> Todestag des Architekten und Bildhauers Andreas Schlüter

Todestag des Architekten und Bildhauers Andreas Schlüter 

Am 23. Juni 1714 erreicht Berlin die Nachricht, der Architekt und Bildhauer Andreas Schlüter (1659-1714) sei in St. Petersburg gestorben. Schlüter war erst im Jahr zuvor in der russischen Residenzstadt angekommen und hatte in den Jahrzehnten davor in Berlin gewirkt. Er gilt als der Künstler, der dem barocken Berlin das Gesicht gab. Viel ist von Schlüters Wirken heute nicht mehr erhalten: das Berliner Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und 1950 von der DDR gesprengt. Es wird derzeit in Teilen rekonstruiert. Erhalten blieben vor allem sein monumentales Reiterstandbild für den Großen Kurfürsten vor dem Schloss Charlottenburg und das Berliner Zeughaus mit seinem eindrucksvollen, von Schlüter mit Skulpturen geschmückten Innenhof, das heute dem Deutschen Historischen Museum als Ausstellungsgebäude dient.

Schon unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) begann der Umbau des bis dahin eher ländlichen märkischen Städtchens Berlin zur barocken Residenz. Er setzte sich unter seinem Sohn und Nachfolger Kurfürst Friedrich III. (1657-1713) fort. Wie die anderen protestantischen Kurfürsten von Sachsen und Hannover strebte Friedrich die Erlangung der Königswürde an, was innerhalb des Heiligen Römischen Reiches aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich war. Am 18. Januar 1701 setzte er sich deshalb in seinem außerhalb gelegenen Herzogtum Preußen die Königskrone auf und nannte sich fortan mit kaiserlicher Anerkennung Friedrich I. König in Preußen. Residenzstadt aber war Berlin, das zu diesem Zweck auch architektonisch aufgewertet werden musste, um anderen Metropolen ebenbürtig zu sein. Zu einer Residenz gehören repräsentative Gebäude wie Schloss, Hofkirche, Bibliothek, Marstall und Zeughaus. Zu deren Errichtung und Ausgestaltung braucht man fähige Künstler: Architekten, Maler und Bildhauer.

Künstlerischer Kopf dieser Umgestaltung wurde Andreas Schlüter, der wohl 1659 in Danzig geboren wurde. Kein Porträt überliefert uns sein Aussehen und das Wenige, was man über ihn weiß oder vermuten kann, lässt sich schnell erzählen. Nach Tätigkeiten in Polen und Danzig rief ihn Kurfürst Friedrich III. 1694 nach Berlin, um ihn zunächst zwei Jahre in die damaligen Kunstzentren nach Frankreich und in die Niederlande zur weiteren Ausbildung zu schicken. In Italien sollte er Abgüsse antiker Skulpturen für die Berliner Akademie beschaffen, an der er auch lehrte. Dabei lernte er Skulpturen Michelangelos und Berninis kennen und schätzen. 1696 war Schlüter wieder zurück in Berlin und arbeitete bald am Weiterbau des von Johann Arnold Nering (1659-1695) begonnenen Zeughauses. Er gab dem Bau und dem Innenhof mit seinen Triumphhelmen und den Masken der sterbenden Krieger sein unverwechselbares Aussehen. 1698 lieferte er den Entwurf für den Neubau des benachbarten Gießhauses, das vor allem für den Geschützguss errichtet wurde. Im folgenden Jahr wurde Schlüter Schlossbaudirektor, um der Residenz mit dem Neubau des königlichen Schlosses die architektonische Mitte zu geben. Diese Aufgabe konnte er nicht mehr vollenden.

Neben seinen Arbeiten als Architekt und Steinbildhauer wurde Schlüter von seinem seit 1701 als König Friedrich I. regierenden Auftraggeber mit repräsentativen Standbildern befasst. So fertigte er Modelle für eine Bronzestatue des Königs, die für den Zeughaushof gedacht war, und vor allem für ein monumentales Reiterstandbild des Großen Kurfürsten für eine Aufstellung auf der Langen Brücke in Berlin. Die Umsetzung der Modelle hing von einem erfahrenen Erzgießer ab. Ihn fand Schlüter in dem aus Bad Homburg in Hessen stammenden Johann Jacobi (1661-1726), der sich in Paris als Mitarbeiter der Brüder Johann Jacob (1635-1700) und Johann Balthasar Keller (1638-1702) qualifiziert hatte. Frankreich war damals nicht nur das künstlerische Zentrum Europas, sondern auch in militärischer und rüstungstechnologischer Hinsicht führend. Die aus dem Elsass stammenden Brüder Keller revolutionierten den französischen Geschützguss und setzten zugleich den Entwurf des Bildhauers François Girardon (1628-1715) für ein monumentales bronzenes Reiterstandbild König Ludwigs XIV. von Frankreich erfolgreich in die Tat um. Beides, die Mitwirkung an der Geschützfabrikation wie am Guss des Reiterstandbildes der Kellers, ließen Jacobi geeignet erscheinen für Aufgaben, die Schlüter auf Geheiß Friedrich I. in Berlin umsetzen sollte: am 24. September 1697 erhielt Jacobi in Berlin die Bestallung als "Hof- und Artillerie-Gießer". 1701, im Jahr der Thronbesteigung des Königs, wuchs der Bedarf an Bronzegeschützen und  -bildnissen noch und Jacobi avancierte zum "Ober-Inspector" der Königlichen Hof- und Artilleriegießerei im Giesshaus zu Berlin. Er erhielt ein ansehnliches Gehalt von 1.000 Gulden im Jahr, musste dafür aber pro Monat zehn Geschütze gießen. Gemeinsam mit Schlüter arbeitete er zudem an der Umsetzung vieler monumentaler Bronzewerke in Berlin, so am Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, am Standbild Friedrichs und an den Sarkophagen des Königspaares in der Grablege im Dom, die sich allesamt im Original oder wenigstens als Nachguss erhalten haben. Der Guss des Reiterstandbilds des Großen Kurfürsten und der Probeschuss des Riesengeschützes "Asia" erfolgten in aller Öffentlichkeit. Jacobis Anerkennung als Hofkünstler blieb nicht aus.

Kurz vor dem Tode König Friedrichs I. verlor Schlüter dessen Gunst und ging 1713 nach St. Petersburg in den Dienst Zar Peters des Großen (1672-1725), wo eine ähnliche Aufgabe im Aufbau einer neuen Residenz auf ihn wartete. Dem Sparkurs des neuen preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) fielen im selben Jahr nicht nur der weitere Ausbau der barocken Residenz insgesamt zum Opfer, sondern auch die künstlerischen Aufgaben Jacobis. Es begann eine neue, eine ganz andere Zeit, die des "Soldatenkönigs". Fortan zählten in Berlin und Preußen nur noch das Militär, der protestantische Glaube und die Sparsamkeit. Jacobi blieb nur Geschütz- und Glockengießer. Seine künstlerischen Möglichkeiten waren damit drastisch eingeschränkt, er blieb aber in Berlin. 1726 starb er.

Das fruchtbare Zusammenwirken Schlüters und Jacobis wird heute am besten im Hof des Berliner Zeughauses erkennbar. Hier sind nicht nur die qualitätvollen Bogenschlusssteine mit den Gesichtern der sterbenden Krieger von Andreas Schlüter zu bewundern, sondern auch die drei der vielen prunkvollen barocken Bronzegeschützrohre Jacobis, die für das Berliner Zeughaus gegossen wurden und als einzige hier die Zeitläufe überdauert haben. Stilistische Gemeinsamkeiten in den Schmuckformen der Geschütze und der Masken der sterbenden Krieger lassen erkennen, dass Schlüter Jacobi Entwürfe geliefert hat. Die gemeinsame Aufgabe beider Künstler lag in der Repräsentation und im Ausdruck der Souveränität ihres königlichen Auftraggebers Friedrich I. In der nordöstlichen Ecke des Hofes repräsentiert das "Demminer Rohr" das alte Interesse Brandenburg-Preußens an Pommern und der Ostsee, in der südwestlichen das Rohr "Albrecht Achilles" den dynastischen Stolz des Hauses Hohenzollern auf die neue Königswürde und das "Kronprinzenrohr" das Ende der Epoche Schlüters und den Beginn einer neuen, vom Militär bestimmten Zeit.  

Dr. Sven Lüken
Juni 2014

lo