Die Industrielle Revolution griff in alle Lebensbereiche ein. Auch das Verhältnis des Menschen zur Natur formte sich neu: Die Industrie trat als Stifter einer zweiten Schöpfung auf, deren markanteste Zeichen Feuer und Rauch waren. Die ungeheure Dynamik dieser Entwicklung veränderte Themenkanon und Formensprache der bildenden Kunst.

Ihren Ausgang nahm die Industrielle Revolution in Großbritannien. Dort stießen technische Neuerungen wie die Dampfmaschine auf das Interesse marktwirtschaftlich kalkulierender Investoren. Das Zusammenwirken von Arbeits- und Kraftmaschinen ermöglichte den Durchbruch zur gewerblichen Massenproduktion.

Die Umwandlung von Naturräumen in industrielle Schauplätze erreichte um 1750 in Großbritannien ein solches Ausmaß, dass Kohlengruben und Eisenhütten zu Sehenswürdigkeiten wurden.

Die ersten gemalten Industrielandschaften ähnelten stark den traditionellen, für adelige Landbesitzer angefertigten Veduten.

Um 1780 änderten sich die Kategorien der Naturbetrachtung. Die Theoretiker Edmund Burke und William Gilpin entwickelten Regeln für die "richtige" Komposition von Landschaftsansichten. Die neuen Kategorien des "Erhabenen" und des "Malerischen" wendeten die Künstler nicht nur auf Schluchten und Vulkanausbrüche, sondern auch auf Bergwerke, Eisenhütten und Koksfelder an.


 

Erhabene Objekte sind riesig in ihren Dimensionen,
schöne aber verhältnismäßig klein.
Schönheit verlangt Glätte und Ebenheit; das Große kann rauh und ungehobelt sein.
Schönheit darf nicht dunkel, das Große muß finster und düster sein.
Schönheit muß licht und zart, das Große fest und sogar massiv sein.
Das sind in der Tat Ideen von sehr verschiedener Natur:
die eine im Schmerz, die andere im Vergnügen begründet.

Edmund Burke,
Philosophische Untersuchung
über den Ursprung unserer Ideen
vom Erhabenen und Schönen, 1757

 

 

William Williams (Norwhich um 1758 - um 1797)
1. Eine Morgenansicht von Coalbrookdale und von Teilen des ausgedehnten Eisenwerks (A Morning View of Coalbrookdale and Parts of the Extensive Iron Works), 1777
2. Eine Nachmittagsansicht von Coalbrookdale (An Afternoon View of Coalbrookdale), 1777
Öl auf Leinwand 102 x 126 (15.1), 102 x 125 (15.2)
Shrewsbury, Shrewsbury Museum and Art Gallery (Rowley's House)

Coalbrookdale (Shropshire) bezeichnet sich selbst als "the birthplace of industry". Die Bedeutung dieses Ortes ergibt sich daraus, dass Abraham Darby hier 1709 erstmals einen Hochofen mit Koks betrieb. Zuvor musste die teurere Holzkohle eingesetzt werden, um Eisen zu schmelzen. Steinkohle kam hierfür nicht ohne weiteres in Frage, weil sie außer dem benötigten Kohlenstoff zu viele andere Substanzen enthält. Darby stellte fest, dass Koks, also eine durch Schwelen veredelte Form der Steinkohle, die technischen Eigenschaften des Eisens im Hochofen nicht beeinträchtigt. Sein Verfahren verbreitete sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Umstellung vom nachwachsenden Energieträger Holz zur nicht erneuerbaren Ressource Kohle war ein wichtiger Schritt auf dem Weg von der solaren Kreislauf- zur fossilen Durchflusswirtschaft. Die bisher geltenden Wachstumsgrenzen wurden dadurch außer Kraft gesetzt.

Die 1717 nach dem Tod Abraham Darbys gegründete Coalbrookdale Company wurde über fünf Generationen von Mitgliedern seiner Familie geleitet. Sie produzierte die Zylinder für zahlreiche der ab 1712 gebauten Newcomen-Dampfmaschinen und lieferte 1767 die Schienen für die erste eiserne Bahnstrecke in Großbritannien. Abraham Darby III initiierte den Bau der als "phenomenon of the age" gefeierten Ironbridge über den Severn, die 1777/78 in Coalbrookdale gegossen wurde.
Zu dieser Zeit schuf der aus Norwich stammende Maler Williams zwei aufeinander bezogene Bilder, in deren Zentrum die Anlagen der Coalbrookdale Company stehen. Ob es sich dabei um Auftragskunst handelt, ist unklar. In beiden Bildern sind die gewaltigen Rauchfahnen zu sehen, die vom Maschinenhaus, von den Hochöfen und von den Koksfeldern aufsteigen. Die Newcomen-Dampfmaschine, die genau im Zentrum platziert ist, pumpte das Wasser vom Lower Furnace Pool zurück in den Upper Furnace Pool. Das dadurch entstehende Gefälle trieb über Wasserräder verschiedene Arbeitsmaschinen an.

Die Morgenansicht zeigt links einen Transportarbeiter, der einen Wagen mit Kohle über einen Schienenweg ins Tal bugsiert. Die Nachmittagsansicht präsentiert drei Reisende, die sich von einem Arbeiter die Vegetation erklären lassen; dem spektakulären Panorama, das sich vor ihnen ausbreitet, schenken sie keine Beachtung. Die beiden Gemälde stehen noch ganz in der Tradition der herrschaftlichen Vedute, die Landbesitz quantitativ statt qualitativ erfasst. Agrarische und industrielle Formen der Naturaneignung werden nebeneinander gestellt, ohne eine Wertung vorzunehmen. AS

Wagner 1979, S. 18-22; Raistrick 1989, Taf. VIII; Krifka 2000b, S. 811f.
Bibliographie

 

Ètienne Bouhot (Bard-lès Epoisses 1780 - 1862 Semur-en-Auxois)
1. Innenansicht einer Schmiede bei Châtillon-sur-Seine, Côte-d'Or (Vue intérieur d'une forge, près Châtillon-sur-Seine, Côte d'Or), 1823
2. Außenansicht einer Schmiede bei Châtillon-sur-Seine, Côte-d'Or (Vue extérieur d'une forge près Châtillon-sur-Seine, Côte d'Or), 1823

Öl auf Leinwand, 38 x 46
Buffon, Musée de la Sidérurgie en Bourgogne du Nord, Inv. 82.01.02, 82.01.01

Bouhot ist bekannt für seine Architekturdarstellungen und topographischen Ansichten von Paris aus der Zeit Napoleons und der Restauration. Zwischen 1820 und 1830 fertigte er mehrere Darstellungen von Schmieden in seiner Heimat Burgund nahe Châtillon-sur-Seine (nördlich von Dijon), die er unter anderem an einen der Werksbesitzer verkaufte. Das vorliegende Gemälde eines frühindustriellen Hammerschmiedeinterieurs besitzt als Pendant die Ansicht einer Schmiede von außen; beide Bilder wurden im Pariser Salon von 1824 (Nr. 229/230) ausgestellt. Im Gegensatz zu Lüttich (Léonard Defrance oder Louis-Bernard Coclers) und Schweden (Pehr Hilleström) waren solche Motive in Frankreich vor 1830 sehr selten. Die Darstellung geht einher mit der Expansion der Eisenfabrikation in Frankreich, die während der Restauration stattfand.

Das Äußere der Schmiede wird von dem großen pyramidalen Schornstein und den hydraulischen Rädern bestimmt. Die unterschiedlichen Materialien, die beim Bau verwendet wurden, verdeutlichen den sukzessiven Ausbau des Betriebs. Die Szene im Vordergrund zeigt die Anlieferung eines Roheisenstücks durch einen lokalen Transporteur von einem benachbarten Hochofen. Der kaufmännische Angestellte der Schmiede wickelt das Geschäft ab. Die zwei Schmiede, die beim Abladen geholfen haben, wenden sich wieder ihrer Arbeit zu. Im Vordergrund werden weitere Roheisenstücke für die Bearbeitung gelagert. Links, hinter der Mauer, befindet sich das Wasserrad zum Antrieb des Hammers und des Blasebalgs. Rechts im Hintergrund spielen Kinder vor den Arbeiterhäusern.

Das Bild des Schmiedeinneren zeigt die unterschiedlichen Arbeitsgänge. Im Zentrum prüft der Heizer die Temperatur des Feuers, in dem das Werkstück beim Bearbeiten erhitzt wird. Rechts ist das Holzgestell des hydraulischen Blasebalgs zu sehen. Im Hintergrund ist der Hammer im Einsatz beim Schmieden. Ganz hinten werden fertige Werkstücke ihrer Größe nach geordnet. MB

Principales acquisitions 1981, S. 57, Nr. 1; Julia 1983, S. 419-425; Catalogue d'acquisition 1985, S. 172, Nr. 760-761; Julia 1985/86, S. 188f.; Ausst. Kat. Lille 1993, Nr. 18-19; Ausst. Kat. Semur-en-Auxois 2001, S. 46f.
Bibliographie

 

Panoramaaufnahmen des Ausstellungsraums:



 

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DIE ZWEITE SCHÖPFUNG-
Bilder der industriellen Welt vom
18. Jahrhundert bis in die Gegenwart

Eine Ausstellung des
Deutschen Historischen Museums


31. Juli bis 21 Oktober 2002
im Martin-Gropius-Bau

Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Tel.: 030/ 25486-0
Stadtplan-Link (www.berlin.de)


Öffnungszeiten

täglich außer dienstags 10 bis 20 Uhr

Verkehrsverbindungen
S- und U-Bahn Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof
Bus 200, 248, 348 Haltestelle Potsdamer Platz
Bus 129 Haltestelle Anhalter Bahnhof

Eintritt
6 ,- € incl. Audioführung, ermäßigt: 4,-€