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Interview mit Robert Lochner
Anm.:
Herr Lochner war Kennedys Dolmetscher während des Deutschlandaufenthalts
des US-Präsidenten. In diesem Interview äussert
sich Robert Lochner dazu, wie er zu dieser besonderen Ehre
gelangt ist.
Interviewer:
Kommen wir zum 26. Juni 1963. Wie wichtig, denken Sie, war
der Besuch Kennedys für die geteilte Stadt zu diesem
Zeitpunkt?
Lochner:
Um vielleicht negativ anzufangen...eine pro-amerikanischere
Stimmung hätte es gar nicht mehr gegeben. Natürlich
war es ein "shot in the arm", dass der amerikanische
Präsident...aber die eigentliche Wirkung entstand natürlich
durch den berühmten Satz. Ich bin überzeugt, es
wäre nicht so um die ganze Welt gegangen, hätte
er ihn nur so auf Englisch gesagt. Die Aussprache war zwar
(lacht) nicht sehr erfolgreich.
Ich wurde also, nachdem mich General Clay an Kennedy empfohlen
hatte, zehn Tage vor dem Besuch nach Washington zitiert. McGeorge
Bundy, sein politischer Berater, führte mich ins Oval
Office. Vorher hatte er mich beauftragt auf einer Schreibmaschine
in großen Buchstaben einige einfache deutsche Sätze
zu schreiben. Ich gab Kennedy eine Kopie, las ihm langsam
den ersten Satz vor und bat ihn, zu wiederholen. Und es war
schlimm! Es war kein Wort zu verstehen.
Er guckte hoch und er muss wohl mein entsetztes Gesicht gesehen
haben. Er sagte: "Not very good, was it?" Was sagt
man darauf einem Präsidenten? Mir fiel nichts besseres
ein als zu sagen: "Jedenfalls war es besser als Ihr Bruder
Bobby!" Dieser war gerade in Berlin gewesen und als RIAS-Direktor
war ich ihm dort begegnet. Jedenfalls hatte der einige Versuche
auf deutsch unternommen, das war noch schlimmer. Gottlob nahm
Kennedy es mit Humor, lachte, und sagte zu McGeorge Bundy:
"Let's leave the foreign languages to the disstaff side."
Bekanntlich sprach Mrs. Kennedy fließend Französisch.
Er hat dann anfangs in Bonn, Köln, Frankfurt nie einen
Versuch in diese Richtung gemacht. Und meine ganz persönliche
Auslegung ist, dass er gespürt hat, dass die Begeisterung
in Berlin alles bisherige übertroffen hat. Und dass er
erst auf dem Wege rauf, zunächst in Willy Brandts Büro
im Schöneberger Rathaus, beschlossen hat, --was ja gar
nicht soweit ich weiß in seinem Manuskript war-die berühmten
Worte auf deutsch zu sagen. Ich bin auch überzeugt, daß
es nicht so um die ganze Welt gegangen wäre, hätte
er gesagt "I'm a Berliner."
Dementsprechend sagte er zu mir auf dem Weg hinauf: "I
want you to write it out on a piece of paper." Leider
hatte ich keinen Notizblock bei mir. Ich bin dann an Willy
Brandts Schreibtisch gegangen, der zum Glück nicht abgeschlossen
war, habe mir ein Stück Papier herausgeholt und es in
Druckbuchstaben draufgeschrieben. Dann haben wir es zwei-
dreimal an einer relativ ruhigen Stelle am Fenster, denn die
ganzen VIPs waren mit im Büro....und das war das Ende
meiner Rolle.
Ich hatte schon morgens beim Empfang und dann bei seiner DGB-Rede
und beim Mittagessen gedolmetscht. Und McGeorge Bundy kam
zu mir und meinte aus Höflichkeit, die Rede am Schöneberger
Rathaus sollte der Dolmetscher Herr Weber von Adenauer, der
bis dahin nichts zu tun hatte, übersetzten.
Nach der Rede lief ich wieder mit in das Büro Brandts,
alle anderen kamen auch wieder hinterher, falls Kennedy mit
einem Deutschen Sprechen wollte. Und da kam ich nicht umhin
zu hören, wie McGeorge Bundy zum Präsidenten sagte:
"Mr President, I think you went too far." Der hat
natürlich sofort erfaßt, dass es dadurch mehr Umpf
bekam. Und das war für mich aus einem ganz anderen Grund
so interessant, weil ich zwei Jahre zuvor für Lyndon
B. Johnson --meine schlimmste Erfahrung beim Dolmetschen,
ein sehr jähzorniger Mann- gedolmetscht hatte. Und wenn
ich mir nun vorstellte, dass dem ein Berater gesagt hätte
"You went too far.", den hätte er achtkantig
rausgeschmissen. Und, wie gesagt, Kennedy, ohne die Miene
zu verziehen, nickte und zog ihn und mich an eine verhältnismäßig
ruhige Stelle, wo er etwas schreiben konnte im Stehen und
entgiftete dann ein bißchen die zweite große Rede
an der FU. Also hat er den Ratschlag gleich angenommen. Bei
der Rede an der FU war ich dann wieder dran mit Dolmetschen.
Interviewer:
Also war der Besuch zu diesem Zeitpunkt in Berlin von großer
Bedeutung?
Lochner:
Ja, natürlich, er hat den Berlinern Mut gemacht. Man
müßte sich nur einmal vorstellen, was gewesen wäre,
wenn er nicht gekommen wäre...
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