Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Geschichtswissenschaften
Neueste Geschichte
Dr. des. Kiran Klaus Patel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM, Brigitte Vogel und Stefan Bresky, Museumspädagogik)
Wintersemester 2001/2, Mi 14-16 Uhr, Raum 3015

 

Die Vernichtung der europäischen Juden
als Thema der Geschichtswissenschaft und einer Ausstellung des DHM

 

Protokoll der 10. Sitzung vom 14.12. 2001


In dieser Sitzung besuchten wir die Dauerausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz. Herr Dr. Wolf Kaiser, Leiter der pädagogischen Abteilung der Gedenk-und Bildungsstätte, führte uns durch die Ausstellung und stellte uns die pädagogische Konzeption des Hauses vor.
Das Ziel der Exkursion war, in vergleichender Perspektive zu untersuchen, wie am authentischen Ort mit der Wannsee-Konferenz umgegangen wird und welche Unterschiede zur Ausstellung im DHM bestehen.


Die Ausstellung:
Im Erdgeschoß der Villa befindet sich die ständige Ausstellung "Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden", die nicht nur die Konferenz vom 20. Januar 1942 dokumentiert, sondern auch die Vorgeschichte ab 1933 und die Folgen bis 1945. Die chronologisch aufgebaute Ausstellung besteht aus Reproduktionen von Fotos und Dokumenten mit kommentierenden Texten. Die Ausstellungsräume haben jeweils einen thematischen Schwerpunkt, in denen der Leidensweg der Opfer nachgezeichnet wird. Das ehemalige Speisezimmer der Villa, der Ort der Konferenz, bildet das Zentrum der Ausstellung. Hier werden die Besucher über die Teilnehmer und den Inhalt der Konferenz informiert.
Die auf den Ausstellungstafeln zu sehenden Fotografien stammen bis auf wenige Ausnahmen von den Tätern. Um jedoch die Opferseite in den Mittelpunkt zu rücken, entschieden sich die Ausstellungsmacher für eine besondere Darstellungstechnik: Aus den ursprünglichen Fotoaufnahmen wurden beispielsweise Randbereiche entfernt, um ausgesuchte Ausschnitte und die Individualität der Opfer hervorzuheben.

Grundprinzipien der Ausstellung:
1. Ein Prinzip der Arbeit ist es, den historischen Ort der Wannsee-Konferenz nur mit den zusammenhängenden Ereignissen zu verknüpfen und das hervorzuheben, was nur an diesem authentischen Platz gezeigt werden kann. Bauliche Veränderungen wurden daher nicht vorgenommen, so dass das ursprüngliche Bild des Hauses erhalten bleibt. Um keine falschen Assoziationen bei den Besuchern zu erzeugen, wurden nur einwandfrei belegbare Rauminhalte aufgenommen. Die Ausstellung wird dem historischen Geschehen gerecht, wobei die Verbindung von der Schönheit des Ortes und der Grausamkeit der Konferenz gelungen ist.
2. Die Ausstellung vertritt einen eher emotional geprägten Zugang, was u.a. in der Anordnung der Fotos und der sparsamen Verwendung von Texten zum Ausdruck kommt. Zudem wird in der Dauerausstellung Wert auf die Ruhe in der äusseren Präsentation gelegt, um die Atmosphäre des Hauses nicht zu überlagern. Auf ein Audioguide-System wurde verzichtet, da ein persönliches Betreuungskonzept favorisiert wird, über das der Diskussionsbedarf gedeckt werden kann.
3. Die Gedenk- und Bildungsstätte versucht in ihrer Arbeit, den aktuellen Forschungsstand, gerade in bezug auf die Bedeutung der Wannsee-Konferenz, zu präsentieren. Aber auch an laufenden Diskussionen wird teilgenommen, wie die durch die Wehrmachtsausstellung aufgeworfene Frage nach dem Umgang mit Fotos als historischer Quelle.


Die pädagogische Arbeit:
Das Haus der Wannseekonferenz bietet Jugend- und Erwachsenengruppen interessens- und berufsspezifische Studientage oder mehrtägige Seminare zur schulischen und außer-schulischen politischen Bildung an. Der Umgang mit Geschichte wird in der Gedenk- und Bildungsstätte als ein aktiver Prozess verstanden. Die wichtigsten Methoden sind das Gespräch, Gruppenarbeit, eigenverantwortliches Lernen anhand von Dokumenten und autobiographischen Zeugnissen sowie Gespräche mit Zeitzeugen.
Im Bereich der Schülerarbeit gibt es die Möglichkeit einer allgemeinen Führung, die von Mitarbeitern der pädagogischen Abteilung durchgeführt wird, oder die Arbeit in Kleingruppen, bei denen die Ergebnisse in Form einer wechselseitigen Führung durch die Schüler präsentiert werden. Für die Seminartage steht ein breites Themenangebot zur Auswahl.
Im Bereich der Erwachsenenbildung werden vor allem berufsspezifische Seminare angeboten. Hier wird die Geschichte und das Verhalten der jeweiligen Berufsgruppe in der NS-Zeit untersucht. Damit wird einerseits der Zugang zum historischen Geschehen erleichtert und andererseits ergeben sich Anknüpfungspunkte an aktuelle Diskussionen, z.B. zur Gentechnik.

Die pädagogische Arbeit orientiert sich an folgenden Grundsätzen:
Die Vermittlungsarbeit möchte zur kritischen und sensiblen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte anregen. Dabei wird besonders auf die Einmaligkeit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik hingewiesen, ohne jedoch in eine moralisierende Darstellung zu verfallen.
Durch die Abstimmung der Angebote auf die unterschiedlichen Interessen, Bedürfnisse und Vorkenntnisse der einzelnen Gruppen soll jedem Besucher ein eigener Zugang zum Thema ermöglicht werden.
Es werden Kontinuitätslinien und Brüche zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart herausgearbeitet. Zudem wird die Shoah in Beziehung gesetzt zu aktuellen Fragen nach Gleichberechtigung, Diskriminierung und Gewalt, um dem Einzelnen Handlungsspielräume aufzuzeigen und Handlungsorientierung anzubieten.

Weiterführende Literatur:

EHMANN, Annegret, Thesen zur pädagogischen Arbeit in der Gedenkstätte Haus der
Wannsee-Konferenz, in:Bernd Faulenbach/Franz-Josef Jelich (Hrsg.), Reaktionäre
Modernität und Völkermord. Probleme des Umgangs mit der NS-Zeit in Museen,
Ausstellungen und Gedenkstätten, Münster 1994, S.137-142.


Esme Caubo/Anne-Christin Saß


 


 

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