Günter Schabowski
 
 
Funktionär der SED
Chefredakteur des Zentralorgans der SED "Neues Deutschland" (1978-1985)
seit 1985 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin
Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros
 
         
   
Liebe Berlinerinnen und Berliner! Billigen wir einander die Kultur des Dialogs zu! Was bewegt einen Kommunisten in dieser Stunde, im Angesicht und im Blickfeld von Hunderttausenden? Bitteres ist hier gesagt worden. Es geht an unsere, auch an meine Adresse. Nur wer die Mahnung hört und versteht, ist fähig zu neuem Anfang. Wir alle wollen eine DDR, von der jeder sagt: Das ist unser Land! Aus Prag erreichen uns indes wieder bedrückende Nachrichten und Bilder. Viel Mühe wird es kosten, vertanes Vertrauen zurückzugewinnen. Und dennoch, stimmen nicht wir, die wir hier stehen, stimmt nicht das Volk letztlich im Ziel der Erneuerung überein, wenngleic h von unterschiedlichen Ausgangspositionen? Auch zwischen Andersdenkenden müssen die Hürden nicht unüberwindlich sein. Die SED bekennt sich zur Umgestaltung. Das kam spät, aber es ist unwiderruflich. Wir sind gewillt und lernen unverdrossen, mit Widerspruch, mit Pfeffer und Salz zu leben.Und wir werden die Produktivität des Widerspruchs nutzen. Ich will es noch einmal deutlich sagen: Wir sind gewillt, und wir lernen unverdrossen, mit Widerspruch, mit Pfeffer und Salz zu leben. Und wir werden die Produktivität des Widerspruchs nutzen.

Das Zentralkomitee der SED, das am Mittwoch zusammentritt, wird das mit seinem angekündigten Aktionsprogramm meßbar machen. Die Dynamik des Aufbruchs zum Neuen läßt sterilen politischen Nachlaßverwaltern keine Chance. Das ist sicher. Aber ich sage hier offen, ich mag auch nicht die schnellen Scheiterhaufen, auf denen manche alles brennen sehen wollen, was an unbestreitbaren Leistungen in vergangenen Jahrzehnten vom Volk vollbracht wurde. Auch ich wende mich an die Initiatoren und die Organisatoren dieser Kundgebung und bezeuge ihnen meinen Respekt, den Künstlern, den Schriftstellern, den Kulturschaffenden. Wir müssen heute sagen, mit ihrem wachen Gespür für die Stimmung des Volkes haben sie gesellschaftliches Bewußtsein befördert. Sie haben Wichtiges für die politische Gesundheit unseres Landes getan. Liebe Berliner, uns macht hoffnungsvoll der Schulterschluß zwischen Krenz und Gorbatschow! Ich spreche eine Uraltlosung aus: Vorwärts im festen Bund mit unseren sowjetischen Freunden. Gut, wie die neue neue Zeit auch strapazierten Worten Aufrichtigkeit und neuen Sinn verleiht. Das Begonnene ist unumkehrbar, Regen wir heute die Hände für unser Land, für einen Sozialismus, der stark macht, weil die Menschen ihn wollen!