> Paul Thomaschki: Tagebucheintrag vom 21.6.1918

Paul Thomaschki: Freitag den 21.6.18

Eintrag aus dem Kriegstagebuch von Paul Thomaschki (1861-1934), Pfarrer an der Burgkirche zu Königsberg/Ostpreußen.

Das Tagebuch bezieht sich nicht nur auf den privaten Bereich, den kirchlichen Alltag, die Kriegsereignisse sowie um Verluste aus der Gemeinde, dem Corps und von Bekannten, sondern reflektiert auch die persönliche Meinung zu den vielfältigen Ereignissen. Teilweise wurden auch die Kopien der Todesanzeigen aus der Zeitung eingefügt. Der nachfolgende Eintrag stellt keinen Anspruch auf Richtigkeit der Informationen dar. Ein ganz besonderer Dank gilt der Sütterlinstube in Hamburg, die das 720 Seiten umfassende Original in mehr als 500 Stunden durch ehrenamtliche Mitarbeiter in die lateinische Schrift transliterierte. Dabei wurde die zum damaligen Zeitpunkt verwendete Grammatik, Ausdruckweise und Rechtschreibung im Wesentlichen beibehalten.
J. Frank, März 2018


Freitag den 21. 6. 18

Zar Nikolaus
u. Fam. ist nach Moskau gebracht.

Schweden
hat s. Abkommen mit England abgeschlossen. Es stellt unserm Hauptfeind 400.000 t Frachtraum zur Verfügung, davon
200.000 t für d. Fahrt durch die Gefahrzone, u. empfängt dafür Getreide, Kohlen, Öle, Gummi, Häute, Baumwolle, Tabak etc. Eine societas Leonina, der Löwe und d. Maus.
      
Der Tabakersatz
besteht bei uns aus Hopfenblüte, Waldmeister, Erdbeerblätter, Buchenlaub, Kamillen etc. Wenn man ihn nicht rauchen kann, dann kann man sich wenigstens einen Gesundheitsthee davon brauen. –

Verluste der Entente
in dem Vierteljahr unserer Offensiven, vom 21/3–28/6:
                            an Gefangenen 212.000
                      „   Geschützen  2.800
               „   Masch.Gew. 8.000
               „   Land 6.820 qkm.

Unsere 4te gr. Offensive soll unmittelbar vor d. Tür stehen.

Ausflug
Lisbeth fuhr heute mit ihrer „Schicht“ (Fr. Prof. Bezzenberger, Fr. Reg.-Rat Italienig, Fr. Rohrer, Fr. Schuster u. Tochter zu Fr. Schiwak nach Cranz zum Kaffee. Auf der Rückfahrt wurden im Zug ihre Ausweise (Paßkarten) revidiert.

Begr.
Ich hatte Nachm. d. Begr.v. Kfm. Meyhoefer (Logenbr.) unter gr. Beteiligung v. d. Loge, Magistrat, Stadtverordneten, Kauf-leuten, Rentner etc. Die Witwe schickte 50 M.

Dr. Haber
hat auf mein Zureden hin, alle seine Goldsachen (goldene Ringe, massives goldenes Winkelmaß, goldene Jubiläumsmedaille in der Größe eines Fünfmarkstücks) der Goldankaufstelle übergeben.

Kinovorstellungen
an  der  Schloßteichbrücke, um  zur Goldablieferung zu ermuntern, finden allabendlich statt. Wir können die Bilder v. uns. Balkon aus sehen, die Schrift aber nicht lesen.

Gefangenenrückkehr
Der Sohn v. Kfm. Stellmacher (Dreikronenmeister) ist zurückgekehrt. Es durfte ihn niemand auf d. Bhf. empfangen. Die Wohnung war mit Rosen geschmückt. Die Braut war gekommen und die Verwandten. Er scheint ja ganz normal zu sein. Aber jeder Zaun, den er sieht, regt ihn krankhaft auf, da er ihn an die feindl. Drahtverhaue erinnert. Wenn wir doch erst uns. Jungen zu Hause hätten!


Copyright 2014 U. und J. Frank Berlin. Alle Rechte vorbehalten.      
jfrank-berlin@t-online.de

lo