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Orden

Aus der Geschichte
einer Sammlung

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Klaus-Peter Merta

Vorwort

Mit der bewußten Tätigkeit des Menschen, die durch Verhältnisse und Beziehungen in einer Gemeinschaft geprägt wird, entstand auch das Bedürfnis, Anerkennung, Lob und Belohnung zu vergeben und zu erlangen. Auszeichnungen können von ideeller oder materieller Natur sein, jedoch auch beide Komponenten in sich vereinen. Das Sichtbarmachen einer Auszeichnung hebt den Geehrten über andere Mitglieder der Gemeinschaft hinaus. Leistung, Erfahrung und Erfolg werden durch eine Auszeichnung äußerlich umgesetzt. Gleichzeitig sagt sie etwas über das Verhältnis von Personen zueinander, ihre Stellung bzw. ihren Rang aus.

Wilhelm-Orden, Kollane mit Ordenszeichen, Preußen, 1896; verliehen an Otto von Bismarck
(Kat.-Nr. 2)

Um Einzelpersonen und Personengruppen, aber auch Institutionen für Taten, Verdienste und Leistungen zu ehren, sie auszuzeichnen oder ihnen zu danken, können Art und Form der Gewährung und Verleihung einer Auszeichnung vielfältig sein. Mündliche Belobigungen, Dankschreiben, Geldprämien und Sachpreise gehören ebenso dazu wie Orden und Ehrenzeichen. Letztere zählen zu den tragbaren Auszeichnungen, die den Beliehenen öffentlich kenntlich machen. Gerade die Gruppe der Orden und Ehrenzeichen war und ist in der Geschichte des Auszeichnungswesens und in der öffentlichen Meinung nicht unumstritten und stieß immer wieder auf Kritik. Mit Ironie nahm der Dichter und Zeichner Wilhelm Busch in dem Vers "Gar mancher schleicht betrübt umher;/Sein Knopfloch ist so öd und leer" (Balduin Bählamm, 1) die Eitelkeit der Menschen aufs Korn. Und der 1926 mit dem Friedensnobelpreis geehrte französische Staatsmann und Politiker Aristide Briand äußerte: "Was ist ein Orden? Ein kostensparender Gegenstand, der es ermöglicht, mit wenig Metall viel Eitelkeit zu befriedigen." Das Bedürfnis und Streben nach Auszeichnungen zählt zweifelsohne zu den Eigenschaften von Menschen. Stiftungen und Verleihungen lassen sich durch die Geschichte für alle Gesellschaftsformationen belegen.

Bis in die Gegenwart sind jedoch immer wieder Beispiele nachzuweisen, wie mit einem staatlichen Auszeichnungswesen auch Mißbrauch getrieben werden kann. Der Stifter und Verleiher von Auszeichnungen verbindet in der Regel mit ihrer Vergabe an den Beliehenen die Erwartung von Dankbarkeit, Treue und Ergebenheit, den Ansporn zu neuen Leistungen oder wenigstens ein Loyalitätsverhalten. Auf die Gefahren einer Abhängigkeit des Ausgezeichneten vom Verleiher wurde durch die Jahrhunderte immer wieder hingewiesen: "Und, seiner Freyheit ungetreu,/Eilt man nach stolzen Ehrenzeichen./Und desto tiefrer Sklaverey" (C.F. Gellert, Fabeln und Erzählungen I, 8). Das Auszeichnungswesen fast aller Staaten war im 19. Jahrhundert von einer großen Stiftungsvielfalt und ausufernden Verleihungspraxis gekennzeichnet. Der Philosoph Arthur Schopenhauer stellte zwar den Wert und Nutzen von Auszeichnungen keineswegs in Frage, wies jedoch eindringlich und klar auf die Verleihungsmoral seitens der Verleiher hin: "Orden sind Wechselbriefe, gezogen auf die öffentliche Meinung: ihr Werth beruht auf dem Kredit des Ausstellers. Inzwischen sind sie . . . eine ganz zweckmäßige Einrichtung; vorausgesetzt, daß ihre Vertheilung mit Einsicht und Gerechtigkeit geschehe . . . Durch ungerechte, oder urtheilslose, oder übermäßige Vertheilung verlieren aber die Orden diesen Werth; daher ein Fürst mit ihrer Vertheilung so vorsichtig seyn sollte, wie ein Kaufmann mit dem Unterschreiben der Wechsel" (Parerga und Paralipomena I, 384). Die Aktualität dieser im Jahre 1851 formulierten Worte ist für die Gegenwart unbestritten. Die Geschichte des Auszeichnungswesens ist gekennzeichnet von einer Dialektik zwischen dem Streben von Personen nach Lob und Anerkennung und den Bedürfnissen der Gesellschaft. Durch letztere bekommen gerade staatliche Auszeichnungen einen politischen Charakter. Noch während des Zweiten Weltkrieges und vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit sank der Wert von Auszeichnungen im Denken vieler Menschen in Deutschland. Die damals im Volksmund verbreitete Ansicht "Bomben und Orden treffen immer die Falschen" drückte das Verhältnis eines Teiles der Bevölkerung zu Auszeichnungen aus.

Bereits kurz nach ihrer Gründung wurde in beiden deutschen Staaten wieder ein staatliches Auszeichnungswesen geschaffen. Jede der unterschiedlichen Staatsformen anerkannte den Wert einer Vergabe von Orden und Ehrenzeichen in der Gesellschaft. Kurz vor der Stiftung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1951 begründete der Bundespräsident Theodor Heuss diesen Schritt: "Das Vertrauen darauf, daß die Menschen eine Genugtuung allein in dem Bewußtsein finden, ihr Bestes für das Gemeinwesen geleistet zu haben, hat schon oft zu großer Enttäuschung geführt. Sich die Möglichkeit zu schaffen, außergewöhnliche Leistungen für den Aufbau, die Festigung und den Fortschritt eines staatlichen Gemeinwesens durch eine Ordensauszeichnung anerkennen zu können, ist ein einfaches Gebot der Staatsräson. Staatliche Orden und Ehrenzeichen können dazu beitragen, ein integrierendes Band zwischen dem Staat und seinen Bürgern zu knüpfen, sie können somit die Staatsmoral fördern." In diesen Formulierungen liegt gleichzeitig eine Erklärung, warum sich Auszeichnungen über Jahrhunderte in unterschiedlichsten sozial-ökonomischen Gesellschaftsformationen bis zur Gegenwart erhalten haben und in großer Vielfalt, verbunden mit differenzierten Verleihungsmodalitäten, im Leben der Menschen eine Rolle spielen.

In den letzten Jahren hat sich für die Lehre, die sich auf wissenschaftlicher Grundlage mit solchen Auszeichnungen befaßt, die für außerordentliche persönliche oder kollektive Verdienste und Leistungen durch Ordensorganisationen, Repräsentanten von Staaten, staatsrechtliche oder öffentliche Organe, Organisationen und Institutionen sowie von privatrechtlicher Seite gestiftet oder verausgabt, nach bestimmten Regeln verwaltet und verliehen wurden und werden, der Begriff "Faleristik" (auch Phaleristik) eingebürgert und durchgesetzt. Wichtigstes Kriterium ist, daß die Faleristik nur solche Auszeichnungen betrachtet, die in Form eines öffentlich sichtbaren Symbols von Personen und Institutionen zum Tragen bestimmt sind. Orden stellen als Klassifikation einen Bestandteil der Auszeichnungen dar. Im Laufe der historischen Entwicklung von Auszeichnungen entstanden neben den Orden die vergleichsweise niederen Ehrenzeichen. Zu dieser Auszeichnungskategorie zählen Verdienstauszeichnungen, tragbare Zeichen der Verleihung von Preisen und Ehrentiteln, Erinnerungszeichen, Treue- und Dienstauszeichnungen, Leistungs- und Ehrenabzeichen. Zweck und Art, Stiftungs- und Verleihungsmodus, Formen- und Variantenvielfalt, Symbolik und Aussage sowie Material und Herstellungsart geben Aufschluß über Zusammenhänge und Verhältnisse der gesellschaftlichen Entwicklung, über Beziehungen der Menschen zueinander sowie über Kunst- und Zeitgeschmack.

Jedes staatliche Auszeichnungswesen läßt Rückschlüsse auf die Landesgeschichte sowie die Beziehungen zu anderen Ländern zu. Auszeichnungen reflektieren konkret die Gesellschaftsentwicklung von Staaten wie auch von internationalen Beziehungen. Faleristisches Material besitzt als gegenständliche Quelle Bedeutung für die Betrachtung von Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur eines Landes. Die Faleristik hat die Aufgabe, die Realien wissenschaftlich zu bestimmen, auszuwerten und historisch einzuordnen. Dazu gehören Sammeln, Erhalten und Bewahren der tragbaren Auszeichnungen und der mit ihnen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Dokumente.

Als Zeitdokumente sind Auszeichnungen für Museen anschauliche und in vielfältiger Weise aussagekräftige Zeugnisse der Geschichte. Sie wurden und werden von Museen gesammelt, bewahrt und ausgestellt. Die folgenden Ausführungen geben im ersten Teil einen allgemeinen Überblick über die Entwicklungsgeschichte des Auszeichnungswesens, und im zweiten Teil werden Entstehung und Schicksal der Auszeichnungssammlung im Berliner Zeughaus vom vorigen Jahrhundert bis zur Gegenwart betrachtet. Ein anschließender Katalogteil enthält Zusatzinformationen zu allen abgebildeten Orden und Ehrenzeichen aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums.