Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Geschichtswissenschaften
Neueste Geschichte
Dr. des. Kiran Klaus Patel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM, Brigitte Vogel und Stefan Bresky, Museumspädagogik)
Wintersemester 2001/2, Mi 14-16 Uhr, Raum 3015

 

Die Vernichtung der europäischen Juden
als Thema der Geschichtswissenschaft und einer Ausstellung des DHM

 

Protokoll der 9. Sitzung vom 12.12. 2001



In dieser Sitzung haben wir uns den Film 'Conspiracy' angesehen, eine Co-Produktion der BBC und des US-Amerikanischen History Channel, die Anfang 2002 erstmalig in den USA ausgestrahlt wird. Dieser Film stellt die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 dar. Bei der sich anschließenden Diskussion wurden erste Eindrücke gesammelt und die Aussage des Films diskutiert.


1.) Zu welchem Genre gehört dieser Film?
Bei dieser Filmproduktion handelt es sich nicht um eine dokumentarische Darstellung der Ereignisse der Wannsee-Konferenz. Dafür enthält der Film zu viele fiktive und klischeehafte Elemente, auch gibt es an keiner Stelle Rückblenden auf Orginaldokumente. 'Conspiracy' ist ein fiktiver Film, der auf Quellenmaterial beruht, sich aber nicht nur an die Quellen hält.
Aufgrund der scheinbaren optischen Authenzität, die sich u.a. in der Kostümierung wiederspiegelt, und aufgrund der popularisierenden Darstellung lässt sich 'Conspiracy' dem Genre des Historienfilms zuordnen. Authentisch wird der Film auch wegen der bewußten Verwendung von Außenaufnahmen am Originalschauplatz. Eine Diskussionsteilnehmerin wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Film viele Details der Kostümierung nicht exakt wiedergibt und daher im Gesamteindruck nicht ganz stimmig wirkt.
Die Einheit von Handlung, Ort und Zeit, die mit einer klassischen Dramaturgie verbunden wurde, hat zur Folge, dass langfristige historische Prozesse verkürzt und in die Handlung von einzelnen Personen umgesetzt werden. So nimmt beispielsweise Wilhelm Stuckart, Staatssekretär im Reichsministerium des Inneren, im Film eine gewichtige Gegenposition zu Heydrich ein. Damit werden die Machtkonflikte zwischen den einzelnen Ministerien personifiziert. Um den Spannungsbogen des Films zu erhalten, wurden einige Szenen eingespielt, für die sich keine Quellenbelege finden lassen, wie Zwischengespräche in den Pausen, in denen angebliche Meinungsverschiedenheiten unter vier Augen geklärt werden. Das vermittelt den Eindruck, als ob es auf der Wannsee-Konferenz ernstzunehmenden Widerstand gegenüber der "Endlösung der Juden" gegeben habe. Daran wird deutlich, dass 'Conspiracy' den Stand der Wissenschaft nicht exakt wiedergibt und ihm teilweise sogar widerspricht.


2.) Was ist die Kernaussage des Films in bezug auf die Wannsee-Konferenz?
Der Film wird von einem Erzähler mit einem kurzen Blick auf die Kriegslage eingeleitet und der Bemerkung, dass die Wannsee-Konferenz in zwei Stunden die Welt verändert habe: "In two hours, these men changed the world forever." Diese reißerische These wird im weiteren Verlauf des Films nicht bestätigt. Denn im Einklang mit der Forschung zeigt der Film, dass auf der Wannsee-Konferenz nicht der Beschluß gefasst wurde, die europäischen Juden zu vernichten. Vielmehr wurden die bisherigen Tötungsaktionen koordiniert. Reinhard Heydrich sicherte seine Vormachtsstellung als Chef des Reichssicherheitshauptamtes.
Der Film versucht durch die Rekonstruktion des historischen Ortes und die sehr bewußte Auswahl der Schauspieler, den Rahmen und die Atmosphäre der Konferenz wiederzugeben. So wird Reinhard Heydrich mithilfe von Klischees (blondierte Haare, dominantes Auftreten) dargestellt. Seine hervorgehobene Position wird durch die Kameraführung verstärkt (aus der Froschperspektive gefilmt). Ein weiterer Eindruck war, dass Heydrich in konzentrierter Form das Böse und Diabolische verkörpert und somit als eine Art "Ersatz-Hitler" fungiert. Von einigen Diskussionsteilnehmern wurde die Personifizierung der Institutionen und Konflikte als Stärke des Films gewertet, weil dadurch die komplexe Geschichte der Wannsee-Konferenz für den Zuschauer verständlicher würde.


3.) Welche Wirkung wird 'Conspiracy' auf das Publikum haben?
Bei der Beantwortung dieser Frage wurde zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Publikum unterschieden. Zuerst wurde überlegt, dass der Film vermutlich nur von einem kleinen Teil der amerikanischen Bevölkerung gesehen wird, da er auf dem History Channel, einem Pay-TV Sender, ausgestrahlt wird. Für die Wirkung auf das amerikanische Publikum wurde gemutmaßt, dass 'Conspiracy' einerseits vorhandene Klischees bestätigen wird. Andererseits könnte er aber auch zu einer differenzierteren Sichtweise beitragen, indem deutlich wird, dass nicht allein die Person Hitler, sondern auch die Eliten in Staat und Partei an der Judenvernichtung beteiligt waren.
Da 'Conspiracy' eher eine amerikanische Sichtweise zeigt, wurde in der Diskussion bezweifelt, ob dieser Film in Deutschland überhaupt auf Interesse stoßen würde, da manche Personen und Ereignisse zu überzogen dargestellt worden seien. Eine andere Frage war, ob ein Film, der sich ausschließlich auf die Täterperspektive konzentriert, in Deutschland überhaupt angenommen werde. Im Vergleich zu anderen Produktionen über die Zeit des Nationalsozialismus, wie die Serie 'Holokaust' von Guido Knopp, erscheint 'Conspiracy' nicht spektakulär. Deswegen wurde vermutet, dass es in Deutschland nur ein kleines interessiertes Publikum für diesen Film geben würde.
Dennoch lässt sich fragen, ob es nicht doch sinnvoll ist, diesen Film dem deutschen Publikum zugänglich zu machen, gerade weil die Täter im Mittelpunkt stehen und damit die Möglichkeit gegeben wird, sich kritisch mit bestehenden Vorstellungen auseinanderzusetzen.


Esme Caubo/Anne-Christin Saß


 


 

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