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Themenbereich 'Sterilisierung und Krankenmordaktionen'

Verstrickung 1933 - 1945

 

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde von einer großen Mehrheit der Inneren Mission, die auf einen 'sittlichen und nationalen Wiederaufstieg' Deutschlands hoffte, freudig begrüßt. Auch die 'Deutschen Christen', die nationalsozialistische Kirchenpartei, übte auf viele eine starke Anziehungskraft aus. Im Central-Ausschuß hatte sie bald maßgeblichen Einfluß.
Die 'Nationalsozialistische Volkswohlfahrt' (NSV) strebte eine Gleichschaltung der 'Liga der Freien Wohlfahrtspflege' an. Sie wollte den Erziehungs- und Vorsorgebereich allein betreuen und den konfessionellen Verbänden lediglich die Alten- und Schwerstbehindertenpflege überlassen.

Konflikterfahrungen wie diese und die Erkenntnis, daß der Nationalsozialismus die Kirche zunehmend aus der Öffentlichkeit verdrängen wollte, veranlaßten viele Kirchenleute, ihre Haltung zum Regime zu überdenken. So trat im Oktober 1934 erstmals die 'Arbeitsgemeinschaft der missionarischen und diakonischen Werke und Verbände' zusammen, die der NS-kritischen 'Bekennenden Kirche' nahestand. 1938 nahm die 'Kirchliche Hilfsstelle für evangelische Nichtarier' (Büro Pfarrer Grüber), die getaufte Juden unterstützte, ihre Tätigkeit auf. Die Verfolgung der Juden nahm die protestantische Kirche, von Ausnahmen wie dieser abgesehen, ohne hörbare Proteste hin.
Schon seit Mitte der zwanziger Jahre hatten sich Vertreter der Inneren Mission an der Diskussion um Erbgesundheit und Eugenik beteiligt. Sie bejahten die Sterilisation als sozialfürsorgerische Zwangsmaßnahme. Diese Position verstellte ihnen zunächst den Blick auf die Unmenschlichkeit der nationalsozialistischen Erbgesundheitspolitik. Zustimmend beteiligten sich auch evangelische Krankenhäuser an der Umsetzung des 'Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses' von 1933. In den Jahren 1934 bis 1939 wurden in Deutschland insgesamt etwa 350.000 Menschen zwangssterilisiert, Tausende davon in Einrichtungen der Inneren Mission.

Als bald nach Kriegsbeginn auf Anordnung Adolf Hitlers mit der systematischen Tötung behinderter Menschen in sechs staatlichen Anstalten (u.a. in der beschlagnahmten, ehemals evangelischen Einrichtung Grafeneck in Württemberg) begonnen wurde, änderte sich die bejahende Haltung der Inneren Mission zu den "rassehygienischen" Maßnahmen der Regierung.
Die Vertreter der Inneren Mission, einig in der Ablehnung der Krankenmorde, versuchten nun, ihre Staatsloyalität und eine verzögernde Verweigerung bei der Verlegung der Kranken in die staatlichen Anstalten in Einklang zu bringen. Dabei zeigten einige Anstaltsleiter großen Mut und Entschlossenheit, ihre Schutzbefohlenen vor dem Tod zu retten. Bekannt wurden die Denkschrift von Paul Gerhard Braune an Hitler und die Weigerung Friedrich von Bodelschwinghs d.J., die Meldebogen für viele Betroffene in Bethel auszufüllen.
Bei den nationalsozialistischen "Aktionen" zur "Vernichtung lebensunwerten Lebens" wurden in den Jahren 1939 bis 1945 mindestens 150.000 behinderte Menschen ermordet, davon schätzungsweise 10.000 Menschen aus Einrichtungen der Inneren Mission.