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Aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums

Deutschsprachiger Erstdruck der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4.Juli 1776

 

 

Reimer Eck *

Der deutschsprachige Buchdruck in den amerikanischen Kolonien bis zum Erscheinen der Unabhängigkeitserklärung (Teil 3)

 
 

III. Deutschsprachiger Buchdruck zur Revolutionszeit: Christoph Sauer der Jüngere, Henrich Miller, Melchior Steiner & Carl Cist

Im Jahr 1758 war Christoph Sauer der Ältere verstorben und sein 1721 noch in Deutschland geborener Sohn gleichen Namens übernahm, nachdem er schon einige Jahre den englischsprachigen Teil des Unternehmens geführt hatte, auch den deutschen Teil der Sauerschen Presse. Der jüngere Sauer gehörte der deutschen Täufergemeinde an und diente ihr für lange Zeit als Pfarrer. Seine Verlagsproduktion blieb der des Vaters ähnlich, geistlich und dabei politisch konservativ geprägt. Er konnte der Firma eine eigene Papiermühle angliedern und hat mit Unterstützung seines sehr geschickten Gehilfen Justus Fox, wahrscheinlich von aus Deutschland importierten Matrizen, die ersten Drucktypen in Amerika gegossen.

Erst mit Johann Heinrich Möller, oder besser, amerikanisch: Henrich Miller erwuchs der Sauer-Presse langsam ein Konkurrent, der durch seine Zeitung und weitere Druckschriften Einfluß auf die Deutschen in den Kolonien gewann, und zu Beginn der Revolutionszeit eine zahlenmäßig starke deutschsprachige Leserschaft ansprechen konnte. Henrich Miller stammte aus Rhoden im Waldeckschen und hatte in Basel das Druckerhandwerk gelernt. Mehrfach hat er den Atlantik überquert, druckte erstmalig im Jahr 1741 während der Zeit der Zinzendorfischen Einigungsbewegung der deutschen Protestanten für Franklin in Philadelphia, kehrte als wandernder Buchdrucker nach Europa zurück, druckte dann in den Jahren 1752-53, wieder für Franklin, die kurzlebige zweisprachige Lancastersche Zeitung, kehrte nochmals nach Deutschland und England zurück, um sich dann mit eigener zweisprachiger Druckerausstattung in Philadelphia niederzulassen, wo ab Januar 1762 Der Wöchentliche Philadelphische Staatsbote erschien. Sehen wir von den früheren, meist in Pamphleten und Wahlaufrufen geführten Kontroversen, die die Sauers von Zeit zu Zeit mit Franklin und anderen progressiven Kräften der Kolonie und deren deutschen Druckern auszufechten hatten, ab, so ist es Miller, der erstmalig das deutsche Lesepublikum in größerem Umfang an den entscheidenden politischen Diskussionen um die Auseinandersetzung mit dem Mutterland teilhaben ließ. So druckte Miller im Jahr 1764 in deutscher Sprache die in der Assembly gehaltenen Reden Jonathan Dickensons und Joseph Galloways aus der Diskussion um die Änderung der Verfassung Pennsylvanias, im Jahr 1766 das Protokoll der Anhörung Benjamin Franklins zur Stempelakte vor dem Englischen Parlament sowie im Jahr 1774 und auch später mehrfach Auszüge aus den Sitzungen des First Continental Congress: "Auszüge aus den Stimmungen und Verhandlungen des Amerikanischen Congresses vom Vesten Lande, gehalten zu Philadelphia, den 5ten Sept. 1774. Enthaltend die Bill der Rechten, eine Liste von Beschwerden ... Herausgedruckt auf Befehl des Congresses und aus dem Englischen übersetzt. Philadelphia, Gedruckt und zu haben bei Henrich Miller, 1774", Ungleich intensiver noch als die hier genannten Drucke war es Millers Zeitung, der Staatsbote, der die deutschen Leser an den dramatischen Entwicklungen innerhalb der Kolonien teilhaben ließ. Über Stamp Act, Townshend Acts, Quartering Act und die daraus resultierenden Ereignisse in Massachusetts und New York wurden Millers deutsche Leser ausführlich informiert. Zugleich war sich Miller der Rolle, die eine freie Presse in einer Zeit der politischen Spannungen spielte, durchaus bewußt und wurde auch nicht müde, seine Leser darauf hinzuweisen. Auch Christoph Sauer hatte mit seiner Germantowner Zeitung während der Krise um die Stempelakte nicht abseits gestanden. Bei zunehmender Radikalisierung der politischen Stimmung bis zur bewaffneten Revolution mußte er seinen Glaubensbrüdern gegenüber jedoch Zugeständnisse machen, was ihm nach erfolgtem Umsturz eine Anklage als Loyalist einbrachte, womit er mit einem Druckverbot belegt und sein gesamtes Vermögen eingezogen wurde.

Im Revolutionsjahr 1776 wird der Unterschied der politischen Haltung der beiden bis dahin wichtigsten deutschsprachigen Druckereien in den Kolonien besonders deutlich. Während Sauer mit einer traditionellen Quäkerschrift, Robert Barclays Apologie, und einem deutlichen Aufruf der Quäkergemeinde, den Frieden zu wahren und vom bewaffneten Widerstand abzulassen, an das deutsche Publikum trat, druckte Miller ein politisch so brisantes Pamphlet wie: "Der Alarm: Oder, Eine Erweckungs Zuschrift an das Volk von Pennsylvanien, über den neuerlichen Entschluß des Congress, um alle von der Krone Großbritannien hergeleitete Macht und Gewalt gänzlich abzuschaffen". Außerdem druckte er im Laufe des Jahres die Verhandlungen der verfassungsgebenden Versammlung der Kolonie, die neue Verfassung von Pennsylvania vom September sowie die neuen Regelungen zur Organisation der Milizen Pennsylvanias. An dieser Stelle sollte betont werden, daß beide Druckereien gleichzeitig ihre normale Produktion weiter betrieben. Beide druckten ihre Almanache, Sauer eine Vollbibel und eine Kinderbibel sowie ein Gebetbuch, und Miller zumindest einen Festpsalm für die Herrnhuther, deren kleine liturgische Schriften er über die Jahre regelmäßig gedruckt hatte.

Gleichzeitig oder besser noch im Frühjahr des Revolutionsjahres 1776 war mit Melchior Steiner und Carl Cist eine neue deutsche Buchdruckerei mit der Publikation des radikalsten und einflußreichsten aller Pamphlete der amerikanischen Revolution, nämlich Thomas Paines Common Sense unter dem Titel "Gesunde Vernunft" an die Öffentlichkeit getreten. Schon im Januar 1776 hatte Henrich Miller diese Übersetzung im Staatsboten angekündigt. Bald hatten Steiner und Cist einen erheblichen Anteil an der Unterrichtung der Deutschen über die Angelegenheiten der amerikanischen Patrioten. Von 1776 an haben Steiner und Cist, wie wir aus den Geschäftsbüchern der beiden Parlamente wissen, in erheblichem Umfang sowohl für die Assembly von Pennsylvania wie für den Kongress gedruckt. Als besonders wichtige deutschsprachige Drucke wären hervorzuheben: die Verhandlungen der verfassungsgebenden Versammlung von Pennsylvania von 1776 und ein pro-revolutionärer Aufruf an die Bürger von New York aus dem Jahr 1777. So ist es keine Überraschung, daß Steinen und Cist auch die Unabhängigkeitserklärung in deutscher Sprache gedruckt haben, vermutlich sogar mit öffentlichem Auftrag, worauf ihr Druckprogramm und ihre Geschäftsbeziehungen hinweisen, obwohl ein Nachweis bislang fehlt. Der Einblattdruck aber reiht sich nahtlos ein in den Informationsprozeß für die deutschen Mitbürger der jungen Nation: Am 3. Juli hatte Christoph Sauer in der Germantowner Zeitung den entscheidenden Kongressbeschluß angekündigt: "Gestern hat der Vestländische Congreß die Vereinigten Colonien Freye Unabhängliche Staaten zu seyn erklärt. " Am 5. Juli unterrichtete Henrich Miller die Leser des Staatsboten, daß die Unabhängigkeitserklärung verabschiedet und im Druck sei. Höchstwahrscheinlich am 8. Juli erschien bei Steinen und Cist die deutsche Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung als Einblattdruck, und am 9. Juli erschien sie in Millers Staatsbote. Von den ersten deutschsprachigen Druckwerken der amerikanischen Presse für die Sektierer war es ein langer Weg gewesen. Nun aber konnten die deutschstämmigen Bürger der jungen Vereinigten Staaten in großer Mehrheit, durch eine engagierte deutschsprachige Presse wohl informiert, ihren Beitrag zum Kampf um die Unabhängigkeit leisten.

 

 

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REIMER ECK, Leiter der Fachabteilung Großbritannien und Nordamerika der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, ist Mitherausgeber der Bibliographie the First Century of German Language Printing in the United States of Amerika.

 

 

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