Im Verlauf der Industriellen Revolution entstand eine neue soziale Klasse: das bürgerliche Unternehmertum. Die Identität der Eigentümer großer Betriebe schärfte sich in der Auseinandersetzung mit dem Adel und der Arbeiterschaft.

Der Führungsanspruch der Aristokratie empörte die Fabrikanten. Ihre Kritik war durch ihren Fortschrittsglauben begründet: Sie sahen Lokomotiven und Hochöfen als Zeichen einer neuen Zeit, welche die Herrschaft und die Privilegien des Adels ablöste.

Wichtiger als die Abgrenzung gegenüber der Aristokratie war den Unternehmern aber die Distanz zur Arbeiterschaft. Wer wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stehen konnte, dem gestanden sie kein Recht auf politische Mitsprache zu. Der Graben zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft vertiefte sich während der Revolution von 1848/49, die zum Bruch führte.

Wie zwiespältig das Verhältnis der Fabrikanten zum Adel war, verdeutlicht die Selbstdarstellung der aufstrebenden Klasse. Viele übernahmen die äußeren Repräsentationsformen des Adels. Sie schmückten ihre Werksgebäude mit Türmen, Toren und Zinnen. Zur Villa auf dem Firmengelände kam das Gutshaus auf dem Land. Einen künstlerischen Ausdruck fand dieser Geltungsdrang im Unternehmerbildnis, das sich aus dem Adelsporträt entwickelte.

 

Bei jedem Tactklopfen der Hämmer klopfte auch unser Herz stärker in dem Gefühle: Solches vermag der Mensch.
Und wie der Dampf sich mächtig in den Kesseln drehte, hob sich auch unsere Brust bei dem Gedanken:
Wir alle sind berufen Menschen zu sein, und jeder Mensch kann mit Gott eine Welt aus sich selbst erschaffen.

Anonymus: A. Borsig's Eisengießerei und Maschinenbau-Anstalt in Berlin,
in: Illustrirte Zeitung, 1848

 

 

 

 

 

 

Alfred Rethel (Aachen 1816 - 1859 Düsseldorf)
Porträtlandschaft mit Fabrickgebäuden (Die Harkortsche Fabrik auf Burg Wetter), 1834
Öl auf Leinwand, 43,5 x 57,5
Wetter (Ruhr), Demag Cranes & Components GmbH

Die auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Burg Wetter befand sich seit 1819 im Besitz von Friedrich Harkort (1793-1880) und Heinrich Kamp (1786-1853), die dort die Mechanische Werkstätte Harkort & Co., eines der ersten Eisenindustrie-Werke in Westfalen, einrichteten. Der Kaufmann Kamp finanzierte die nach englischen Vorbild errichtete Maschinenfabrik. Aufmerksam verfolgten und imitierten die Unternehmer der Region die technische und wirtschaftliche Entwicklung im Mutterland der industriellen Revolution. So errichtete Harkort 1826 nach englischem Vorbild einen Hochofen und 1827 ein Puddel- und Walzwerk. Zunächst hatten sich die Unternehmer auch am englischen, auf Export ausgerichteten Modell orientiert, das sich jedoch nicht als tragfähig erwies.

Um 1830 setzte - beispielhaft durch Harkort und Kamp verkörpert - ein Umdenken ein, das sein Interesse auf eine umfassende heimische Entwicklung der Industrie legte.
Die Fabrik erstreckte sich sowohl über den unteren wie auch den oberen Teil der Burganlage. Links im Hintergrund fließt die Ruhr. Im oberen Teil, dem ehemaligen Burghof, befand sich links das Eisenhüttenwerk. Das weiße Gebäude war vermutlich der Sitz der Verwaltung. Unten rechts war das Walzwerk, aus dessen Dächern die Schornsteine ragen. Nicht mehr ihren ursprünglichen Zwecken dienende Burgen und Schlossanlagen wurden in den Anfängen der Industrialisierung häufig als Fabrikgebäude genutzt.
Kamp hat das Bild mit hoher Wahrscheinlichkeit bei dem jungen und als Wunderkind geltenden Rethel, dem Sohn seines Buchhalters, in Auftrag gegeben. Als Industriebild war es im Werk Rethels, der seine Zukunft in der Historienmalerei sah, eine Ausnahme. Rethel selbst setzte sich die porträthafte, realistische Wiedergabe der Anlage zum Ziel. In seinem sich an französischer und deutscher Architektur- und Panoramenmalerei orientierenden Realismus blieb dieses frühe und herausragende deutsche Industriebild ohne direkte Nachfolge. SB

Fritz 1958; Ausst. Kat. Duisburg 1969, S. 16f.; Türk 2000, S. 160f.; Ausst. Kat. Berlin 1990b, S. 276; Köllmann/Reininghaus/Teppe 1994; Krifka 2000b, S. 822.
Bibliographie

 

Carl Schütz (1796 - ?)
Lendersdorfer Walzwerk, 1838
Öl auf Leinwand, auf Hartfaser aufgezogen, 77 x 110,5
Düren, Leopold-Hoesch-Museum der Stadt Düren, Inv. 69
Seit dem 17. Jahrhundert betrieben Mitglieder der Familie Hoesch im Raum Aachen eisen- und stahlverarbeitende Betriebe. Das Werk in Lendersdorf bei Düren wurde 1819 von Eberhard Hoesch (1790-1852) übernommen. Bei einer Englandreise lernte er 1823 die neuesten Methoden der Eisenverhüttung kennen. Danach rüstete er seinen Betrieb um: Als erster deutscher Unternehmer führte er 1824 das Puddelverfahren ein. Ab 1838 lieferte die Fabrik Schienen für die Rheinische Eisenbahn, die von Köln über Düren nach Aachen führte.
Im gleichen Jahr malte Schütz das Werk, wobei er sich um eine möglichst genaue Wiedergabe bemühte: Links befindet sich der Hochofen, in dem aus Eisenerz
Roheisen geschmolzen wird; das Wasserrad treibt ein Gebläse an, das ihn mit Luft versorgt.

Neben dem Hochofen steht der mit einem hohen Schornstein versehene Puddelofen, in dem der Kohlenstoffgehalt des Roheisens durch Rühren mit Haken oder Stangen so weit herabgesetzt wird, dass schmiedefähiges Eisen entsteht. Aus den erstarrten Klumpen dieses Materials formen die Arbeiter auf einem Herd Luppen, die bis zur Schweißglut erhitzt und dann im angrenzenden Walzwerk auf die vorgesehenen Profile und Längen umgeformt werden. Die offene Fassade der lang gestreckten Halle erlaubt es, den Walzern bei der Herstellung von Stabeisen zuzusehen.
Das Gemälde ist als Geschenk aus der Familie Hoesch in das Museum gelangt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Gründer des Lendersdorfer Werkes es bei Schütz in Auftrag gegeben hat. Die naive Manier, in der das Bild ausgeführt wurde, verweist darauf, dass Eberhard Hoesch in der Eifel nicht wie August Borsig in Berlin (vgl. Kat. Nr. 59) auf akademisch geschulte Landschaftsmaler zurückgreifen konnte. AS

Schmücker 1930, S. 11f.; Ausst. Kat. Duisburg 1969, S. 38; Motz 1980, Nr. 139; Paulinyi 1991, S. 401 und Abb. XXVb; Ausst. Kat. Düren 1980, Nr. 200.
Bibliographie

 

Panoramaaufnahmen des Ausstellungsraums:


 

Sie benötigen Quicktime VR, um die 360° Panoramen auf Ihrem Bildschirm betrachten zu können.
Klicken Sie auf die einzelnen Panoramabilder, um eine interaktives Panoramabild zu erhalten.

 

 

 

 

 

 

 

DIE ZWEITE SCHÖPFUNG-
Bilder der industriellen Welt vom
18. Jahrhundert bis in die Gegenwart

Eine Ausstellung des
Deutschen Historischen Museums


31. Juli bis 21 Oktober 2002
im Martin-Gropius-Bau

Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Tel.: 030/ 25486-0
Stadtplan-Link (www.berlin.de)


Öffnungszeiten

täglich außer dienstags 10 bis 20 Uhr

Verkehrsverbindungen
S- und U-Bahn Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof
Bus 200, 248, 348 Haltestelle Potsdamer Platz
Bus 129 Haltestelle Anhalter Bahnhof

Eintritt
6 ,- € incl. Audioführung, ermäßigt: 4,-€