John F. Kennedy Plakatmotiv. © Runaway Technology

John F. Kennedy - Ausstellungstitel
Ausstellungshalle des Deutschen Historischen Museums von I. M. Pei, 26. Juni bis 13. Oktober 2003

Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Zusammenarbeit
mit dem John F. Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin

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John. F. Kennedy
Berlin-Besuch
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1. Der Auftritt vor dem Rathaus Schöneberg I 1.1. Die Reden der Politiker I 1.2. Impressionen I 1.3. Berlin und New Frontier

1. Der Auftritt vor dem Rathaus Schöneberg

Rathaus Schöneberg in Berlin
Um ca. 11.45 Uhr gelangte die Wagenkolonne Kennedys am Rathaus Schöneberg, Amtssitz des Regierenden Bürgermeisters und Hauptquartier an. Vom etwa vier Meter hohem Podest, welches extra zu diesem Anlass über dem Eingansbereich des Rathauses errichtet wurde, sollte er eine seiner vielleicht wichtigsten Reden im Verlauf seiner politischen Karriere halten. In dieser berühmten Rede, die klare Signale an die Besatzungsmächte des Berlins auf der anderen Seite der Mauer richtete, und Berlin zu einer Insel der Freiheit machte, sollten die Worte "Ich bin ein Berliner" fallen, die von Berlin aus in die Welt gingen und besonders den Berlinern bis heute unvergessen geblieben sind. Sein Besuch hatte für Berliner wie Deutsche unschätzbare Bedeutung. In seiner Rede bekundete er, dass die Teilung Deutschlands und Europas sich gegen die Geschichte richtete und die Freiheit des geeinten Deutschland unnachgiebiges Ziel der Westmächte bleibe. In den nächsten Schritten konnte es nur darum gehen, militärische Entschärfung mit einer Entspannungs- und Verbesserungspolitik zu verbinden, ohne die Aufgabe von Grundsätzen der deutschen Selbstbestimmung. Berlin und Deutschland standen für Europa und eine letztendliche Einigung konnte nur im Einvernehmen der Sowjetunion mit dem Westen erfolgen.

Bereits früh am Morgen hatten sich Menschen am Rudolph-Wilde-Platz vor dem Rathaus versammelt um einen guten Blick auf den gastierenden amerikanischen Präsidenten zu erhaschen und ihre Dankbarkeit durch Anwesenheit zum Ausdruck zu bringen. Mit Plakaten, selbst gemalten Schildern, Tüchern standen sie um die Mittagsstunde zu Tausenden dicht gedrängt und erwarteten Kennedy. In späteren Schätzungen ist von einer halben bis ganzen Million Berliner Bürger die Rede, die sich am Platz versammelten. Bis März 1963 stand nicht fest, ob der amerikanische Präsident auch nach Berlin kommen würde. Das Außenministerium unter Adenauer hatte diese Frage bis zu diesem Zeitpunkt offen gelassen. Als die amerikanische Regierung Mitte März bekannt gab, dass Kennedy Berlin besuchen würde, jubelte die deutsche Presse. Und nun standen die Bürger auf den Dächern, winkten aus Fenstern und sogar die Balkone gegenüber dem Rathaus waren überfüllt.

Kennedys Weg zum Rathaus führte über das Brandenburger Tor und den Checkpoint Charlie, wo er Blicke über die Mauer geworfen hatte und sich direkt mit der manifestierten Grenze des amerikanischen Aufbruchsgedankens auseinandersetzen musste. Vielleicht mit dem Verlauf der Berlin-Krise im Hinterkopf hatte er sich im Anschluss sichtlich berührt gezeigt. Kurz darauf überging er das Protokoll und ließ eine kurze Begegnung mit den begeisterten Berlinern an der Friedrichstraße stattfinden. Als sie am Rathaus ankamen jubelte auch hier das Volk, doch die Politiker hatten zunächst im Rathaus die Gelegenheit, sich noch einmal kurz frisch zu machen und zu sammeln.

Kennedy vor dem Rathaus

Im Amtszimmer des West-Berliner Bürgermeisters Willy Brandt übte Kennedy seine Rede, die er auf Din-A-5 Karten vorbereitet hatte und besonders seinen später berühmten Ausspruch "Ich bin ein Berliner", bevor sie gegen 13.00 Uhr gemeinsam vor die Menge traten. Als sie auf dem Balkon erschienen, erfolgten minutenlange Sprechchöre und ein tosender Jubel der Begeisterung stellte sich ein. Brandt beschreibt den Besuch Kennedys in Berlin später als den unbestrittenen Höhepunkt seiner Deutschlandreise. Die entgegengebrachte Wärme und Herzlichkeit der Berliner und Berlinerinnen ließen seiner späteren Aussage nach Kennedy mitunter, wie auch in diesem Moment etwas ungläubig und verlegen in die Menge starren.

Millionen von Menschen in ganz Deutschland waren Zeugen dieses historischen Moments. Vor der Tribüne waren zwei Podeste aufgestellt worden, auf denen die Presse sich drängelte. Die Position der Podeste mitten im Publikum und direkt gegenüber der Tribüne, bzw. leicht versetzt ist Monate vor Kennedys Besuch von seinen Beratern festgelegt und eingefordert worden, um Kennedy im bestmöglichen Licht erscheinen zu lassen. Wie sein ganzer Besuch in Berlin, so war auch dieser Teil des Protokolls minutiös geplant. Dem Protest der Berliner über deren Aufstellung am Vorabend ist es zu verdanken, dass die Podeste um einige Meter zurückversetzt wurden. Durch die Radio- und Fernsehübertragungen von den Podesten aus konnten neben den Berlinern die Bürger Deutschlands Zeuge seiner fulminanten und schlüssigen Rede werden.

Zuerst sprach Otto Bach, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, der Kennedy begrüßen durfte. Er brachte seine Dankbarkeit für den Besuch zum Ausdruck und ging die politischen Symbole durch, die Kennedy bereits passiert hatte: die Kongresshalle, das Luftbrückendenkmal, und die von den Amerikanern gespendete Freiheitsglocke im Turm des Schöneberger Rathauses. In einer Anspielung auf das verhängte Brandenburger Tor wies er darauf hin, dass die Berichterstattung der Medien auch vor den Hindernissen des Ostteils der Stadt nicht halt machen werde.

Im Anschluss kam Bundeskanzler Adenauer zu Wort, welcher instinktiv gespürt haben muss, dass Kennedy Hauptperson des Geschehens sein würde. Dementsprechend kurz fiel seine Ansprache aus. Im freundschaftlichen Ton bedankte er sich für Kennedys Besuch in Deutschland und Berlin.

An diesem Tag habe "eine Volksabstimmung stattgefunden, die unüberhörbar ist in der ganzen Welt.". Damit sprach er die Idee einer Volksabstimmung der Berliner über ihre Zugehörigkeit zu West-Deutschland an, die in den Jahren zuvor immer wieder diskutiert wurde. Weiterhin erinnerte zu gegebenem Anlass an die Berliner Luftbrücke und Lucius D. Clay, bevor er vom Rednerpult zurücktrat.

Kennedys Rede wurde immer wieder von Begeisterungsrufen und Applaus unterbrochen. Nachdem er sich immer wieder durch die vom Wind zerzausten Haare fahrend bei Adenauer und Brandt bedankte und General Clay würdigte, folgte gleich im ersten Teil der Rede der "stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: Ich bin ein Berliner." Seine Lautschrift, die er sich dafür auf einer Kartei-Karte notiert hatte, lautete: ‚Ish bin ein Bearleener'. In einer witzigen Geste bedankte er sich bei Heinz Weber, dem Übersetzer, dass dieser seine Formulierung ins Deutsche übersetzte. Nach Aussage des Harvard-Historikers Andreas Daum gehört dieser Satz "zu den gelungensten Sätzen politischer Rhetorik der amerikanischen Außenpolitik, des 20. Jahrhunderts, ja der Moderne überhaupt."

 

 

Der Ursprung des Ausspruches ‚Ich bin ein Bürger Roms' - im original ‚civis Romanus sum', führt zurück auf die Zeit eines römischen Politikers und Rhetorikers Cicero in der Zeit vor Christus, wo diese Aussage eines Individuums meinte, ein römischer Bürger mit den entsprechenden Rechtsansprüchen, beispielsweise gegen Zuwiderhandlung des Anspruches auf körperliche Unversehrtheit und Verfolgung durch fremde Gerichtsbarkeiten zu sein, also die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Reich. In der Antike entwickelte sich der Ausspruch zu einem Ausdruck des Stolzes auf das römische Gemeinwesen. Mit dem Rückgriff auf dieses Zitat, zitierte Kennedy sich selbst - über ein Jahr zuvor hatte er eine fast gleiche Formulierung bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der amerikanischen Stadt New Orleans verwendet. Dort hingegen endet er mit dem Satz ‚Ich bin ein Bürger der Vereinigten Staaten'. In Berlin wollte er ebenfalls etwas Besonderes sagen, um sich für die ihm entgegengebrachte Ergriffenheit und Wärme zu bedanken, und sich dabei an ein klassisches Zitat anlehnen. Mit dem Ausspruch betont er die Zugehörigkeit zu einer Stadt - der Stadt Berlin.

In seiner weiteren Rede machte er deutlich, dass Berlin eine verteidigte Insel der Freiheit sei, und klagte die kommunistische Welt an. "Die Mauer ist die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Regimes." Er wies darauf hin, dass die westlichen Alliierten es nie nötig gehabt hatten, eine Mauer aufzubauen , um die eigenen Leute daran zu hindern, woanders hinzugehen. Freiheit sei unteilbar, und wenn auch nur einer versklavt sei, dann seien nicht alle frei. Wenn der Tag der Freiheit käme, dann könnten die Berliner Stolz sein, 20 Jahre die Front gehalten zu haben. Nach nicht enden wollendem Applaus und nachdem Kennedy aufgrund der Begeisterung des Publikums und der Komplementierung Adenauers Willy Brandt noch einmal kurz vom Rednerpult ablösen musste, kam Brandt an die Reihe.

Dessen Ton wurde etwas ernster. Auch er bedankte sich und würdigte Clay, wies auf die deutsch-amerikanische Freundschaft und die gleichen Interessen, Ideale und Entschlossenheit hin. Als Bürgermeister Berlins grüßt er die Menschen im Ostteil der Stadt und versicherte ihnen, dass sie nicht aufgeben werden. Zu Kennedy gewandt äußerte er den Wunsch nach friedlicher Veränderung. "Wir sehen die großen Erwartungen der Strategie des Friedens, wie sie der Präsident vor und während seiner Deutschlandreise entwickelt hat. Dazu und zum Bau des neuen Deutschland möchten wir unseren Beitrag leisten. Dies wird der Weg der Selbstbestimmung sein."

Im Anschluss leitete er zur dramatisch inszenierten öffentlichen Eintragung des Präsidenten in das Goldene Buch über, die in einem Moment der feierlichen Stille erfolgte. Brandt schloss mit der Inschrift der Freiheitsglocke, die während der Unterzeichnung läutete: ‚Möge diese Welt mit Gottes Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben.' Während dieser Zeremonie da die Freiheitsglocke läutet, kehrte für einen Moment Ruhe auf dem Platz ein.

Die Glocke selbst war an Symbolkraft schwer zu überbieten. Sie war ein Geschenk der USA an Berlin und nachdem sie einige Wochen zuvor durch die Staaten getourt und von Lucius D. Clay innerhalb des sogenannten Kreuzzuges für die Freiheit nach Berlin gebracht wurde, erfolgte im Oktober 1950 die Einweihung im Schöneberger Rathaus. Die Inschrift stammt aus der Gettysburg Adress des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln, in der er die Einheit von Nord- und Südstaaten und eine freiheitliche Zukunft der USA beschwor. Als Symbol für die "geistige Luftbrücke" und den westlichen Freiheitswillen wurde die Freiheitsglocke ritualisiert und popularisiert und zu einer Motivation für die Mobilisierung der Amerikaner. Sie hatte zusätzliche Dynamik in die vergangene Berlin-Politik gebracht und das Rathaus Schöneberg zu einem auch in Amerika bekannten Erinnerungsort gemacht.

Kennedys Besuch in Berlin war eine Grenzerfahrung und hatte besondere Bedeutung. Mit seiner Rede und seinem Besuch hatte er Berlin zu einer Stadt Amerikas gemacht, zu einem Grenzposten in feindlicher Umgebung. Die sonst von Kennedy propagierte Grenze des Aufbruchs, des New Frontier, war an dieser Stelle geschlossen und damit gleichzeitig Teil seines Konzeptes. Kennedy wollte auf diese Grenze des Eingegrenztseins aller freiheitlichen Grundwerte durch West-Berlin schauen und die Mauer gleichwohl zum Symbol dafür machen. Die Mauer sollte das symbolisieren, was man auf seiner Deutschlandreise negativ zum Ausdruck bringen wollte - die moralische Unterlegenheit und Unmenschlichkeit des als Besatzungsmacht fungierenden kommunistischen Systems. Nicht zuletzt deshalb bediente sich Kennedy in seiner Rede im Taumel der Emotionen eines äußerst scharfen Tones, den er in der späteren Rede an der Freien Universität relativierte.

     
Text der Gedenktafel

"Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt West-Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner."
Bevor die Tour über Steglitz nach Zehlendorf weitergeht, hatten Kennedy, Adenauer und Brandt bei einem gemeinsamen festlichen Gastmahl im Brandenburg-Saal des Schöneberger Rathauses Gelegenheit, sich über die beeindruckenden Szenen auszutauschen. Zu diesem Zwecke wurde auch das traditionelle Hohenzollernsilber aufgetischt, wovon sich Kennedy durchaus beeindruckt gezeigt haben soll. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist der Besuch für alle Beteiligten unvergesslich.

Kennedys Berlin-Besuch bleibt untrennbar mit seiner Rede vor dem Schöneberger Rathaus verbunden, bis über den Tod hinaus. Aufgrund seiner Symbolkraft wurde der Rudolph-Wilde-Platz nach Kennedys Ermordung dem Präsidenten zu Ehren nach ihm umbenannt. Eine Gedenktafel am Eingang, wie auch die Sonderveröffentlichung "Ein wichtiger Tag in der Geschichte unserer Stadt", herausgegeben vom Berliner Landesamt für Presse und Information, erinnern unter anderem an diesen denkwürdigen Tag.

 

 
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