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German Historical Museum

 

Reihe "Politische Ikonographie"
Pei-Bau / UG, 8. April bis 16. Juli 2006


 

Klassenideale und Klassenfeinde

Aus der Plakatsammlung des Deutschen Historischen Museums
Kuratorin: Andrea von Hegel


Die Ausstellung aus dem Bestand der Plakatsammlung des DHM skizziert anhand von Produktwerbung und politischer Propaganda die Darstellung von Klassenidealen und Klassenfeinden im Plakat der Jahrhundertwende bis in die jüngste Vergangenheit.

Sie gliedert sich in sieben Abschnitte: die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, „Drittes Reich“, Bundesrepublik, DDR und die Zeit nach 1990.

Das Phänomen der Klasse machte sich fest an wirtschaftlicher Macht und politischem Einfluß, an der äußeren Erscheinung, der Mode, dem ostentativen Freizeitverhalten, dem Wohnen, am Konsum. Mode, Sport, Reisen und Urlaub, Genussmittel und Vergnügungen, Bildung und Kultur, Haushalt und Wohnen, Arbeit, Politik sind die Themen, an denen entlang die Darstellung des sich wandelnden Klassenideals und des Bildes vom Klassenfeind im Plakat skizziert wird.

Die Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg war eine Klassengesellschaft aus Bürgertum, Arbeiterschaft und Adel. Das Militär genoß in der zivilen Gesellschaft hohes Ansehen. In dieser Gesellschaft bestimmt der Lebensstil der upper class die Werbung. Accessoires wie Frack, Monokel, Rassehunde sollen sie als Angehörige einer Oberschicht kenntlich machen. Die Plakate vermitteln dem Konsumenten den Lebensstil einer Klasse, die sich prestigeträchtige Sportarten wie Reiten, Tennis, Jagen leisten kann und Muße hat, sich zu bilden, zu reisen. Das Ideale liegt in der freien, an keine Verpflichtung gebundenen Lebensführung – das Ideal der „leisure class“. Die Werbeplakate spekulieren mit den Aufstiegsbestrebungen der Verbraucher aus dem Kleinb ürgertum und der Arbeiterschaft, weckt Wünsche und Sehnsüchte.

Die großen Namen der Plakatkunst der Jahre vor dem ersten Weltkrieg sind in der Ausstellung vertreten: Lucian Bernhard, Ludwig Hohlwein, Hans Rudi Erdt, Edmund Edel Carl Moos.

Plakate der SPD zu den Reichstagswahlen 1912 bilden den stilistischen und inhaltlichen Kontrast zu den Werbeplakaten. Die politische Propaganda thematisiert die bestehenden Klassenkonflikte der wilhelminischen Gesellschaft. Hier klingt ein Thema an, das die politischen Vorstellungen der Weimarer Republik bestimmt .

Während des ersten Weltkrieges sollen die bestehenden innenpolitischen Konflikte beschwichtigt werden. Der Aufruf Kaiser Wilhelms II. „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche“ ist sprichwörtlich geworden für diese Absicht. Die Politik versprach den Arbeitern, die Ausgrenzung zu beenden und sie zu integrieren, die Arbeiter versprachen im Gegenzug einen Waffenstillstand im Klassenkampf (P. Nolte). In der Produktwerbung, die während des Krieges insgesamt stark zurückgeht, dominiert das Militär als gesellschaftliches Leitbild, werben Soldaten für Kaffee und Zigaretten als Liebesgaben.

Die Revolution hat stattgefunden, die Republik war ausgerufen, das Dreiklassenwahlrecht ist abgeschafft. Der Arbeiter betritt die Plakatszene. Die Arbeiter sind ein großes Wählerpotential, um deren Stimme mit martialischen und den Gegner diffamierenden Bildern geworben wird.

In der bildlichen Darstellung des Sozialismus und des Kommunismus wird der Arbeiter zum unüberwindlichen Helden stilisiert. Die Gegenüberstellung von Klassenfeinden und Klassenidealen bestimmt größ tenteils die Rhetorik der Bilder. Die Bilder formulieren eine Wunschvorstellung und eine Forderung. „Unser die Macht “ - lautet diese Forderung, die in der Darstellung des kraftvollen, kämpferischen Arbeiters des „Riesen Proletariat“ ihre bildliche Entsprechung hat. Die Arbeiterschaft will nicht nur die politische und wirtschaftliche Macht, sie will auch die Inhalte der Kultur mitbestimmen, das bürgerliche Bildungsprivileg brechen. Arbeiterkultur und Arbeitersport werden als Mittel zum Klassenkampf eingesetzt. Bei der Darstellung des Klassenfeindes, der zugleich der politische Gegner ist, sparen Links wie Rechts nicht mit martialischen Bildern. Der auf den Plakaten ausgetragene Klassenkampf in Bildern war zugleich ein Kampf um politische und gesellschaftliche Systeme.

Als Folge der Verarmung des Mittelstandes war Zielgruppe der Werbung nun nicht mehr eine großbü rgerliche Oberschicht mit ihren Idealen, sondern die breite Schicht der männlichen und weiblichen Angestellten.

Der Nationalsozialismus propagierte die Zerschlagung des bürgerliches Klassenstaates. Es gab nur noch die Volksgemeinschaft, in der alle Klassengegensätze aufgehoben zu sein schienen und der Klassenkampf beendet war. Alle sollten sich als Volksgenossen dieser Volksgemeinschaft zugehörig fühlen. Das Ideal war der Arbeiter. Auch die nationalsozialistische Plakatpropaganda umwarb ihn mit pathetischen Bildern, auf denen er als Heros, als Gigant dargestellt wurde.

In der Konsumwerbung wurde neben völkisch- deutsch anmutenden Werbeplakaten auch weiterhin für Genu ßmittel und Luxusartikel mit Bildern geworben, die dem Konsumenten suggerierten, daß der Genuß dieser Marke Glück, Schönheit, Eleganz, Liebe, die große Welt verhieß. Auf diesen Plakaten wirkten die alten Klassenideale von Vergnügen, Freiheit, Chic und Lebensstil.

Mit den Grundrechten in der Bundesrepublik sollte eine demokratische Gesellschaft entstehen. Von den Plakaten ist der klassenkämpferische Duktus verschwunden, aus den Arbeitern sind Arbeitnehmer geworden. Sie recken nicht mehr kämpferisch die Faust sondern lächeln gelassen von den Plakaten. Mit dem Titel des Buches „Wohlstand für alle“ von Ludwig Erhardt warb das Plakat für die Bundestagswahl 1957. Das Grundrecht auf Konsum sollte breiten Schichten der Bevölkerung umfassenden Konsum ermöglichen. Viele Klassenideale sind für die Menschen der bundesrepublikanischen Gesellschaft selbstverständlich geworden. „Kö nigin Kundin“ kann sich einen vollen Einkaufskorb leisten. Wo auf den Plakaten Anklänge an alte Klassengegensätze zwischen Arbeit und Kapital formuliert werden, wird der Auseinandersetzung durch eine satirische oder humorvolle Darstellung die Spitze genommen.

Die UDSSR erhob in ihrer Besatzungszone hohe Reparationsforderungen. Bis zur Gründung der DDR hatte die SMAD die Weichen für die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturpolitische Entwicklung bereits gestellt. Auf den Plakate tauchen die alten Feindbilder aus der Weimarer Republik wieder auf: Aristokraten, Junker, Kapitalisten und Militär in Verbindung mit Adel und Kirche. Auch das motivische und stilistische Repertoire der DDR Plakate knüpft an die Bildsprache der Weimarer Zeit - und die der Nationalsozialisten - an.

Bezugspunkt der Plakatpropaganda und auch der kommerziellen Werbung ist der Arbeiter. In dem Arbeiter – und Bauernstaat verkörpert er das Klassenideal und wird auf den Plakaten in den Mittelpunkt gestellt: Er ü bt Klassensolidarität indem er sich freudig und optimistisch für den Aufbau des Sozialismus einsetzt. Der sozialistische Mensch lebt nicht für sich sondern für die sozialistische Gemeinschaft. Die Plakate stellen keinen gesellschaftlichen Ist-Zustand dar, sondern propagieren ein für die Zukunft angestrebtes Ideal, das der Arbeiter erreichen und erfüllen soll.

Die alten Klassenideale sind für den Arbeiter verwirklicht: Urlaub, Bildung, Kultur, Reisen, Studium sollten nicht der persönlichen, individuellen Bildung dienen, sondern waren dem einen Zweck untergeordnet: der Erfüllung der Wirtschaftspläne, der Stärkung der DDR.