AUSSTELLUNGSRUNDGANG


Eine Biografie der Dinge

In einer Welt, in der sich die traditionellen Bindungen auflösten, erfuhren
auch die Dinge eine Umwertung. In dem Maße, wie die moderne Fotografie
Menschen wie Dinge behandelte und darstellte, verselbstständigten sich
die Dinge von ihren früheren Bezügen. „Neue Sachlichkeit“ heißt nicht
nur die Devise des fotografischen Mediums. Der Trend erfasste gleichermaßen
die menschlichen Beziehungen, die Beziehungen zwischen
den Menschen und den Dingen und die Architektur. Die Dinge erhielten
eine Art von Biografie. In den „neusachlichen“ Aufnahmen von Werner
Mantz wirken Wohnhäuser wie modernistische Skulpturen, in den Bildern
von Karl Blossfeldt Pflanzen wie Monumente, in den Fotografien von
Albert Renger-Patzsch Menschen angesichts gigantischer Industriekomplexe
wie Zwerge im Reich der Riesen und in den Montagen Heinz
Hajek-Halkes attraktive Frauen wie Objekte obskurer Begierden. Technische
Präzision wurde zum Merkmal ästhetischer Qualität, und die Fotografie
befreite sich vom Vorbild der Malerei und entwickelte eine eigenständige
Ästhetik. In der neuen Gattung der Modefotografie emanzipieren sich
die Frauen vom traditionellen Frauenbild der Männer.



- OHNE TITEL · O. J.