Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Geschichtswissenschaften
Neueste Geschichte
Dr. des. Kiran Klaus
Patel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum
(DHM, Brigitte Vogel und Stefan Bresky, Museumspädagogik)
Wintersemester 2001/2, Mi 14-16 Uhr, Raum 3015
Die Vernichtung der
europäischen Juden als Thema der Geschichtswissenschaft und
einer Ausstellung des DHMs
Einleitung:
Am 20. Januar 2002 jährt sich die Wannseekonferenz
zum 60. Mal. Das ist Anlass für das Deutsche Historische Museum,
die Ausstellung "Holocaust - der nationalsozialistische Völkermord
und die Motive seiner Erinnerung" zu zeigen.
Im Rahmen der Übung sollen die drei Themenfelder Geschichte,
Institution Museum und Medium Ausstellung im Zusammenhang betrachtet
werden, wobei den Studierenden Einblick in die Vorbereitung und
die Produktion der Ausstellung ermöglicht werden soll.
Geschichte
In der deutschen Geschichtswissenschaft nehmen die Themen Antisemitismus
und Holocaust heute eine zentrale Stellung ein. Das war aber nicht
immer so. Erst nach dem Prozess gegen Adolf Eichmann, dem zentralen
Organisator der Deportation von über drei Millionen Juden,
in Israel 1961 und dem Frankfurter Auschwitz-Prozess zwei Jahre
später begannen westdeutsche Historiker, sich intensiver mit
dem Holocaust zu beschäftigen. Allerdings stießen ihre
Ergebnisse in der Bevölkerung zunächst nur auf geringes
Echo. Erst die amerikanische Fernsehserie "Holocaust",
die 1979 in der Bundesrepublik ausgestrahlt wurde, bewirkte in der
westdeutschen Öffentlichkeit einen Bewusstseinswandel. In der
DDR wurde die Geschichte der Judenverfolgung vor den 1960er Jahren
ebenfalls kaum erforscht. In den Folgejahrzehnten bis 1989 widmeten
sich nur wenige Arbeiten dem Thema, da aufgrund der marxistisch-leninistischen
Geschichtskonzeption der Rassenhass unter den Schlagworten Klassenkampf
und Imperialismus subsumiert wurde. Insgesamt prägten deswegen
lange Zeit nichtdeutsche Historiker die Forschung, zunächst
besonders jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
aus Israel und den USA.
Wenn heute dagegen die Geschichte der Ermordung der europäischen
Juden in vielen westlichen Ländern zu einem wesentlichen Element
des Unterrichtskanons geworden ist, wenn immer wieder Stimmen laut
werden, die von einem regelrechten "holocaust business"
sprechen, und wenn die deutsche Öffentlichkeit mittlerweile
für die Geschichte des Antisemitismus und des Holocaust sensibilisiert
ist, so handelt es sich um eine neuere Entwicklung.
Museum und Ausstellung
Grundlage jeglicher Museumsarbeit sind die Aufgabenfelder Sammeln,
Bewahren, Erforschen, Ausstellen und Vermitteln. Das letztgenannte
Aufgabenfeld verdeutlicht den Bedeutungswandel der Institution Museum.
Noch bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts waren Museen vor
allem ein Hort der Hochkultur und erinnerten damit deutlich an den
Kontext der Gründung vieler Sammlungen und Ausstellungsorte
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Unterschied
zu den Kunstmuseen, die sich der ästhetischen Bildung ihres
Publikums und der Förderung des Kunstsinns widmeten, kam den
historischen Museen die Aufgabe zu, die Präsentation von Zeugnissen
der nationalen Geschichte mit einer staatskundlich motivierten Pädagogik
zu verbinden. Seit den 1970er Jahren versuchten die Museen, sich
in das Gesamtsystem eines demokratischen Kultur- und Bildungssystems
einzuordnen. Fortschrittlich gesonnene Museen gründeten museumspädagogische
Abteilungen und suchten über Bildungs- und Vermittlungsangebote
den direkten Kontakt zu ihrem Publikum. Leitbild ist dabei das "Geschichtsmuseum
als ein interaktives Medium für historische Inhalte",
in dem die Besucher nicht isoliert vor ihrem Fernseher oder ihrer
Zeitung sitzen, sondern in Kontakt mit anderen Besuchern kommen.
Neben der Interpretation von Artefakten, der personalen und medialen
Vermittlung von Museumsinhalten stellt sich den Museumspädagogen
am Anfang des 21. Jahrhunderts zusätzlich noch eine weitere
Aufgabe: Museen stehen nun in unmittelbarer Konkurrenz zu zahlreichen
privaten Anbietern von Kultur-, Bildungs-, Unterhaltungs- und Freizeiterlebnissen.
Aufgrund dieser Situation gilt es die Besucherorientierung des Museums
zu stärken.
Gliederung der Übung
Aus der Perspektive der Universität zeichnet sich diese Übung
dadurch aus, dass sie anders als die meisten anderen Veranstaltungen
nicht nur um die wissenschaftlich-inhaltliche Erarbeitung eines
historischen Themas kreist. Vielmehr hat sie auch eine berufsorientierende
Funktion, da in ihr die Arbeit eines der wichtigsten deutschen historischen
Museen vorgestellt wird. Durch verschiedene Arbeitsaufträge
erhalten die Studierenden zugleich die Möglichkeit, selbst
einen kleinen Beitrag zum Rahmenprogramm der Ausstellung anzufertigen.
Deswegen handelt es sich um eine Veranstaltung mit "Praxisbezug".
Die besonderen Herausforderungen, die die Vermittlung komplexer
- und im Fall der Shoa auch emotional belastender und politisch
hochrelevanter - historischer Zusammenhänge an ein breites
Publikum darstellt, sollen hier am Beispiel diskutiert werden.
Die Veranstaltung gliedert sich in mehrere Teile. Nach zwei Sitzungen,
die sich organisatorischen Fragen widmen, beschäftigen sich
drei Sitzungen mit dem Thema Holocaust aus geschichtswissenschaftlicher
Perspektive. Analysiert und diskutiert werden Ablauf, Inhalt und
Bedeutung der Wannsee-Konferenz, die den Anlass für die Ausstellung
des DHMs darstellt. Anhand dieses Einzelereignisses werden zentrale
Probleme der Holocaustforschung - etwa die Frage, ob es einen zentralen
Befehl Hitlers zum Genozid gab - erörtert. Diese und die weiteren
Sitzungen der Übung werden fortlaufend von Studierenden protokolliert.
Die Protokolle sind auf diesen Internetseiten einsehbar.
An diesen ersten Teil der Übung schließt sich eine allgemeine
Einführung in die praktische Arbeit der Museumsdidaktik/Museumspädagogik
an, die ergänzt wird durch Begegnungen mit den für das
Sonderausstellungsprojekt verantwortlichen Mitarbeitern aus den
Bereichen Wissenschaft, Präsentation und Vermittlung. Dieser
Teil der Übung soll Anforderungsprofile der Arbeitswelt Museum
vorstellen und Einblick in ein potentielles Berufsfeld für
Historiker, Kunsthistoriker, Pädagogen, Grafiker und Multimediaspezialisten
bieten.
Semesterbegleitend erarbeitet ein Teil der Studierenden außerdem
kurze Texte, die demnächst auf dieser Web-Page publiziert werden.
Darin werden unterschiedliche Umgangsformen mit dem Thema Holocaust
vorgestellt und diskutiert, zum Beispiel Memoiren von Überlebenden
oder Gedenkstätten in und um Berlin.
Abschluss der Übung wird ein Zeitzeugengespräch im Februar
2002 sein, zu dem alle Interessierten herzlich in den Ausstellungsort
Kronprinzenpalais/DHM (Unter den Linden 3) eingeladen sind. Nähere
Informationen zu der Veranstaltung werden demnächst auf dieser
Web-Seite zur Verfügung gestellt.
Die Leiter der Veranstaltung:
Bresky, Stefan. Geb. 1968, Studium Geschichte/Kunstgeschichte/Linguistik
an den Berliner Universitäten. Seit 1999 als freier Mitarbeiter
für den Bereich Museumspädagogik am Deutschen Historischen
Museum tätig. Veröffentlichungen: Paper, People, Press,
Hamburg 2000 (EXPO 2000 Projekt); CD-ROM: Hip-Hop, Cola, Grundgesetz.
Eine Zeitreise für Kinder durch 50 Jahre deutscher Geschichte
(1949-1999), Berlin 2000; Spurensuche. Eine Zeitreise mit Bonifax
ins Jahr 1000, Aachen 2001.
Dr.
des. Kiran Klaus Patel. Geb. 1971, Studium Geschichte/Anglistik
in Freiburg i. Br. und an den Berliner Universitäten. Seit
2000 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtswissenschaften
der Humboldt-Universität zu Berlin. Dissertation: "Soldaten
der Arbeit". Arbeitsdienste in Deutschland und den USA, 1933-1939/42
(noch nicht publiziert; Berlin 2001) sowie Aufsätze zur Geschichte
des Nationalsozialismus, des New Deal und den deutsch-amerikanischen
Beziehungen in den 1930er Jahren.
Weitere Informationen unter www.kpatel.de
Vogel, Brigitte. Geb. 1961, Studium Geschichte/Kunstgeschichte
und Germanistik in Innsbruck/Wien/Berlin. Wissenschaftliche Mitarbeiterin
im Deutschen Historischen Museum (1996/97 Ausstellungsvorbereitung)
und freie Mitarbeiterin im Bereich Museumspädagogik (seit 1999).
Veröffentlichungen: CD-ROM: Hip-Hop, Cola, Grundgesetz. Eine
Zeitreise für Kinder durch 50 Jahre deutscher Geschichte (1949-1999),
Berlin 2000; Spurensuche. Eine Zeitreise mit Bonifax ins Jahr 1000,
Aachen 2001.
Weitere Informationen unter:
http://www.geschichte.hu-berlin.de
http://www.dhm.de/ausstellungen/ungerer/schule.htm
http://www.dhm.de/ausstellungen/inri/schule.htm
http://www.dhm.de/ausstellungen/weimar/schule.htm
http://www.dhm.de/ausstellungen/salgado/SALGADO-Lehrermaterial.PDF
http://www.dhm.de/cdrom
Hinweis:
Abschluss der Übung wird ein Zeitzeugengespräch
sein, zu dem alle Interessierten herzlich eingeladen sind.
Zeit: 14. Februar 2002 um 19 Uhr
Ort: DHM im Kronprinzenpalais, Unter den Linden 3, 10117 Berlin
Anmeldung ist erforderlich unter:
e-mail: fuehrung@dhm.de oder Tel: 030-20 30 4-411
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