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Wenn die Veranstalter als Amtsinhaber mich hier
sprechen lassen, so vermutlich deshalb, weil ich den Studenten am
9. 10. die Vertrauensfrage gestellt habe. Die Studenten haben mir
ihr Vertrauen ausgesprochen, dafür habe ich viel Kritik erhalten.
Ich fordere
Amtsinhaber auf, sich zu fragen, ob sie sich nicht auch demokratisch
legitimieren lassen. Ich spreche für Studenten und will Vorschläge
aus unserer Hochschule sagen, denn Vertrauen wächst. Wir verfolgen
eine Ermutigungspädagogik anstelle einer Verhinderungspädagogik.
Wir ermutigen Studenten, sich einzumischen ohne Angst und Tabus. Sie
sollen ihr Talent an den Themen und Stoffen entwickeln, die sie wollen.
Ohne Mut und volles Risiko wird es keine Kreativität geben. Demokratie
ernst gemeint heißt: Die Studenten müssen mit ihren Namen
ihr Produkt vertreten. Niemand außer den Studenten selbst hat
das Recht auch nur ein Bild oder ein Wort aus einer Sendung oder einem
Film herauszuschneiden. Der Sinn ist, sie sollen mit Name, mit Adresse
und Gesicht zu ihrem Produkt vor dem Publikum stehen und Zivilcourage
entwickeln.
Wer das
nicht früh lernt, sondern immer mit Berufung auf die bösen
Umstände für Mittelmäßiges sich entschuldigt,
ist keine Bereicherung für unser Fernsehen.
Laßt
uns die Jungen schützen vor einer durchorganisierten Verantwortungslosigkeit,
in der jeder sich auf die Entscheidung des jeweils anderen beruft.
Wenn in den Filmen von Studenten Widersprüche unseres Landes
gestaltet werden, auch unangenehme Tatbestände, dann ist zu berücksichtigen,
nicht der Überbringer schlechter Nachrichten ist zur Verantwortung
zu ziehen, sondern der Verursacher der Zustände. Wir haben keine
verbotenen Filme und vollziehen in dieser Frage keine Wende. Ich fürchte
nicht die unbequemen Studenten, die auf Veränderungen von unannehmbaren
Zuständen drängen, ich fürchte mehr diejenigen, die
sich mit unannehmbaren Zuständen abfinden. Mein Fehler und der
vieler meiner Generation darf nicht wiederholt werden. Wir dürfen
nichts auf die Umstände schieben. Wir müssen die Demokratie
ernst nehmen. Jeder soll für seine Filme und Sendungen selber
einstehen und sie verantworten. Niemand anders als die Produzenten
haben das Schneiderecht; wer an den Filmen und Sendungen der Jugend
herumschneidet, verletzt mit seinen Instrumenten die Augen, das Ohr
und das Empfinden der Jungen.
Wir brauchen
nichts dringender als die unverfälschte Sicht der Jungen. Wenn
unsere Studenten überall filmen, in Leipzig, in Dresden und hier
in Berlin, so bitte ich Sie um Unterstützung.
Den ernsten
Willen zur Demokratie werden die Jungen uns erst dann glauben, wenn
sie unverfälscht das ihre sagen und gestalten können. Meine
Forderungen lauten:
1 . Gebt ihnen die
Chance, ohne Wenn und Aber das Ihre beizutragen zum gesellschaftlichen
Dialog, öffnet ihnen unsere Medien. Die Filme unserer Studenten
muß niemand fürchten, es sind die Filme von engagierten
jungen Leuten, die ihr Land besser haben wollen.
2. Wer die Meinung
und die Vorschläge der Jungen fürchtet, hat Angst vor
seinen eigenen Kindern. An die Stelle des Mißtrauens und der
Verdächtigungen, der Ängstlichkeit und behaupteten Nichtzuständigkeit
muß in den Medien die Bereitschaft treten, die Jungen zu akzeptieren,
zuzuhören und zuzuschauen, was sie uns zu sagen haben, mit
ihnen zu streiten, zu helfen, aus eigenen und aus unseren Fehlern
zu lernen. Den Jungen gehören auch die Produktionsmittel von
Film und Fernsehen. Wer nicht auf die Stimmen der Jungen hört,
hat die Zukunft des Sozialismus schon aufgegeben.
Vorschlag
für die nächste Demonstration: Wir brauchen nicht nur
Lautsprecher, sondern auch Zuhörgeräte.
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