkeit der "Werwolf"-Gruppen aber unbedeutend. Der Eindruck einer flächendeckenden Erhebung der Deutschen gegen die Alliierten, der über die wenigen noch sendenden Radiostationen und erscheinenden Zeitungen propagandistisch erweckt wurde, traf zu keinem Zeitpunkt zu. Bei den Alliierten war dennoch die Befürchtung verbreitet, in den von ihnen eroberten Gebieten vor allem von fanatisierten Hitlerjungen in "Werwolf"-Manier aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden.

Ende März 1945 rückte Joseph Goebbels als "Generalbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz" vom ursprünglich geplanten Konzept eines Guerilla-Kriegs durch Kleingruppen ab. Er proklamierte eine neue "Werwolf"-Ideologie, die einen rücksichtslosen Kampf eines jeden Deutschen bis zur "Selbstvernichtung" forderte. Der "Werwolf", so Goebbels in einer Rundfunkansprache, "hält sich nicht an die Beschränkungen, die dem innerhalb unserer regulären Streitkräfte Kämpfenden auferlegt sind [...]. Für die Bewegung sind jeder Bolschewist, jeder Brite und jeder Amerikaner auf deutschem Boden Freiwild. Wo immer wir eine Gelegenheit haben, ihr Leben auszulöschen, werden wir das mit Vergnügen und ohne Rücksicht auf unser eigenes Leben tun [...]. Haß ist unser Gebet und Rache unser Feldgeschrei. [...] Der Werwolf hält selbst Gericht und entscheidet über Leben und Tod."

Diese von Goebbels propagierte "Werwolf"-Mentalität und die aus ihr geborenen Aktivitäten richteten sich auch gegen die deutsche Bevölkerung. Eine unbekannte Zahl "wehrunwilliger" Soldaten und Zivilisten fielen noch in den letzten Kriegstagen Exekutionskommandos zum Opfer. So wurden am 28. April 1945 im oberbayerischen Penzberg 16 Männer und Frauen von einem "Werwolf"-Kommando unter der Führung des Schriftstellers Hans Zöberlein (1895-1964) hingerichtet: Sie wollten die Stadt nicht gegen die Alliierten verteidigen.

Steffen Hennicke
19. Mai 2015

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