Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Geschichtswissenschaften
Neueste Geschichte
Dr. des. Kiran Klaus Patel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM, Brigitte Vogel und Stefan Bresky, Museumspädagogik)
Wintersemester 2001/2, Mi 14-16 Uhr, Raum 3015

 

Die Vernichtung der europäischen Juden
als Thema der Geschichtswissenschaft und einer Ausstellung des DHM

 

Protokoll der 11. Sitzung vom 19.12. 2001

Während dieser Sitzung trafen wir uns mit dem Ausstellungsarchitekten des DHM, Herrn Werner Schulte, der uns durch die Räume im Kronprinzenpalais führte und uns die gestalterische Umsetzung des Ausstellungskonzeptes vorstellte. Zum Zeitpunkt unseres Besuches befand sich die Ausstellung in der intensiven Vorbereitungsphase: Die Umbauarbeiten an der Ausstellungsarchitektur in den Themenräumen waren weitgehend abgeschlossen, der endgültige Farbanstrich aufgebracht, aber die Objekte noch nicht aufgestellt. Beim Rundgang wurde deutlich, daß die Architektur einer Museumsausstellung, d.h. die Positionierung der einzelnen Objekte, entscheidend ist für deren Wirkung und Erfolg.

Der erste Teil der Sonderausstellung befindet sich in der 1. Etage des Gebäudes. Dort stehen vier Räume zur Verfügung, in denen anhand von Fotos, Dokumenten und Originalobjekten die Geschichte des nationalsozialistischen Völkermords in chronologischer Reihenfolge nachgezeichnet wird. Die Räume sind jeweils einem der vier Themenschwerpunkte zugeordnet. So zeigt der erste Raum die Emanzipation und Assimilation der in Deutschland lebenden Juden, aber auch den zunehmenden Antisemitismus zur Zeit der Weimarer Republik. Daran anschließend wird die nationalsozialistische Diskriminierungs- und Verfolgungspolitik bis hin zur Vernichtung der europäischen Juden dokumentiert.
Im zweiten Stockwerk ist der zweite Teil der Sonderausstellung zu sehen, der sich mit den Motiven der Erinnerung beschäftigt. Der erste Raum zeigt den Umgang mit dem Holocaust nach 1945 in Deutschland. Im zweiten Raum werden das Museum Auschwitz-Birkenau (Polen), die Gedenkstätte Yad Vashem (Israel) und das United States Holocaust Memorial Museum (USA) mit ihrer unterschiedlichen Arbeit vorgestellt.

Im Gespräch mit Herrn Schulte wurden besonders zwei Fragen diskutiert, die für die Umsetzung einer Ausstellung von großer Bedeutung sind. Die erste Frage beschäftigte sich mit den Räumlichkeiten, die für die Sonderausstellung zur Verfügung stehen. Das Kronprinzenpalais ist nicht als Ausstellungsgebäude geplant worden und steht dem DHM auch nur bis zur Fertigstellung des neuen Wechselausstellungsgebäudes zur Verfügung. Da das Kronprinzenpalais im ursprünglichen Zustand zurückgegeben werden muss, ist es nicht erlaubt, bauliche Veränderungen vorzunehmen. Damit ist die Ausstellungsarbeit grundsätzlichen Einschränkungen unterworfen. So ist es beispielsweise schwierig, eine optimale Ausleuchtung der einzelnen Objekte zu erreichen, weil die Räume zu niedrig sind (die normale Höhe für Ausstellungsräume beträgt 5 Meter). Eine wichtige Aufgabe des Ausstellungsarchitekten besteht darin, die Objekte richtig zu plazieren. In dieser Ausstellung werden insgesamt 1200 Objekte gezeigt, unter denen sich viele Originale und Leihgaben befinden, die bestimmten Sicherheitsvorkehrungen unterliegen.
Die Raumaufteilung durch Stellwände, Farb- und Lichteffekte sind die wesentlichen Elemente, mit denen der Ausstellungsmacher arbeitet. Die ersten vier Räume wurden in Farbabstufungen von hellgrau bis dunkelgrau gegliedert, um den Schrecken der Judenvernichtung darzustellen. Dagegen sind die Räume in der zweiten Etage in unterschiedlichen, hellen Farben gehalten, um die Gleichrangigkeit der einzelnen Themen zu verdeutlichen.
Da in der Planungsphase die Positionierung der Stellwände und die Anordnung der Objekte im Raum schwer vorzustellen ist, wird im DHM mit einem dreidimensionalem Modell im Maßstab 1:20 gearbeitet. Das ermöglicht den Mitarbeitern, verschiedene Ideen auszuprobieren und in enger Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern endgültige Entscheidungen zu treffen.

Zum Zweiten beschäftigten wir uns mit der Form der Vermittlung. Wie schon in der 8. Sitzung angesprochen, ging es um die Frage eines emotionalen oder rationalen Zugangs. In der Diskussion wurde deutlich, daß es sich bei dieser Ausstellung im wesentlichen um eine rationale Darstellungsform handelt. Der nationalsozialistische Völkermord wird chronologisch dokumentiert, und auch der zweite Teil, die Darstellung des Umgangs mit dem Holocaust, ist in erster Linie auf Wissensvermittlung angelegt. Es gibt nur eine größere Inszenierung in der Ausstellung, den Raum der Wannsee-Konferenz. Anfänglich gab es die Idee, diesen Ort als eine Art 'Spiegelraum' zu gestalten, in dem dem Besucher die Möglichkeit gegeben wird, nachzudenken, wie er sich auf der Wannsee-Konferenz verhalten hätte. Diese Idee wurde jedoch nach mehreren Diskussionen verworfen.
Der Vorteil des rationalen Zugangs und des chronologischen Aufbaus liegt darin, dass viele Ereignisse ausführlich dokumentiert werden können. Der Nachteil ist jedoch, dass einige Ereignisse inhaltlich zerrissen werden und in der zweiten Etage beispielsweise Kunstobjekte neben Prozessdokumenten zu sehen sind. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass eine chronologische Darstellung immer einen gewissen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und so eine Fülle von Objekten auf sehr engem Raum gezeigt werden.


Esme Caubo/Anne-Christin Saß


 


 

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