Good Germans/Bad Nazis
Amerikanische Bilder aus dem Kalten Krieg und ihre Ursprünge

Auf der Leinwand schreibt man Mitte Juni 1948. Die Handlung spielt in Nürnberg. Ein Senator der Vereinigten Staaten ist soeben aus Berlin zurückgekommen. Die Blockade der Stadt durch die Sowjets hat begonnen. Der Senator erörtert mit zweien seiner Landsleute, die über vier deutsche NS-Juristen zu Gericht sitzen, die Lage in Berlin. Die Anklage beschuldigt die vier Deutschen der »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«. An einem Punkt des Gesprächs erklärt der Senator: »Sehen wir den Tatsachen in die Augen, meine Herren. Die Stunde hat geschlagen. Wir werden alle Hilfe benötigen, die wir kriegen können. Wir brauchen die Hilfe der Deutschen.« Einige Szenen später spricht ein General, der am Aufbau der Luftbrücke nach Berlin beteiligt ist, mit dem Obersten, der im Prozeß als Kläger auftritt, über das Verfahren. Der General will, daß der Oberst zurücksteckt und kein zu strenges Urteil fordert. Warum? Weil »wir«, angesichts des sich anheizenden Kalten Krieges, »die Hilfe der Deutschen brauchen.... Und wie wollen Sie die Unterstützung der Deutschen bekommen, wenn Sie ihre Führer zu drakonischen Gefängnisstrafen verurteilen?«.Quelle
Die Szenen stammen aus Judgement at Nuremberg, einem 1961 unter der Regie von Stanley Kramer gedrehten und von ihm auch produzierten Film (deutsche Erstaufführung am 14.12.61 unter dem Titel Urteil von Nürnberg).

seite25.JPG (63233 Byte)

Der Oberst vor der Karte, die eine veränderte Frontstellung dokumentiert.
Judgement of Nuremberg (1961)
Kramer gilt als vielseitiger Filmemacher und wurde treffend als ein »liberaler Vertreter des Films mit moralischer Botschaft« charakterisiert. Dem Film lag ein kürzeres, von der Kritik gelobtes Fernsehspiel zugrunde, das 1959 in der Reihe Playhouse 90 ausgestrahlt wurde. Playhouse 90 war »der letzte große Versuch eines Sendenetzes«, seinen Zuschauern regelmäßig anspruchsvolle Schauspiele zu zeigen und wurde 1970 in einer von Variety in Auftrag gegebenen Umfrage von Fernsehredakteuren zur »großartigsten Fernsehserie aller Zeiten« erkoren. Das Fernsehspiel, das Kramers Film zugrunde lag, wurde von der American Gas Association mitfinanziert, deren Werbeagentur den Streifen in »kindischer Entrüstung« zensierte, indem sie »alle Bezüge auf die Gaskammern der Nazis entfernte«. Der Film selbst war, Kramers Worten zufolge, einer seiner »kommerziellen Mißerfolge«, obschon er von seiten der Kritik noch besser aufgenommen wurde als das Fernsehspiel: Er wurde als einer der fünf besten Filme des Jahres für einen Academy Award nominiert und erhielt für das Drehbuch einen Oscar.Quelle
Trotz Oscar und einiger hervorragender Besprechungen bleibt Judgement of Nuremberg ein mißlungener Film. Er simplifiziert, belehrt, ist zu lang, zu statisch und holprig. Daran vermag auch die hervorragende Leistung der Schauspieler, die dem Film einen weiteren Oscar und drei zusätzliche Nominierungen eintrugen, nichts zu ändern. Es fällt mir schwer, mich nicht jenem Kritiker anzuschließen, der den Film als »Konzentrationslagerdrama mit Starbesetzung und special guest- victim appearances« verdammte.

seite27.JPG (54033 Byte)

Der Prozeß als Show mit Stars.
Judgement of Nuremberg (1961)
Bei allen Mängeln, die der Film aufweist, er verdeutlicht doch vorzüglich den dramatischen Wandel in der amerikanischen Außenpolitik, nachdem man beschlossen hatte, sich die potentielle militärische und wirtschaftliche Stärke Westdeutschlands zunutze zu machen. Der Kritiker Dwight Macdonald staunte zu Recht darüber, »wie die russische Blockade Berlins im Winter 1948-49 eine dramatische Umkehrung der ... Rollen der Kriegszeit herbeiführte ... indem ... die Bevölkerung Berlins ... vom feigen Komplizen des einen Totalitarismus zum heroischen Widerstandskämpfer gegen den anderen Totalitarismus verwandelt wurde«. Schon 1946, kaum ein Jahr nach dem Zusammenbruch Nazideutschlands, gab es in den Vereinigten Staaten Stimmen, die sich für die Rehabilitierung des vormaligen Feindes einsetzten. Der amerikanische Außenminister, James Byrnes, zum Beispiel betonte »die Wichtigkeit des Wiederaufbaus Deutschlands als Teil des Wiederaufbaus Europas«. Angesichts der sowjetischen Aktionen in Osteuropa war es relativ einfach, in den Vereinigten Staaten von neuem die »rote Gefahr« heraufzubeschwören und auf beiden Seiten des Atlantiks aus den »kommunistischen Kameraden« im öffentlichen Bewußtsein »habgierige Rote« zu machen. Viel schwieriger war es dagegen, die Vorstellungen über die Deutschen, und insbesondere natürlich die Westdeutschen, zu beseitigen, denenzufolge sie herrschsüchtige, gefährliche Bestien waren. Oder wie ein Historiker des Kalten Krieges knapp feststellte: »Bestimmte Arten von Mythen zu beseitigen oder zu ersetzen ist ein Prozeß, der in einer Demokratie nicht über Nacht geleistet werden kannQuelle
Man bemühte sich, die Furcht und das Mißtrauen Deutschland gegenüber zu zerstreuen, hatte jedoch anfangs damit wenig Erfolg. Sowohl in Europa wie in den Vereinigten Staaten zeigten sich viele Leute besorgt, aggressive, berechnende, vertrauensunwürdige, hypernationalistische Deutsche könnten die Differenzen zwischen den Supermächten für ihre eigenen Zwecke ausbeuten. Der Journalist William Shirer etwa besuchte auf seiner »Mittjahrhundertreise« durch Europa auch Westdeutschland; er hegte nur sehr geringe Hoffnung, daß Deutschland demokratisch werden könnte, weil die »großen Industriellen« und die Generäle schon wieder selbstbewußt genug seien, »in die Öffentlichkeit zu treten«. Einige Jahre danach kam Theodore White in einem Resümee seiner Erfahrungen in Europa während der frühen Fünfzigerjahre zu dem Schluß, daß »das neue Deutschland« vielleicht demokratisch bliebe, ebensogut könne es jedoch sein, »daß das alte Deutschland in die Hülle des neuen Deutschland schlüpft ... und es aushöhlt«. Fast ein Jahrzehnt später äußerte sich John Gunther in einem Bericht in der von ihm herausgegebenen Reihe »Inside« überraschend zurückhaltend über Deutschland. Seiner Ansicht nach hing es zu sehr von wirtschaftlichen Faktoren ab, ob die Demokratie in Deutschland »durchhalte«, und beriefen sich zu viele Deutsche darauf, sie hätten von den Greueltaten der Nazis zu Hause wie im Ausland »nichts gewußt«. Noch 1965 beklagte Isaac Deutscher, daß in Westdeutschland »die herrschenden gesellschaftlichen Gruppen immer noch (oder vielmehr wieder) aus den Krupps und all den anderen großen Magnaten bestehen ... die einst Hitler unterstützten«. Nichtsdestoweniger hatte sich 1965 die allgemeine Einstellung gegenüber Deutschland verschoben: Deutschers Bemerkungen fielen auf einem Teach-in gegen die Beteiligung der Vereinigten Staaten am Vietnamkrieg. Und obschon es in den späten Vierziger- und Fünfzigerjahren mit Hollywood stetig bergab ging, hatte der Film an dieser Verschiebung der öffentlichen Einstellung Amerikas gegenüber Westdeutschland einen erheblichen Anteil. Die amerikanische Filmindustrie folgte wie immer schon den politischen Erfordernissen des Tages. Wie andere Teile Amerikas mobilisierte auch sie für den Kalten Krieg und rekrutierte neue Verbündete. In der Tat liefern die von Hollywood produzierten Filme eine faszinierende Antwort auf die von Rainer Rother aufgeworfene Grundsatzfrage: »Was ist aus den Durchschnittsproduktionen ... zu entnehmen über ihre Zeit
Quelle
Die Entwicklungen des Kalten Krieges führten dazu, daß sich die Darstellung der Deutschen im amerikanischen Film veränderte, ja eine noch nie dagewesene positive Färbung annahm. Denn bis zu dieser Zeit war das traditionelle Stereotyp von den Deutschen »wie ein hartnäckiger Fleck im oft gewaschenen Kleid sichtbar geblieben«, wie ein Historiker sich ausdrückte. Das Deutschenbild, das die amerikanische Filmindustrie fast vom Beginn ihrer Tage an entworfen hatte, war nicht sonderlich einnehmend. Zugegeben, die Deutschen waren nicht die einzige ethnische Gruppe, die in amerikanischen Filmen unvorteilhaft porträtiert wurde: Afroamerikaner, Italiener, Juden und Orientalen erging es ebenso schlecht, wenn nicht schlechter. Aber die politischen Entwicklungen in Übersee hatten auf die Darstellung dieser Minderheiten kaum Einfluß. Um die Darstellung der Deutschen während der Hoch-Zeit des Kalten Krieges in den späten 1940ern und den 1950ern zu verstehen, müssen wir uns kurz das Deutschenbild vergegenwärtigen, das in den vorangegangenen Jahrzehnten auf die Leinwand projiziert wurde.
Quelle
Vor dem Ersten Weltkrieg wurden die Deutschen (und Deutschamerikaner) auf der Leinwand zwar wenig schmeichelhaft, aber nicht als bösartig dargestellt. Man fürchtete den deutschen Militarismus; deutsche Wichtigtuerei wurde lächerlich gemacht; der deutsche Autoritarismus rief Besorgnis hervor. Gleichzeitig bewunderte man deutsche Charakterzüge wie Sparsamkeit, Fleiß, Ausdauer und Ehrlichkeit. Die Ziele des Wilhelminischen Reichs wurden von manchen Leuten in den Vereinigten Staaten beargwöhnt, aber »eine Gruppe von Angehörigen der gehobenen Berufe, die aufgefordert waren, die Charakterzüge verschiedener Einwanderernationalitäten einzuschätzen, stuften«, wie der Einwanderungsgeschichtler John Higham schrieb, »die Deutschen über den Engländern und in mancher Hinsicht sogar über den gebürtigen weißen Amerikanern ein«. In der populären Kultur wurden die Deutschen karikiert und auf eine herablassende, abschätzige und bisweilen boshaften Weise dargestellt. Auf den Bühnen, in den Burlesken und Varietés wimmelte es von starrköpfigen und auf groteske Weise streitsüchtigen Deutschen, die, wie in einer Geschichte des Showgeschäfts zu lesen steht, allesamt »mit Bauchpolstern, Kinnbärten, blonden Perücken, kleinen braunen Melonen, karierten Hosen, übergroßen Schuhen und ausgefallenen Westen mit schweren Uhrketten ausstaffiert waren und sich hemmungslos an der englischen Sprache vergingen«. Anders als viele andere Gruppen wurden die Deutschen (und Deutschamerikaner) nicht unbarmherzig verleumdet, sondern ins Lächerliche gezogen und zur Zielscheibe ätzenden Spotts gemacht.
Quelle
Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, drängte der amerikanische Präsident, Woodrow Wilson, darauf, daß die Bürger der neutralen Vereinigten Staaten »im Denken wie im Handeln unparteiisch sein« sollten, ja er rief (in den Worten seines Biographen) die Kinobesucher dazu auf, »sich jeder Erklärung für die eine oder andere Seite zu enthalten«. Nichtsdestoweniger gewannen antideutsche Gefühle schnell an Boden, was teilweise auf die geschickte englische Propaganda, teilweise auch auf unkluge deutsche Interventionen zurückzuführen war. Die Filmindustrie war diesen Veränderungen in der öffentlichen Meinung gegenaber nicht immun. Obschon sich die Sozialwissenschaftler und andere Forscher, die sich mit dem Einfluß von Filmen auf die öffentliche Meinung befassen, noch immer darüber streiten, ob Filme die Vorstellungen des Publikums beeinflussen oder lediglich widerspiegeln, läßt sich eindeutig feststellen, daß die Deutschen während der dreijährigen offiziellen Neutralität der Vereinigten Staaten auf der Leinwand und in anderen Bereichen der populären Kultur sehr schlecht abschnitten. Der Filmhistoriker Garth Jowett stellt zu Recht fest, daß »das Kino bereits gegen Deutschland mobilmachte, als Wilson noch weit davon entfernt war, die Nation in den Krieg zu führen«.
Quelle
Mit Wilsons Kriegserklärung brach 1917 eine antideutsche Hysterie über die Vereinigten Staaten herein. Jede nur denkbare Manifestation deutschen Einflusses auf die USA wurde angegriffen. Opern, Symphonien, ja selbst Melodien deutschen Ursprungs wurden boykottiert. Das Umbenennen deutscher Ausdrücke wurde zu einem allgemeinen Sport: sauerkraut wurde zu »Freiheitskohl«, ein hamburger war ein »Freiheitssandwich«, die German measles (Röteln) hießen neuerdings »Freiheitsmasern« und der dachshund (Dackel) wurde zum »Freiheitshund«. Wo immer man deutschen Ursprung witterte, wurde man mißtrauisch: Ein kongregationalistischer Geistlicher aus Brooklyn verkündete, die lutherische Kirche sei »nicht die Braut Christi, sondern die Mätresse des Kaiserismus«; deutschamerikanische Rotkreuzfreiwillige wurden beschuldigt, »zerstoßenes Glas in das Verbandszeug zu tun, das den Soldaten an die Front geschickt wurde«. Die propagandaorientierte amerikanische Filmindustrie wurde zu einem wesentlichen und unverzichtbaren Bestandteil der »Haßt- die- Hunnen«- Kampagne. Die Filme zeigten französische Mütter, die von Preußen gedemütigt wurden, amerikanische und britische Krankenschwestern, die von lüsternen Deutschen überfallen wurden, und belgische Kinder, die als Sklaven ins »Vaterland« verfrachtet wurden, wo man sie auspeitschte und jämmerlich verhungern ließ. Einer der aufsehenerregenderen dieser Greuelfilme, My Four Years in Germany (1918), beruhte auf einem Bestseller des ehemaligen amerikanischen Botschafters in Deutschland und wurde von einer Fachzeitschrift gerühmt, weil er »nichts unversucht läßt, im Publikum das Gefühl zu wecken, daß die deutsche Art, Krieg zu führen, nichts anderes ist als Barbarei«. Die Industrie produzierte eine Flut von »Holt euch den Kaiser«-Filmen, unter anderem den berüchtigten Streifen The Kaiser - The Beast of Berlin (1918), für den damit geworben wurde, daß er »einen Einblick in jenen Mann verschafft, der die schrecklichsten Greueltaten befiehlt«, und in dem der Kaiser als »Feind des Weltfortschritts« präsentiert wurde. Auch die Deutschamerikaner wurden in dieser Propagandawelle des Hasses nicht übersehen. In zahlreichen Filmen wurde die Bevölkerung der Vereinigten Staaten aufgefordert, der Subversion und Sabotage entgegenzutreten, die »vom Hunnen im Innern« verübt werde.
Quelle
Der Erste Weltkrieg war am 11. November 1918 zu Ende. Die überglücklichen Amerikaner verloren beinahe über Nacht das Interesse an jener Art von Filmen, die während der vorangegangenen 18 Monate die Produktion beherrscht hatten. Ein leitender Angestellter der Industrie erinnerte sich, daß solche Filme sehr schnell »unverkäuflich« wurden. Neben dem Markt dürften jedoch auch noch andere Faktoren im Spiel gewesen sein. Die Schauspielerin Blanche Sweet entsann sich: »Wir hatten The Unpardonable Sin fast zu Ende gedreht, als uns ein Brief der Regierung erreichte: >Machen Sie Abstriche bei den deutschen Greueltaten<.« Als sich in den Vereinigten Staaten die Angst vor der »roten Gefahr« breit machte, erschien ein neuer heimtückischer Feind auf der Bildfläche - die bolschewistische Bedrohung. Was auch immer der Grund gewesen sein mag, die Anzahl der Filme, die sich mit Deutschen beschäftigten, sank rapide - allein zwischen 1918 und 1919 um mehr als zwei Drittel und bei mehr als der Hälfte der angelaufenen Filme muß die Produktion noch während des Krieges begonnen haben, da sie während der ersten beiden Monate des Jahres ins Kino kamen. Bald schon war vom deutschen Typus im amerikanischen Film nichts mehr zu sehen. Der Katalog des Amerikanischen Filminstituts nennt unter den 6000 zwischen 1921 und 1939 angelaufenen Spielfilmen nur rund 150, in denen Deutsche (einschließlich der Deutschamerikaner) irgendeine Rolle spielten. Gewiß gab es nach wie vor Filme, in denen »blutrünstige Hunnen« auftraten: The Four Horsemen of the Apocalypse (1921) zeigte Deutsche als grausame Barbaren, die aus Freude am Töten töteten. In der Regel jedoch wiesen diese Filme in eine freundlichere Richtung. D.W. Griffith Hearts of the World (1924) handelt auf den ersten Blick von polnischen Flüchtlingen im kriegsgeschundenen Deutschland nach dem Waffenstillstand, aber die Darstellung der Lebensumstände in Deutschland mußte zugleich Sympathien für die Deutschen wecken. In His Foreign Wife (1927) sprach sich eine Figur gegen den »falschen Patriotismus« aus, der antideutsche Vorurteile geschürt habe. Von all den Filmen, die sich mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigten und die in zwei Jahrzehnten nach dem WaffenstilIstand produziert wurden, erlangte jedoch keiner größeren Einfluß als die Verfilmung des pazifistischen Romans lm Westen nichs Neues des deutschen Autors Erich Maria Remarque unter dem Titel All Quiet on the Western Front (1930) (die deutsche Premiere am 5.12.1930 wurde von Nazis unter der Führung von Goebbels gesprengt, der Film kurz danach verboten).

seite28.JPG (29845 Byte)

Einladung zur Identifikation mit deutschen Soldaten -
All Quiet on the Western Front (1930)
Natürlich kommen darin einige üble deutsche Militaristen vor, aber die Sympathien der Zuschauer liegen bei den jungen Deutschen, die, wie es beschrieben wurde, als Soldaten »im Holocaust des Grabenkrieges des Ersten Weltkrieges« verheizt wurden. Der Film handelt von Desillusionierung, Sinnlosigkeit, Ehre und Tod und folgt recht genau der literarischen Vorlage, aber obschon er vermutlich eine universelle Wahrheit ausdrücken sollte, »identifiziert sich der Zuschauer«, wie der Kritiker Bosley Crowther Jahre später bemerkte, »fast ausschließlich mit ... Soldaten in deutscher Uniform«.Quelle
Der Triumph der Nazis 1933 führt schnell zu einem Wiederaufleben der antideutschen Gefühle, die sich im Laufe der 1930er zusehends intensivierten. Im September 1939, nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, brachte eine öffentliche Meinungsumfrage ans Licht, daß trotz der vorherrschenden isolationistischen Stimmung 16% der befragen Amerikaner bereit waren, Deutschland den Krieg zu erklären, und weitere 44% waren der Ansicht, daß die USA eingreifen sollten, falls den Alliierten eine Niederlage drohe; außerdem sprachen sich 84% für einen Sieg der Alliierten aus, während nur 2% sich einen deutschen Sieg erhofften. Während der ganzen Dreißigerjahre befaßte sich Hollywood nur sporadisch und sehr vorsichtig mit Deutschland - der massive Antisemitismus der Nazis wurde nie thematisiert. Little Man, What Now?(1934) ist eine stark geglättete Verfilmung von Hans Falladas Kleiner Mann, Was nun?, einem Roman über die Sorgen des Kleinbürgertums während der Weimarer Republik. The Road Back (1937) ist eine schwache Version von Remarques Roman über das Schicksal deutscher Soldaten nach 1918 (Der Weg zurück). Wie soll man sich erklären, daß Hollywood dem allgemeinen antideutschen Gefühl in den Vereinigten Staaten so stark hinterher hinkte? Es gibt darauf keine einfache Antwort. Die Exzesse an deutschen Stereotypen während des Ersten Weltkrieges zeugten beredt gegen den Gebrauch des Films zu politischen Zwecken. Die Industrie hat sich dem Einsatz des Mediums Film zur Vermittlung von politischen Botschaften traditionellerweise stets widersetzt. Und die Verschärfung der freiwilligen Selbstkontrolle seitens der Industrie im Jahre 1934 führte dazu, daß die Production Code Administration einen deutlich konservativen Kurs einschlug und, wie ein Kommentator monierte, »darauf bestand, daß die Vorurteile und Empfindlichkeiten anderer Länder respektiert vvürden«. Vermutlich spielte auch der lukrative deutsche Absatzmarkt (zu dem Mitte 1938 das von den Nazis annektierte Österreich und im folgenden Jahr die besetzte Tschechoslowakei hinzukamen) eine wichtige Rolle. Das Drehbuch zur Verfilmung von Remarques Roman Drei Kameraden ( Three Comrades, 1938) enthielt Szenen, die das Magazin Time für »eine beißende Anklage gegen Nazideutschland« hielt; aufgrund der direkten Intervention des Chefs von Metro Goldwyn Mayer, Louis Mayer, wurden diese Szenen abgeschwächt oder ganz gestrichen. Joseph Mankiewicz, der Produzent des Films, erinnerte sich später, daß MGM mit Blick auf den deutschen Markt die Nazis zu beschwichtigen suchte: »MGM . . . zeigte ihre Filme so lange in Deutschland, bis sie von Hitler rausgeworfen wurde. Es gab sogar einen Produzenten, der damit beauftragt war, alle Namen aus dem Nachspann zu entfernen, die zu jüdisch klangen.«
Quelle
Die bemerkenswerteste Ausnahme von diesen windelweichen Vorkriegsfilmen war der von den Warner Brothers produzierte und im April 1939 angelaufene Streifen Confessions of a Nazi Spy (lch war ein Spion der Nazis, 1977 ARD).

seite29.JPG (60175 Byte)

Heimische Sitten, praktiziert in einem fremden Land:
Confessions of a Nazi Spy (1939)
Wohl hatte es zuvor einige von kleineren Gesellschaften produzierte filmische Angriffe auf die Nazis gegeben (z.B. Hitler's Reign of Terror und Are We Civilized?), aber von den großen Studioproduktionen war dies die erste, die ausdrücklich gegen die Nazis Stellung bezog. Der Film beruht auf einer wirklichen Begebenheit aus dem Jahre 1938, als das FBI einen deutschen Spionagering aushob. Er porträtiert den von Nazis beherrschten Deutsch- Amerikanischen Bund als eine rassistische und subversive Vereinigung, sieht die deutschen Konsulate in den USA als Kommandozentralen nazistischer Spionage und des Gestapoterrors gegen jene Deutschamerikaner, die den Vereinigten Staaten gegenüber loyal blieben, und behauptet, daß die Nazis einen intensiven Geheimkrieg gegen die amerikanische Demokratie führen. Trotz seiner Unverblümtheit wurde in dem Film kein einziger hochrangiger Vertreter Nazideutschlands namentlich genannt; es kam darin lediglich ein Mann vor, der, wie viele Kommentatoren bemerkten, Goebbels sehr ähnlich sah und der »in einem Berliner Regierungsbüro seine Mitarbeiter gegen die USA aufbringt«, indem er sie zu religiösem und Rassenhaß anstachelt. Selbst die Kritiker, die den Film und seine politische Stellungnahme guthießen, zeigten sich besorgt: Otis Ferguson fand ihn zwar »hervorragend«, wandte jedoch ein, daß er »Haß schüre«; der Rezensent von Variety bezeichnete ihn als »bedeutend«, merkte jedoch ironisch an, daß »nur noch eine Vergewaltigung durch einen deutschen Soldaten fehlt«.Quelle
Trotz der Unverblümtheit von Confessions of a Nazi Spy dauerte es noch eine ganze Weile, bis das Klischee von den »Agenten einer nicht näher genannten Macht« durch Charaktere mit eindeutig deutscher Identität ersetzt wurde. Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges schob Warner Brothers den Film Espionage Agent nach (Geheimagenten, deutsche Erstausstrahlung am 25.3.1963 im Fernsehen), in dem Deutschland ohne Zögern für die während des Ersten Weltkriegs in den USA erfolgten Sabotageakte verantwortlich gemacht wird; aber die in der Gegenwart spielende Handlung - ein Spionagering gefährdet die Sicherheit der USA - deutet die Nationalität der Agenten lediglich an. Es mag jedoch sein, daß, wie in einer Studie behauptet wird, »die Andeutungen so deutlich waren, daß nur wenigen [Zuschauern] .. . die nationale Identität der Spione entgangen sein dürfte«. Auf jeden Fall nahm das Inventar an Bösewichten in den verschiedensten Genres mehr und mehr teutonische Züge an. In dem reizlosen Mantel- und- Degen- Film Son of Monte Christo (1940, Die Stunde der Vergeltung 1950) errettet der gleichnamige Held ein mythisches mitteleuropäisches Land des neunzehnten Jahrhunderts und dessen bildhübsche Herrscherin vor einem ehrgeizigen General, der deutsch aussieht, nazistische Platitüden von sich gibt und über eine Reihe von ihm physiognomisch wie geistig verwandten Henkersknechten gebietet. Aus welcher Richtung der Wind wehte, Iäßt sich auch an den Titeln der Beiträge ablesen, die in den Filmmagazinen erschienen: »Hitlers Spione über Hollywood«.
Quelle
Mitte August verbot Hitler, in Deutschland und den angegliederten Territorien amerikanische Filme zu spielen. Das Verbot vernichtete einen großen Teil von Hollywoods europäischen Märkten und fiel in eine Zeit, als man sich in den Vereinigten Staaten vom lsolationismus abzuwenden begann. In den folgenden Monaten wurde eine Flut von Antinazifilmen produziert. Dieses »filmische Sperrfeuer« (um mich des Ausdrucks eines Historikerkollegens zu bedienen) glich, was Themen, Inhalt, Aufmachung und Herangehensweise anbelangt, den Filmen, die vor dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg produziert worden waren. Der »sowohl politisch wie künstlerisch bedeutendste antifaschistische Film« - Charlie Chaplins The Great Dictator (1940; Der große Diktator, 1950) - war schon seit einigen Jahren in Arbeit. Chaplins Film war eine kompromißlose, utopische Satire.

seite30.JPG (53367 Byte)

Eine Anmut, die noch nicht um die Greuel der Nazis weiß:
The Great Dictator (1940)
Viele andere Filme waren nicht weniger kompromißlos, doch ihren Regisseuren fehlte Chaplins Geschick bei der Umsetzung. The Man l Married (1949) bedeutete soviel wie »Ich heiratete einen Nazi«; die zunehmend ungemütlich werdende Häuslichkeit dieser Ehe wird durch Szenen nazistischer Volksaufhetzung und Bilder von Leuten, die auf äußerst entwürdigende Weise zu Straßenputzarbeiten gezwungen werden, unterbrochen. In So Ends Our Night (1941) Iöst ein Deutscher seine Verlobung, als er erfährt, daß seine Zukünftige »eine Jüdin« ist. Eine Branchenzeitschrift resümierte die deprimierende Handlung von The Mortal Storm (1940); Tödlicher Sturm, 15.11.1957) als »die Geschichte eines nichtarischen Professors und seiner Familie in Deutschland von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler bis zum Tod des Professors in einem Konzentrationslager und der Erschießung seiner Tochter beim Versuch, über die Grenze zu fliehen«. Man Hunt (1940), ein ebenso brutaler wie entlarvender Film, den Fritz Lang im Exil drehte, stellte sämtliche deutschen Charaktere als Übeltäter dar.

seite31.JPG (36771 Byte)

Bildnis eines (noch) glücklichen Paares in
The Man I Married (1940)
Underground (1941), in dem entschlossene Deutsche sich gegen die Nazis verschwören, und Escape (1940), in dem mitfühlende Deutsche einem Amerikaner dabei helfen, seine Mutter aus dem Konzentrationslager zu befreien, gehörten zu den Filmen, die davon ausgingen, daß es auch anständige Deutsche gab, die sich den Nazigreueln widersetzten.Quelle
Nachdem die Vereinigten Staaten am 7. Dezember 1941 in den Krieg eingetreten waren, wurden die Übel des Nazismus zum Gegenstand zahlloser antideutscher Filme der amerikanischen Filmindustrie. Wie nicht anders zu erwarten, machten diese Propagandafilme massiv von bestimmten vorgegebenen Charakterisierungen Gebrauch: so hat ein Sozialwissenschaftler auf die Verwendung »des Monokels als Symbol für deutsche Arroganz« hingewiesen. Für das Genre des antideutschen Films bildeten sich gewisse Konventionen heraus, die noch die plattesten Filme verständlich machten. Oder wie der Romancier E. L. Doctorow einmal feststellte: »Sobald man ein Genre benutzt, spielt sich ... die Musik schon ... im Kopf ab.« Solcherlei Filme haben im Fernsehen noch lange Zeit überlebt, und es mag immer noch leichtgläubige Leute geben, die überzeugt sind, daß alle Deutschen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs mit gutturalem Akzent sprachen, zu jeder Gelegenheit »Heil Hitler« ausriefen, andere Leute beim geringsten Anlaß als »Schweinehund« beschimpften, sich an der Mißhandlung äIterer Menschen und hübscher junger Frauen erfreuten und unausweichlich an irgendeinem Punkt »wi heff weis off meking ju tok« zischten. Höhere Offziere und Oberschicht wurden als kultivierte Schweine dargestellt, die sich an der Erschießung unschuldiger Geiseln delektierten; deutsche Nichtkombattanten und mittlere Offiziersränge wurden als triebhafte, sadistische Tyrannen porträtiert, die ein Faible für Vergewaltigungen und Folterungen besaßen; und der Durchschnittsdeutsche, einerlei ob Soldat oder Zivilist, entpuppte sich zuletzt meistens als Feigling. Russell Shain ist in seinen Studien zu dem Ergebnis gelangt, daß der Film Hitler's Children (1943) es auf die »größte Anzahl« von Naziuntaten »pro Minute« brachte: »der Streifen zeigte Nazis, die sich« in weniger als 80 Minuten »gegen individuelle Freiheiten, Mutterschaft, wahre Liebe, Religion, freie Meinungsäußerung, Familie, körperliche Unversehrtheit und das Leben vergingen«. Nichtsdestoweniger erreichte die Darstellung der »bösen Nazis« in der amerikanischen Filmindustrie des Zweiten Weltkriegs nicht jenes Ausmaß an Gemeinheit, das die »Haßt- die- Hunnen«- Kampagne des Ersten Weltkriegs ausgezeichnet hatte.
Quelle
Daß die Filmindustrie trotz der Kriegsgegnerschaft in keine vergleichbare Raserei verfiel, ist auf die verfeinerten Strategien des Office of War lnformation (OWI) zurückzuführen, das einen Großteil der US-Propagandatätigkeit koordinierte. Um die Exzesse
seines Vorgängers während des Ersten Weltkriegs zu vermeiden, drängte das OWI - über das ihm angegliederte Bureau of Motion Pictures - schon früh in Hollywood darauf, zwischen Nazis und Deutschen zu unterscheiden: »Verzichten Sie auf eine pauschale Verdammung aller Deutschen ... denn unser Land sieht nicht das deutsche Volk als seinen Feind an, sondern dessen Führer«. Daher konnten noch im standhaftesten Antinazifilm einige anständige Deutsche auftreten, wenngleich der totale Krieg es häufig nötig machte, daß diese für die amerikanische Seite starben. So werden etwa in Edge of Darkness (Aufstand in Trollness, ARD 1977) und The Moon ls Down, zwei leicht pathetischen Filmen über das Anwachsen des norwegischen Widerstands gegen die nationalsozialistische Besatzung aus dem Jahre 1943, die anständigen Deutschen von norwegischen Frauen umgebracht. Am häufigsten kamen die anständigen Deutschen in Filmen vor, die sich mit dem Leben im Lande der Nazis selbst beschäftigten, denn durch soIche Charaktere konnte demonstriert werden, daß seIbst Hitlers Behemoth kein totaler Monolith war. Der Protagonist von The Seventh Cross (1944, nach dem Roman von Anna Seghers; Das Siebte Kreuz, ZDF 10.1.1972) entkommt mit sechs weiteren Häftlingen 1936 aus einem Konzentrationslager; der Lagerkommandant läßt sieben Kreuze aufrichten, um die Flüchtlinge daran zu kreuzigen; von deutschen Bürgern verraten, sind sechs der Flüchtigen schon bald gefaßt, der siebte jedoch überlebt und kann nach Holland entfliehen, weil einige Deutsche bereit sind, für ihn den Tod zu riskieren.

seite32.JPG (41083 Byte)

Der Flüchtling vor Gestapo und Spitzeln unter Freunden.
The Seventh Cross (1944)
Solche Filme hatten eine klare Aussage: Haßt nicht die Nazis, weil sie Deutsche sind, sondern haßt die Deutschen, die Nazis sind. Natürlich wurde die Unterscheidung zwischen Deutschen und Nazis bisweilen verwischt, aber sie verdient dennoch Beachtung. Es war diese Unterscheidung, die mehr als eine Generation nach Ende des Zweiten Weltkriegs einen westdeutschen Filmkritiker zu der anerkennenden Äußerung veranlaßte: »Selbst auf dem Höhepunkt des Krieges kamen noch Filme heraus, in denen die guten Deutschen sentimental und respektvoll vorgeführt werden, als habe es Hitler und den Krieg nie gegebenQuelle
Auch die Deutschamerikaner kamen auf der Leinwand viel besser weg als während des Ersten Weltkriegs, was zweifellos auf das Ausbleiben jener allgemeinen Hysterie zurückzuführen war, mit der sich ihre Vorfahren eine Generation zuvor konfrontiert sahen. Die Front im eigenen Land weckte während des Zweiten Weltkriegs nur wenig Ängste vor Deutschstämmigen als einem inneren Feind; die Deutschamerikaner stießen, wie ein Historiker schreibt, »auf wenig öffentliche Feindseligkeit.... Man zeigte sich tolerant«. In den Filmen spiegelte sich diese Einstellung wider. Friendly Enemies (1942), ein schonungslos antideutsches Theaterstück aus dem Jahre 1918, das 1925 zum ersten Mal verfilmt worden war, wurde für den Zweiten Weltkrieg aktualisiert und beträchtlich abgeschwächt: Das Remake zeigt die Wandlung eines eingebürgerten, wohlhabenden Deutschamerikaners vom begeisterten Anhänger seines früheren Vaterlands zum echten Amerikaner. Die reinen Kommerzfilme stellten die Deutschamerikaner in der Regel als ausgesprochen loyal dar: In Nazi Agent (1942) setzt ein patriotisch gesonnener, naturalisierter Deutschamerikaner sein Leben aufs Spiel, um die antiamerikanischen Machenschaften seines Nazizwillingsbruders zu vereiteln, und in They Came to Blow Up America (1943) werden Nazisaboteure in die Vereinigten Staaten eingeschleust, wo sie jedoch entdecken müssen, daß sie auf keinerlei Unterstützung seitens eingebürgerter oder gebürtiger Deutschamerikaner rechnen können. Gelegentlich treten, wie in The House on 92nd Street (1945; Das Haus in der 92. Straße, 1952), einem überbewerteten, angeblich auf FBI-Akten beruhenden Pseudodrama, einige verräterische Deutschamerikaner auf, die jedoch stets durch patriotischere Exemplare aufgewogen werden, in diesem Fall durch einen deutschstämmigen US-Regierungsbeamten.

seite33.JPG (48794 Byte)

Spione sind unter uns:
The House on 92nd Street (1945)
Am Ende des Krieges wurde allerdings auf tragische Weise deutlich, daß die alliierte Propaganda, einschließlich der tendenziösesten amerikanischen Spielfilme, das grauenhafte Ausmaß an nationalsozialistischen Bestialitäten ernsthaft unterschätzt hatten. Diese Entdeckung bewirkte letztlich die Auflösung einer eigenständigen deutschamerikanischen Kultur in den Vereinigten Staaten, da die deutschstämmige Gemeinde es für angebracht hielt, sich (von einigen zeremoniellen Anlässen und einer beschränkten und zusehends unbedeutender werdenden sozialen Subkultur abgesehen) vollends als Teil dessen, was einmal das »neue angloteutonische Amalgam« genannt wurde, in die amerikanische Gesellschaft zu integrieren.Quelle
Schon 1944 war die Anzahl Filme, die sich auf irgendeine Weise mit Deutschen befaßte, jäh gesunken und im Verlauf des Jahres 1945 wurde, wie Jan-Christopher Horak bemerkte, »die Produktion von Propagandafilmen fast vollständig eingestellt«. Im Laufe der folgenden Jahre verschwand die Bedrohung durch Nazideutsche beinahe gänzlich von der Leinwand, und wo sie dennoch vorkam, handelte es sich zumeist um Produktionen minderer Qualität. Rendevouz 24 (1946), ein zweitklassiges Melodram, zeigte, wie ein Amerikaner und sein britischer Mitstreiter eine Gruppe von Naziwissenschaftlern aufspüren, die in einem Geheimlabor im Harz daran arbeiten, mittels ferngesteuerter Atomwaffen Städte wie Paris und New York in die Luft zu sprengen. In den großen Studios wurde eine Reihe von »Jetzt- kann- man- darüber- reden«- Filmen über die alliierten Aktivitäten hinter der Feindeslinie produziert, namentlich Cloak and Dagger (1946; Im Geheimdienst 1953) und 13 Rue Madeleine (1946), in denen böse Nazis ihre Opfer schikanierten, folterten und ermordeten. Zu den schlechtesten dieser Produktionen zählt gewiß Women in Night (1948), ein Film über Ausbeutung, der sich nach den Worten von Variety »mit einer Grupe von Frauen beschäftigt, die in Shanghai von Nazitruppen aufgegriffen . . . und dazu gezwungen werden, japanische und nationalsozialistische Würdenträger zu unterhalten ...; die Rettung kommt zuletzt in Gestalt eines US-Agenten, der eingeflogen wird, um die Weitergabe von Informationen über eine >kosmische Strahlenwaffe< zwischen den Achsenmächten zu verhindern«. Verschiedene Filme widmeten sich Martin Bormann, jenem Komplizen Hitlers, der im April 1945, kurz vor der Einnahme Berlins durch die Rote Armee, auf mysteriöse Weise verschwand. In Close-Up (1948) heißt er Beaumont und versucht vergeblich, ein Wochenschau- Filmdokument zu zerstören, welches beweist, daß er in New York City untergetaucht ist; der Film besitzt, wie einmal bemerkt wurde, eine »Handlung, in die zu viele Löcher geschossen wurden«. In Rogue's Regiment (1948; Mann ohne Gesicht, 1954) heißt er Brunner und läßt sich, wie so viele Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg, von der französischen Fremdenlegion anwerben; ein amerikanischer Geheimdienstoffizier geht ebenfalls in die Legion und stellt den Übeltäter schließlich in Indochina, wo die Franzosen einen Krieg gegen kommunistische Guerillas führen.
Quelle
Die Kommunisten und ihre Verbündeten in aller Welt ersetzten förmlich über Nacht die Nazis und ihre Ideologie als Hauptbedrohung der Weltdemokratie und des amerikanischen Lebensstils. Wie die Szenen in Judgement of Nuremberg deutlich gemacht haben, änderte die amerikanische Regierung in weniger als 1200 Tagen nach Hitlers Niederlage ihre Politik radikal. Und wie in der Politik so gelang auch der amerikanischen Filmindustrie ein nahtloser Übergang vom »gemeinen Nazi« zum »verkommenen Roten«. Nach wie vor traten in den Filmen Nazis als Übeltäter auf, aber innerhalb jedes einzelnen Films wurden es immer weniger. Was aber geschah mit der Figur des anständigen Deutschen? Als sich der Kalte Krieg Ende der 40er und in den 50er Jahren intensivierte, standen den anständigen Deutschen in den Hollywoodfilmen immer weniger Nazis gegenüber.
In Action in the North Atlantic aus dem Jahre 1943, einer Hymne auf die amerikanische Handelsmarine, wurde eine deutsche U-Bootbesatzung gezeigt, die mit sichtlichem Entzücken filmte, wie die Mannschaft eines soeben torpedierten Schiffs im eisigen Wasser ums Überleben kämpfte. In den Filmen der Fünfzigerjahre dagegen, in denen Deutschland und der Seekrieg thematisiert wurden, beschränkte man sich, wie ein entrüsteter Gelehrter sakastisch bemerkte, auf »den einzelnen fanatischen Nazi . . ., der offenbar zur Grundausrüstung aller deutschen Schiffe gehörte«.
Quelle
Die Exkulpation Deutschlands (oder wenigstens Westdeutschlands) begann mit Filmen, die eine klare Trennlinie zogen zwischen »den guten Deutschen, die für ihr Land kämpften, und den fanatischen Naziungeheuern, welche die Ursache für alle Übel waren«. So kehrt zum Beispiel in Berlin Express (1948) ein liberaler deutscher Staatsmann aus dem Exil nach Hause zurück, um die Zukunft seines geschlagenen und geteilten Vaterlands mitzugestalten; er wird jedoch von einer kleinen Bande von Nazifanatikern, die die »gute alte Zeit« des Dritten Reichs wiederbringen möchten, entführt und mit dem Tode bedroht. Filme wie dieser setzten Maßstäbe; fast jeder Bereich der deutschen Gesellschaft wurde durch die Filmindustrie (und andere Medien) so aufpoliert, daß aus den Mittätern und Mitläufern der Nazis deren Opfer wurden. Ein Kritiker stellte ironisch fest: »Wir schoben Überstunden, um aus den Bestien Schönheiten zu machen.«
Quelle
Im Laufe der Fünfzigerjahre setzte sich diese Entwicklung grundsätzlich fort, aber im Vergleich zu den während der Kriegszeit entstandenen Produktionen änderte sich die Klassenzugehörigkeit der guten Deutschen. Die guten Deutschen waren nicht länger, wie in The Seventh Cross, unter den »kleinen Leuten« zu finden. Der junge, gutaussehende und intelligente deutsche Kriegsgefangene aus Decision Before Dawn (1950; Entscheidung vor Morgengrauen, 1952), der sich gegen Ende des Krieges für die Amerikaner zu spionieren entschließt, ist Sohn eines berühmten Arztes.

seite34.JPG (45198 Byte)

Oskar Werner unter Kameraden, die zu Feinden geworden sind.
Decision Before Dawn (1950)
Die subtile Bösartigkeit eines körperlich unattraktiven Walter Slezak (der in dem Melodram This Land Is Mine [1943; Dies ist mein Land, WDR 1979] den abgefeimten Anführer der deutschen Besatzungstruppen einer französischen Industriestadt spielte) machte der Pflichttreue eines glorreichen John Wayne Platz (der in dem Abenteuerfilm The Sea Chase [1955; Der Seefuchs, 1955] einen erklärtermaßen nazifeindlichen, aber nichtsdestoweniger patriotisch gesonnenen Schiffskapitän mimte). Im Interesse des geläuterten Deutschenbildes wurde es mitunter notwendig, die Geschichte zu korrigieren: The Desert Fox (1951, Rommel der Wüstenfuchs, 1952), eine hochgradig idealisierte Version der letzten Jahre von Generalfeldmarschall Rommel, präsentiert diesen als »einen Aristokraten, der die Exzesse der Nazis bedauert, nicht um der Ideologie, sondern um des Vaterlands willen kämpft und insgeheim den Umsturz der verkommenen Naziverbrecher plant«.

seite35.JPG (36418 Byte)

Porträt des Feindes als idealisierter Held: James Mason als Rommel in
The Desert Fox (1951)
Obschon derlei Glorifizierungen politisch notwendig schienen, wurden sie nicht von allen gutgeheißen: Ein englischer Kritiker dürfte vielen aus dem Herzen gesprochen haben, als er seinem Wunsch Ausdruck gab, »Handgranaten in die Leinwand zu werfen«. In diesen Filmen wurden dieselben Dinge, die während beider Weltkriege auf der Leinwand als Übel verdammt worden waren (z.B. Klassendünkel, Militarismus, blinder Gehorsam), zu deutschen Tugenden umstilisiert, die innerhalb des gemeinsamen Bündnisses gegen den Kommunismus gepriesen wurden. Die Produktion dieser Filme fällt in eine Zeit, als die amerikanischen Politiker eifrig die Wiederbewaffnung Westdeutschlands betrieben. Seit Gründung der NATO im Jahre 1949 waren verschiedene Pläne entwickelt worden, wie der - hauptsächlich französische - Widerstand gegen eine eigenständige westdeutsche Armee zu überwinden sei. Auch innerhalb der Bundesrepublik regte sich, wie an der »Ohne- mich«- Bewegung deutlich wurde, beträchtlicher Widerstand gegen eine Wiederaufrüstung. Ein 1952 begonnener Anlauf, eine multilaterale Streitmacht (die Europäische Verteidigungsgemeinschaft) ins Leben zu rufen, scheiterte 1954. Gegen Ende desselben Jahres jedoch brach die internationale Pattsituation auf. 1955 wurde die Besatzung Westdeutschlands formal beendet, und die BRD trat der NATO bei.Quelle
Das Schicksal der deutschen Frauen nach dem Krieg bot Hollywood eine weitere Gelegenheit zur Säuberung des Deutschenbildes. Der vermutlich absurdeste Film zu diesem Thema war The Sealed Verdict (1948). Die gute Deutsche entpuppt sich darin als die ehemalige Geliebte eines hochrangigen Kriegsverbrechers, der zum Strang verurteilt wird; seine Hinrichtung ermöglicht ihr schließlich, in den Armen eines amerikanischen Offziers Frieden zu finden, der erfolgreich zu verhindern weiß, daß der Nazi einen moralischen Endsieg davonträgt, indem er den Henker übertölpelt. Obschon Hollywood seine Produktionstechniken bis zum Jahre 1959 deutlich verbessert hatte (die meisten Filme waren inzwischen farbig und in Cinemascope gedreht), blieb die Handlung oftmals dürftig: Der Heldin von Fräulein (1958; Fräulein 1958) gelingt es, in den Worten eines ungläubigen Rezensenten, »verwaist und ausgebombt, von lüsternen russischen Soldaten geschändet, in die Machenschaften von Profiteuren und weißen Sklavenhändlern verstrickt und von ihrem Verlobten, einem verbitterten, verkrüppelten und am Boden zerstörten Nazi verschmäht, zu überleben . . ., um am Ende .. . von einem amerikanischen Major, den sie und ihr antinazistischer Vater während des Krieges vor der Gefangennahme bewahrt hatten, über den Ozean und in ein amerikanisches Happy-end geführt zu werden«. Doch nicht immer ging die Sache so nahtlos auf. In The Big Lift (1950; Es begann mit einem Kuß, 1953) belügt die deutsche Frau einen G.I. über die Nazivergangenheit ihrer Familie, um mit seiner Hilfe zu ihrem in den Vereinigten Staaten internierten Mann zu gelangen. Der Kamerad dieses G.I.s, der als Kriegsgefangener unter der Brutalität der Nazis zu leiden hatte, muß durch seine deutsche Freundin lernen, »seine auf den Kriegserfahrungen beruhende Feindseligkeit abzubauen ... und die Deutschen nicht länger als Unterworfene zu behandeln«. In The Red Danube (1949; Schicksal in Wien, 1952) entzieht sich eine deutschstämmige Ballerina durch Selbstmord ihrer zwangsweisen Rückführung in die Sowjetunion.
Quelle
Selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges produzierte Hollywood immer noch Filme, die mit traditionellen Nazistereotypen arbeiteten. In The White Tower (1950; Hölle am weißen Turm, 1951), einem Melodram über eine Gruppe von Leuten aus unterschiedlichen Ländern, die sich zu einer Bergbesteigung zusammengefunden haben, provoziert die hartnäckige Haltung des Deutschen den lässigen Amerikaner zu der Frage: »Gebt ihr eigentlich niemals auf?« - eine Frage, die sich offenkundig nicht nur auf die Kletterpartie bezieht. Sealed Cargo (1951), von Variety kurz als »eine Auseinandersetzung zwischen einem Yankee- Fischer und einer Nazi- U-Bootmanschaft« beschrieben, und The Devil Makes Three (1952), der von Versuchen zur Wiederbelebung der nationalsozialistischen Partei in Deutschland handelt, weisen beide immer noch eine beträchtliche Anzahl skrupelloser Nazis auf. Aber diese und weitere Filme präsentierten Nazis, die von Deutschen unterscheidbar geworden waren. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Nazicharaktere für die Kommunisten arbeiten würden. Oder wie die Kritikerin Pauline Kael anmerkte: »Die psychopathischen Gesichter ..., die Nebenschauspieler, die einst als SS-Schergen ihre dauerhafte Anstellung hatten . . . waren in ihrer neuen sowjetischen Umgebung bald ganz zu Hause«. In den Filmen des Kalten Krieges wurden Antinazismus und Antikommunismus regelmäßig miteinander verwoben. Der von Kael als »morality play« bezeichnete und im zeitgenössischen Berlin spielende Streifen Night People (1954; Das unsichtbare Netz, 1955), zum Beispiel, beginnt mit der Entführung eines amerikanischen G.l.s. Und warum wird der Junge entführt? Im Verlauf des Films schält sich allmählich heraus, daß ehemalige Nazis, die inzwischen für die Kommunisten arbeiten, eine alte Rechnung begleichen wollen, indem sie den Amerikaner gegen ein älteres Ehepaar eintauschen, das am Hitlerattentat des 20.Juli beteiligt war. Der alte General und seine Frau haben bereits einen hohen Preis für ihren Widerstand bezahlt, denn obschon sie dem Tod entrinnen konnten, hat man ihm doch die Augen ausgestochen. Jetzt, zehn Jahre danach, haben die Nazis den in ärmlichen Verhältnissen in West- Berlin lebenden General und seine Frau aufgespürt und wollen ihm zum zweiten Mal ans Leben.
Quelle
Man hat Hollywood nie nachsagen können, daß es die literarischen Vorlagen, die es einkauft und zu Leinwandfutter verarbeitet, mit besonderem Respekt behandle. Im Zusammenhang mit der Aufbesserung des Deutschenbildes kam es denn auch zu einigen faszinierenden Umgestaltungen. Irwin Shaws monumentaler Roman The Young Lions, 1953 verfilmt (Die jungen Löwen, 1958), wurde Opfer einer ebenso tiefgreifenden wie hinterhältigen Abänderung. Im Roman ist die wichtigste deutsche Figur ein netter Kerl, der während des Kriegs zu einem unverbesserlichen Nazi gemacht wird; im Film ist es ein wirrer, aber patriotischer Idealist, der mit der Zeit resigniert und am Ende unnötig stirbt. Ein Kritiker beschrieb die Filmfigur treffend als »einen erstaunlich reinen Romantiker... die vulgäre, amerikanische Version eines teutonischen Helden«. Die Figur wurde im Film auf geradezu »heilige Weise« von einem »blond gefärbten« Marlon Brando mit »einwandfreier Aussprache« gespielt. D. A. Rayners 1956 erschienener Roman The Enemy Below handelt vom Katz- und- Maus- Spiel zwischen einem britischen Zerstörer und einem deutschen U-Boot, das mit der Versenkung beider Schiffe und der Fortsetzung des Kampfs Mann zu Mann im Wasser endet: »ein schwankendes Meer von Armen und Beinen ... in tödlichen Kampf verkeilt«. Der gleichnamige Film aus dem Jahre 1957 (Duell im Atlantik, 1958) folgt grundsätzlich derselben Handlung, wenngleich es sich beim Gegner des deutschen U-Boots nun um ein amerikanisches Kriegsschiff handelt. Aber als die beiden Schiffe sinken, helfen sich deren Besatzungen im Wasser und in der Schlußnote ganz zu Ende begegnen sich der deutsche und der amerikanische Kapitän an Bord eines anderen amerikanischen Schiffes mit großem Respekt.
Quelle
Curd Jürgens spielte in diesem Film den deutschen Kapitän. Er war der erste deutsche Schauspieler, der seit dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig in Hollywood unter Vertrag genommen wurde und mimte anfangs im Einklang mit dem neuen Bild vom guten Deutschen vor allem sympathische Charaktere.

seite37.JPG (47581 Byte)

Der Star als der im Grunde sympathische Feind. Curt Jürgens in
The Enemy Below (1957)
In I Aim At The Stars (1950; eigentlich »Ich greife nach den Sternen«, deutsch unter dem Titel Wernher von Braun [1960] im Verleih), einem biographischen Film über den deutschen Raketenbauer Wernher von Braun, spielte er die Hauptrolle. Von Braun war maßgeblich an der Entwicklung der V-2-Raketen beteiligt, die gegen Kriegsende auf London fielen. Nach der deutschen Niederlage verkaufte sich von Braun mitsamt seiner Mitarbeiter an die Vereinigten Staaten und wurde zu einer zentralen Figur im amerikanischen Raumfahrtprogramm. Der Deutsche hatte, wie ein Historiker sich ausdrückte, sein Handwerk »inmitten des kaltblütigen Mordens und der brutalen Schlächtereien der Nazigreueltaten« gelernt. Auf den militärischen Anlagen, in denen die V-2 perfektioniert wurde, waren Sklavenarbeiter im Einsatz. Diese Verbrechen wurden im amerikanischen Medienrummel um den Beitrag von Brauns und seiner Kollegen zum US- Raumfahrtprogramm unter den Teppich gekehrt. Der Deutsche wurde zum amerikanischen Helden, und der Film war Teil der allgemeinen Verherrlichung. Doch viele Leute ärgerten sich über die unkritische Sichtweise des Films und pflichteten dem ebenso kurzen wie sarkastischen Kommentar des Komikers Mort Sahl bei: »Ich griff nach den Sternen ... und traf London«. Sahls bissige Bemerkung gehörte in den Zusammenhang »eines merkwürdigen Wiederauflebens der Antinazi- (und folglich germanophoben) Propaganda in den Vereinigten Staaten«. Bei dieser Gegenreaktion der amerikanischen Öffentlichkeit spielten eine Reihe von Faktoren eine Rolle, unter anderem die Entführung des NS- Massenmörders Adolf Eichmann aus Argentinien durch israelische Agenten; Eichmann wurde in Israel mit großem Aufwand öffentlich vor Gericht gestellt und hingerichtet. Dieses kurze Aufleben deutschfeindlicher Gefühle spiegelte sich in verschiedenen Filmen wider, unter anderem in Operation Eichmann (1960); The Angry Hills (1959; Hügel des Schreckens, 1959) über die grausame deutsche Besatzung in Griechenland; Verboten (1959), der sich mit dem heimlichen Widerstand gegen die US-Besatzungstruppen in Deutschland unmittelbar nach Kriegsende beschäftigte; Circle of Deception (1961) der eine lange, grauenhafte Folterszene mit brutalen Schlägen, Elektroschocks und Ertränkungsversuchen enthielt; One, Two, Three (1961; Eins, zwei, drei, 1961), eine bissige Satire auf das zeitgenössische Berlin, die sich auch gegen die Kommunisten richtete; Hitler (1962), ein dürftiges Porträt des damaligen Deutschland, das vor allem um Hitlers Sexleben kreiste; und natürlich Judgement at Nuremberg.Quelle
Das Pendel schlug jedoch bald wieder zur anderen Seite aus und blieb dort stehen. Die während des Kalten Kriegs aufgenommenen Stereotype des guten Deutschen und des bösen Nazis bestanden weiter und überlebten auch eine neue Welle von Filmen über den Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen blieben dort weiterhin die - zumeist anonymen - Feinde. Dieses Schema war bereits durch die erste Welle von Kriegsfilmen vorgegeben worden, die wenige Jahre nach Kriegsende mit dem sowohl bei den Kritikern wie beim Publikum erfolgreichen Battleground (1949; Kesselschlacht, 1958) begann. Die - allerdings spärlich auftretenden - guten Deutschen wurden als Feinde geächtet. Allzu oft jedoch traten Deutsche wie in The Guns of Navarone (1961; Die Kanonen von Navarone, 1961) lediglich als graue Uniformen im Hintergrund auf, die, je nach Drehbuchbedarf, erschossen, in die Luft gesprengt oder in die Flucht geschlagen wurden. Natürlich bekamen die bösen Nazis stets ihr Fett weg, falls nötig sogar aus den eigenen Reihen wie in 36 Hours (1965; 36 Stunden, 1965), wo ein Gestapo- Offizier, der zwei Entflohene festnehmen will, von einem Offizier der Wehrmacht gehindert und von einem nazifeindlichen Wachposten erschossen wird. Von soIchen Filmen war der Schritt nicht weit zu Produktionen wie Cross of Iron (1977; Steiner - Das Eiserne Kreuz, 1977); der Streifen, der einmal als »der erste Nazi- Western« bezeichnet wurde, handelt »von den armen Teufeln an der Ostfront, die von einem hyperkorrekten, vorschriftsbesessenen Offizier befehligt werden, der einen Krieg, bei dem man sich die Stiefel schmutzig macht, schlechterdings nicht ertragen kann«. Die Handlung des Films wurde so zurechtgedreht, daß sich die amerikanischen Zuschauer nicht auf die Seite ihres damaligen russischen Alliierten, sondern auf die Seite ihres ehemaligen deutschen Feindes schlugen.
Quelle
Hollywood hat seit den 1950ern nicht aufgehört, Filme nach dem Muster »Gute Deutsche/Böse Nazis« zu produzieren. Aber sowohl in der Welt wie in der Filmindustrie hat sich seither vieles verändert. Der Kalte Krieg ging offiziell vielleicht erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Beginn der 1990er zu Ende, doch hatte er schon seit Mitte der Fünfzigerjahre - namentlich seit der Genfer Gipfelkonferenz im Juli 1955 - an Schärfe verloren. Die Ergebnisse dieses Treffens waren zwar mehr kosmetischer denn substantieller Natur, aber der sogenannte »Geist von Genf« führte dennoch zu einer gewissen Entspannung. Es kam immer wieder zu mehr oder weniger bedrohlichen Krisen, doch überwog die Détente alle Ausfälle gegen »das Reich des Bösen«. Das Nachlassen der Spannungen, die Festigung der Grenzen in Mitteleuropa und nicht zuletzt das wachsende Engagement der Vereinigten Staaten in Vietnam lenkte das Interesse der Filmschaffenden auf andere Dinge. Deutschland wurde nach 1955 nicht ignoriert; die Aufbesserung des   Deutschenbildes ging weiter, wenngleich in gedämpfterer Form. Die Nazis standen weiterhin als Bilderbuchbösewichte zur Verfügung. Allein das Kino als soIches büßte in der populären Kultur Amerikas fortwährend an Bedeutung ein. Mit dem Ende der fünfziger Jahre hatte das Kino in den Vereinigten Staaten seine Stellung als wichtigstes Massenmedien verloren. Zwischen 1946 und 1972 fiel die Gesamtzahl der Kinobesucher in den USA um beinahe 75%. Das Kino blieb zwar ein äußerst bedeutender kultureller Faktor und viele Filme wurden, nachdem sie auf der Leinwand gelaufen waren, auch im Fernsehen gezeigt. Aber das Fernsehen hatte dem Kino den Rang abgelaufen. Das Bild der Deutschen im Fernsehen war indes, einer Untersuchung zufolge, »wilden Schwankungen unterworfen«: zwischen der beliebten, langjährigen Komödienserie Hogan's Heroes, die in einem deutschen Kriegsgefangenenlager zur Zeit des Zweiten Weltkriegs spielte, auf der einen und dem unerbittlichen Mehrteiler über die Grausamkeit der Nazis Holocaust aus dem Jahre 1978 auf der anderen Seite. Aber das führt hier zu weit. Es muß an dieser Stelle genügen festzuhalten, daß, anders als im Kino zur Zeit des Kalten Krieges, politische Erwägungen und internationale Ereignisse bei der Gestaltung deutscher Stereotype im Fernsehen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen schienen.
Quelle

Daniel Leab

Aus dem Amerikanischen von
Robin Cackett

                        .