Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Geschichtswissenschaften
Neueste Geschichte
Dr. des. Kiran Klaus
Patel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum
(DHM, Brigitte Vogel und Stefan Bresky, Museumspädagogik)
Wintersemester 2001/2, Mi 14-16 Uhr, Raum 3015
Die
Vernichtung der europäischen Juden
als Thema der Geschichtswissenschaft und einer Ausstellung des DHM
Protokoll für die 15. Sitzung
vom 30.01.2002
Während dieser Sitzung trafen wir uns zu
einem Rundgang durch die laufende Sonderausstellung "Holocaust
- Der nationalsozialistische Völkermord und die Motive seiner
Erinnerung" im Kronprinzenpalais. Unsere Gruppe wurde geführt
vom Projektleiter der Ausstellung, Herrn Dr. Burkhard Asmuss, der
im DHM als Sammlungsleiter für die Zeit der Weimarer Republik
und des Nationalsozialismus tätig ist.
Im Gespräch wurde zum einen die Umsetzung des
Ausstellungskonzepts diskutiert, wobei besonders die Vorstellungen
der Ausstellungsmacher thematisiert wurden. Zum anderen wurden die
ersten Eindrücke und Reaktionen von Besuchern und Presse erörtert.
Als Anlass für die Ausstellung betont Herr Asmuss zwei Daten:
den 60. Jahrestag der Wannseekonferenz und die zunehmende Zahl rechtsradikaler
Übergriffe. Entscheidend für die Perspektive der Ausstellung
war das Interesse, eine umfassende Darstellung des nationalsozialistischen
Völkermords zu erarbeiten. Die Geschichte des Holocaust ist
auch immer die Geschichte der Opfer, die in dieser Ausstellung anhand
der Objekte, die teilweise ganz private Erinnerungsstücke sind,
erzählt wird. Abgesehen von der Darstellung von Täterdokumenten
wird in der Ausstellung die Täterperspektive bewußt in
den Hintergrund gestellt, da dies für die Darstellung des Holocaust
nach Herrn Asmuss nicht zwingend notwendig sei. Ein weiterer Grund
ist die Wehrmachtsausstellung, die vom 28.11.2001 - 13.01 2002 in
Berlin gezeigt wurde und die sich bereits intensiv mit der Täterproblematik
auseinandersetzt. Auf die Frage, ob es einen spezifisch deutschen
Aspekt in der Darstellungsform gibt, weist Herr Asmuss einerseits
auf die differenzierte Beschreibung der Entwicklung seit dem 1.
Weltkrieg hin und andererseits stellt er die Behutsamkeit beim Blick
auf die Opfer heraus, die die gesamte Ausstellung durchzieht.
Beim Rundgang wurde festgestellt, dass sich die Ausstellung durch
eine zurückhaltende Kommentierung auszeichnet. In den einzelnen
Räumen gibt es drei Arten von Begleittexten: 1. Raumtext: kurze
Einleitung zum Thema des Raumes, z.B. Integration und Antisemitismus
in Deutschland; 2. Gruppentext: enthält Informationen über
einen kleineren Themenbereich, z.B. den politischen Aufstieg der
NSDAP; 3. Objektbeschriftung. Zusätzlich hat der Besucher die
Möglichkeit, sich die Ausstellung mithilfe eines Audio-Guides
zu erarbeiten. Diese Führung gibt es in einer Kurzfassung (1,5
Stunden) und in einer ausführlicheren Version, die Interviews
und weiterführende Informationen beinhaltet (5 Stunden).
Entgegen der Meinung vieler Rezensenten, dass die Objekte in der
Ausstellung nur gezeigt werden und bis auf den Raum der Wannsee-
Konferenz auf eine Inszenierung verzichtet wird, versteht Herr Asmuss
schon die Anordnung der Stellwände und der einzelnen Objekte
als eine Art Inszenierung. So ist auch das Auschwitz- Modell nicht
nur ein bloßes Objekt, sondern eine bildhafte und inszenierte
Darstellung des Vernichtungslagers. Dieses Modell wirft die grundsätzliche
Frage auf, ob es überhaupt eine angemessene Art gibt, den Holocaust
zu bebildern, oder ob nicht diese Art von Darstellung eine Verharmlosung
mit sich bringt.
Eine andere Überlegung in Richtung einer Inszenierung war die
Idee, für die Dauer der Ausstellung einen Güterwaggon
vor dem Kronprinzenpalais zu plazieren, was aber vom Grünflächenamt
nicht genehmigt wurde.
Die ersten Wochen seit der Ausstellungseröffnung
haben gezeigt, dass sich die meisten Besucher relativ lange im Museum
aufhalten. Im Durchschnitt dauert der Besuch einer Sonderausstellung
im DHM 1,5 Stunden. Bei dieser Ausstellung bleiben viele Besucher
über 3 Stunden, wobei vorwiegend nur die erste Ausstellungsebene
über den Holocaust angesehen wird. Die bisherigen Eintragungen
ins Gästebuch zeigen, das die Gegenüberstellung von Dokumenten
der Täter und den teilweise sehr persönlichen Zeugnissen
der Opfer als sehr eindrücklich empfunden wird. Dies liegt
nicht zuletzt an der sparsamen Kommentierung, die auf Moralisierung
verzichtet und damit die eigene Auseinandersetzung mit den Objekten
ermöglicht.
Daran anschließend wurde die grundsätzliche Frage diskutiert,
was ein Besucher nach dem Rundgang durch eine Ausstellung mitnimmt.
Schnell wurde deutlich, dass es eine Illusion ist, anzunehmen, dass
der Besucher die Überlegungen der Ausstellungsmacher vollständig
nachvollziehen muss. Vielmehr geht es darum, den Besucher zur eigenständigen
Auseinandersetzung mit dem Thema anzuregen. Ob dieses Vorhaben gelungen
ist, kann erst am Ende der Ausstellung beantwortet werden.
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