DHM

ANDREW MORRALL

Die Zeichnungen für den Monatszyklus
von Jörg Breu d.Ä.
Maler und Glashandwerker im Augsburg des 16. Jahrhunderts

Anmerkung

Breus Tätigkeit als Entwerfer für Glasbilder stellt einen großen Teil seines künstlerischen Erbes dar. Ein wesentlicher Bestandteil seines überlieferten Oeuvre besteht aus Rundzeichnungen in lavierter Tusche, die als vorbereitende Entwürfe für Rundscheiben dienten. Es ist allerdings schwierig, genau zu bestimmen, wie wichtig diese Sparte innerhalb seiner Werkstatt war. War sie eine relativ unbedeutende Nebentätigkeit in einer Werkstatt, die sich hauptsächlich auf Auftragsmalerei konzentrierte? Nahm die Gattung der Rundscheiben einen neuen Stellenwert ein, während die Reformation sich verfestigte und die Nachfrage nach gemalten religiösen Motiven zurückging? Um Fragen wie diese zu beantworten, ist es notwendig, Breus Beziehung zum Material Glas genau zu beleuchten. Malte er selbst auf Glas oder stellte er lediglich die Scheibenrisse her, um sie unabhängigen Glasmalern zu überlassen? Der folgende Aufsatz strebt an, diese Fragen durch eine genaue Untersuchung der materiellen Beschaffenheit der überlieferten Zeichnungen zu beantworten. Dabei konzentriert er sich auf die zahlreichen Versionen des Monatszyklus ebenso wie auf die Rekonstruktion der Bedingungen des Glashandwerks und der Glasmalerei aus vorhandenem Archivmaterial.

Die Zeichnungen

Bereits 1938 faßte Jakob Rosenberg die allgemeine Ansicht über Breus Scheibenrisse zusammen, die sich seitdem nicht wesentlich verändert hat:
"Wie jeder, der sich mit der frühen deutschen Zeichnungskunst beschäftigt, weiß, sind ein großer Teil der sogenannten Breu-Entwürfe für Glasmalerei in Wirklichkeit nur Kopien, die in seiner Werkstatt ausgeführt wurden. Diese Gruppe von Zeichnungen ist zugleich umfangreich und verwirrend, und man muß zugeben, daß die Trennlinie zwischen eigenhändigen Werken und zeitgenössischen Kopien nicht völlig klar definiert ist".

Dieses Urteil ist im besonderen Maß für die Vielzahl von Studien für den Monatszyklus gültig. Etwa 60 Versionen aus dem Gesamtzyklus der zwölf Entwürfe existieren in europäischen Museen. In der Literatur, die sich bisher mit den Zeichnungen beschäftigte, stand die Frage der Authentizität im Mittelpunkt: ist dieses Stück von Breus Hand - oder nicht? Ohne konkretes Ergebnis wurden auch die überlieferten Glasscheiben nach ihren Entwürfen befragt. Als Folge dieser Methode sind diejenigen Zeichnungen, die als Kopien klassifiziert wurden, lediglich von marginalem Interesse gewesen, und ihre besonderen Charakteristika fanden ebensowenig Beachtung wie die Frage danach, weshalb sie in so großer Anzahl existieren. Schon die Verwendung des Klassifizierungsbegriffes "Kopie" trug dazu bei, das Wesen dieser Zeichnungen zu verdunkeln, da mit diesem Wort eine bewußte Imitation des Werkes eines Künstlers durch einen anderen, sei es aus Interesse, zum Zweck der Unterrichtung oder einfach als Nachahmung, assoziiert wird. Außerdem haftet ihm die Vorstellung einer exakten Reproduktion des Originals an. Eine genaue Untersuchung dieser Zeichnungen zeigt jedoch häufig Unterschiede in deren Typ und Funktion auf, die über die reine Imitation hinausweisen. Eine sinnvollere Herangehensweise besteht vielleicht darin, die Zeichnungen unter dem Blickwinkel ihrer möglichen Funktionen im Werkstattzusammenhang zu betrachten. Innerhalb des umfangreichen Korpus der überlieferten Zeichnungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die die Gattung der Scheibenrisse bilden, ist es oft unmöglich, einer einzelnen Zeichnung eine genaue Funktion zuzuweisen. Doch diese besondere Werkgruppe mit zahlreichen Varianten eines einzigen Entwurfes - eine außergewöhnliche Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung mit europäischen Rundscheiben des 16. Jahrhunderts - bietet die Möglichkeit, die Arbeitsschritte im Werkstattbetrieb genauer zu studieren. Darüber hinaus gestatten diese Varianten die Frage, ob Breu selbst als Glasmaler tätig war, weitgehend zu beantworten.

In diesem Licht betrachtet, unterteilen sich Breus Scheibenrisse in drei große Gruppen. Zunächst die eigenhändigen Zeichnungen - darunter gibt es sowohl anfängliche Skizzen der Bildidee als auch hochvollendete, sorgfältig ausgeführte Arbeiten -; zweitens eine kompliziertere Kategorie von sehr qualitätvollen Tuschezeichnungen mit lavierten Partien und drittens einfache Umrißkopien. Ein eindrucksvolles Beispiel für die erste Kategorie der ausgearbeiteten eigenhändigen Werke ist die Serie von Zeichnungen für "Die Kriege Maximilians", die sich in der Staatlichen Graphischen Sammlung in München befindet. Diese Zeichnungen sind gänzlich auf die Linie hin angelegt, die mit großer Meisterschaft sowohl als Kontur wie als Schraffur verwendet wird. Unterschiedliche Druckstärken, mit denen die Tinte aufgetragen worden ist, dienen dazu, Distanz zu schaffen und auf einer rein ornamentalen Ebene zwischen verschiedenen figürlichen und landschaftlichen Gruppierungen zu unterscheiden. Partien von Parallelschraffuren bilden ein kontrolliertes System von Grauwerten im Entwurf und schaffen ein lebendiges Hell-Dunkel-Muster. Die Ausführung ist klar und exakt.

Die völlig lineare Anlage macht diese Zeichnungen untauglich als Vorlagen für den Glasmaler, der die komplexen linearen Kompositionen in einfachere Farbflächen umsetzen müßte. Solche Zeichnungen stellen aller Wahrscheinlichkeit nach den Meisterentwurf dar, das ausgeführte Konzept, das dem künftigen Auftraggeber gezeigt wurde und, falls er es akzeptierte, als Prototyp für weitere Kopien in der Werkstatt verblieb. Wahrscheinlich ist dies der Status der "Kriege-Serie".

Vor langem brachte Dörnhöffer diese Zeichnungen mit einem Auftrag des Kaisers Maximilian an seinen Hofmaler Hans Knoder über 20 bemalte Rundscheiben in Verbindung, die seinen Jagdsitz in Lermoos schmücken sollten. In diesem Fall diente Breus Könnerschaft lediglich für den Entwurf.

Unter den vielen überlieferten Versionen des Monatszyklus existiert kein exaktes Äquivalent dieses Typs. Die Zeichnungen, die in der Sicherheit ihrer Ausführung dem eigenhändigen Status am nächsten kommen, sind die des Januars in der Graphischen Sammlung der Albertina, Wien, und die sechs Werke aus dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen in Berlin. Sie bilden unsere zweite Gruppe. Wegner war überzeugt, daß sie eigenhändig seien, obwohl Baum sie vor ihm als bessere Werkstattzeichnungen bewertet hatte.

Die künstlerische Qualität ist in der Tat ausgesprochen hoch, doch unterscheiden sie sich von der "Kriege-Serie" insofern, als die Parallelschraffuren, die die schattierten Flächen angeben, leicht laviert und bestimmte Konturen mit dicker aufgetragener Tinte überarbeitet wurden (vgl. die Darstellung des Mai). Ihnen fehlen die strikte Disziplin und Genauigkeit der Linienführung und die selbstbewußte Ausarbeitung eines Schaustockes, die die "Kriege-Serie" auszeichnen. Man spürt ein etwas freieres improvisierteres Umgehen in der Behandlung der Konturen, die eine Verwendung des Stücks innerhalb der Werkstatt näher legt als eine Bestimmung für die Öffentlichkeit. Sie bleiben eigenhändige, möglicherweise zweite Versionen eines mutmaßlichen Originals, gedacht als Arbeitsvorlagen, um den Protolyp als wertvollen Vermögensbestandteil der Werkstatt keinen Belastungen auszusetzen. Die lavierten Partien kann man als Orientierungshilfen für den Glasmaler verstehen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, daß sie zu der Kategorie von Zeichnungen gehören, die in Glasmalereiwerkstätten verbreitet waren und als "Vidimus" (wörtlich "wir haben gesehen") bezeichnet werden.

Wenn, wie im Falle eines privaten Auftrags, der Originalentwurf in den Besitz des Auftraggebers überging, wurde eine Wiederholung dieses Originals - das Vidimus - für den Glasmaler angefertigt. Diese zweite Version hatte den Status eines gesetzlichen Dokuments: Sie legte fest, was der Auftraggeber zu Gesicht bekommen hatte und was der Glasmaler ausführen würde. Die Qualität dieser zweiten Version war daher notwendigerweise ebenfalls sehr hoch und lehnte sich eng an das Original an. Weitere Arbeitskopien konnten dann von dieser Version erstellt werden.

Diese Kopien bilden die dritte Gruppe von Zeichnungen: die einfache Kopie der Umrisse. Die Gruppe der "Monate" aus dem Baseler Kunstmuseum, die auch in der Ausstellung zu sehen ist, kann als gutes Beispiel dafür gelten. Eine Untersuchung des Entwurfs für den "Juni" führt eine Kopie der rudimentärsten und mechanischsten Art vor Augen. Die Linien, die eingesetzt werden, sind einheitlich dünn, entbehren jeglichen inhaltlichen Ausdrucks und deuten so auf die unerfahrene oder desinteressierte Hand eines Lehrlings oder Gesellen der Werkstatt hin, der hauptsächlich Linien nachtuschierte, die von einer originalen Zeichnung übertragen worden waren. Der augenfälligste Hinweis auf einen solchen mechanischen Prozeß ist der Gebrauch zweier Tuschen, die sich abrupt in der Figur der einen Rechen haltenden Bäuerin auf der linken Seite der Zeichnung treffen: der größere Teil des Entwurfs ist in dunkelbrauner Tusche ausgeführt, die plötzlich in den fünf rechten Gewandfalten und in den Haarsträhnen über ihrer linken Wange aufhört. Schwarze Tusche wird verwandt, um sie und ihren Gefährten ganz links zu vollenden. Diese Schnittstelle legt offen, daß der Zeichner, unter Umständen ein Linkshänder, fortschreitend von rechts nach links vorging, bis er keine Tusche mehr hatte. Daß er die Bäuerin von der rechten Seite zu zeichnen begann - die Falten ihres Kleides und ihr Haar -, zeigt, daß er keine graphische Vorstellung der Gesamtfigur besaß, kein Gefühl dafür, wie die Linien die Körperebenen ausdrücken oder einen Teil des Ganzen ausmachen sollten. Dasselbe läßt sich bei dem Bauern feststellen, der zu ihrer Rechten im Profil abgebildet ist. Sein Rumpf ist in brauner Tusche gezeichnet, sein Kopf jedoch plötzlich in Schwarz ausgeführt: der Künstler zog also ganz offensichtlich nur Linien nach. Die Schwäche dieser Methode offenbart sich in der Kraftlosigkeit der rechten Hand der Bäuerin und in der Ausdruckslosigkeit der Gesichter.

Einen weiteren Hinweis darauf, daß man es mit Pausen eines Originalentwurfes zu tun hat, gibt die helle Partie im linken Arm der Frau in der Bildmitte, die mit dem Arm eines senseschleifenden Mannes verschmilzt. Der Kopist hat einige Linien ausgelassen, die die Formen voneinander trennen würden (vgl. den gleichen Entwurf in Dresden oder Göttingen). Dieser "pausenhafte" Charakter wird durch die Art verstärkt, in der Teile der Darstellung den kreisförmigen Rand überschneiden (das geschnittene Gras rechts, der Fuß der linken Bäuerin, die Berge in der Ferne und einige Strahlen, die von der linken Wolke ausgehen). Offensichtlich hatte sich die Zeichnung während des Kopierens leicht verschoben. Schließlich wurden die Gesichter zweier im Vordergrund sitzender Figuren in einem (nicht ganz erfolgreichen) Versuch, ihren Ausdruck besser zu fassen, "freihändig" mit einer breiteren Feder überarbeitet.

Im großen und ganzen fallen die zehn anderen Entwürfe dieser Serie - der "Dezember" fehlt - ähnlich aus. Nur in den Entwürfen des "Aprils" und des "Septembers" findet sich eine stärkere Ausarbeitung und ausgeprägtere graphische Sensibilität, obwohl auch hier klar ist, daß sie einem originalen Prototyp folgen. Der "April" unterscheidet sich vom Rest, indem er Schattierungen aus Parallelschraffuren aufweist, die Zwischenraum schaffen, Volumen andeuten und Ebenen differenzieren. Die "September-Version" steht für sich, dadurch, daß sie freier, in dickeren Linien mit einer breiteren Feder gezeichnet ist und sehr viel ausdrucksvoller wirkt: die Linien schwellen, entsprechend den Volumen, die sie umreißen, an und ab. Die gleiche dickere Feder könnte vielleicht zu der Hand gehören, die die Verbesserungen im "Juni" vornahm und damit zumindest an eine Händescheidung zweier Leute denken läft, nämlich die eines Schülers und die etwas freiere seines Meisters, wenn auch beide weit von Breus Duktus entfernt sind.

Die ührigen Entwürfe folgen dem "Juni" in ihrem Verlaß auf den Umriß und der Vermeidung von Schattierungen ebenso wie in ihrem Charakter als schwache Pausen. Es ist bemerkenswert, daß keine der zahlreichen anderen Kopien und Versionen die nadelstichartigen Umrißlinien aufweisen, die auf eine Übertragung durch Abrieb hinweisen würden. Vermutlich ähnelte die Kopiermethode Cenninis "carta lucida".

Diese einfachen "Kopien" entstanden durch Reduktion komplexer Originale auf die wichtigsten Konturlinien. Sie wurden offensichtlich als Kartons für die Glasmaler verwendet, eigens zu dem Zweck hergestellt, die Konturen des Entwurfs auf die Oberfläche der Glasscheibe zu übertragen. Diese Methode wurde ausnahmslos bei allen überlieferten Scheiben angewandt; die Farbaufträge befinden sich in der Regel an der Unterseite. Die Zeichnung wurde vermutlich unter die Glasscheibe gelegt und die Linien dann einfach auf die Glasoberfläche gemalt.

Eine genaue Untersuchung erweist daher eine beachtliche Ferne der "Kopien" zu Breus eigenhändigen Arbeiten. Sowohl die Serien aus Bern als auch aus Göttingen, die hier gezeigt werden, gehören in die gleiche Gruppe. Und auch das Monogramm H.B., das man auf den Zeichnungen der Göttinger Serie findet, ist, falls noch mehr Beweise vonnöten sind, ein Hinweis auf eine weitere Hand. Nicht nur kommen die oben vorgestellten Versionen ganz offensichtlich aus verschiedenen Werkstätten, sie scheinen auch verschiedene Produktionsstadien zwischen Breus Originalentwurf und dem fertigen Glasbild darzustellen, wobei die einfachsten wohl von Handwerkern, die nicht unmittelbar zum Kreis um Jörg Breu gehörten, angefertigt wurden. Dies legt die Vermutung nahe, daß Breu lediglich als Lieferant von Entwürfen für Glasmalerwerkstätten tätig war.

Maler, Glaser und Glasmaler

Lassen sich die Vermutungen, die aus der Untersuchung der physischen Natur der Zeichnungen gewonnen wurden, durch schriftliche Quellen über die Glasmalerei in Augsburg erhärten? Was hier geklärt werden muß ist, ob die Glasmalerei vorrangig als Tätigkeitsfeld von Glasern oder Malern betrachtet wurde oder wirklich von einer unabhängigen Gruppe von Glasmalern. Die Einträge der Handwerkszünfte sind zu der Zeit, in der Breu lebte, bedauerlich dünn, und genauere Einträge für die Sparte der Glaser setzen erst in den späten 1540er Jahren ein. Trotzdem gibt es ausreichend Material über die Art der zünftischen Bestimmungen, das es ermöglicht, zumindest teilweise die Arbeitsorganisation zu rekonstruieren.

Die Zunft der Kunsthandwerker war in vier Abteilungen unterteilt: die Maler, die Goldschmiede, die Bildhauer und die Glaser. Dieser Aufteilung lag die Annahme zugrunde, daß ein Meister lediglich in dem Bereich arbeiten würde, in dem er seine Lehre absolviert hatte. Bereits 1460 gab es einen Erlaß, der besagte, daß es ordnungsgemäß der Zunft gemeldet werden sollte, wenn einer außerhalb des Bereichs arbeitete, in dem er seine Lehre gemacht hatte. Das deutet darauf hin, daß es solche Überschneidungen gab. Aber wie Huth zeigte, spricht der milde Ton des Erlasses für eine gewisse Toleranz der geläufigen Praxis gegenüber, im Gegensatz zu den strengen Verfügungen und Beschränkungen anderer Städte. Einen weiteren Hinweis auf genaue Kompetenzabgrenzung gibt eine im Jahr 1504 bei der Zunft eingereichte Beschwerde der Maler, die einen "maister adolf kistler" - vielleicht den Bildhauer Adolf Daucher - zwang, jeden Lehrling, der "im nit zustand wider das handwerck der maler arwait", zu entlassen. Im Jahr 1515 findet sich ein deutliches Beispiel für Arbeitsteilung in dem Bereich, der uns hier beschäftigt; in einem Auftrag sollte Hans Burgkmair die Scheibenrisse anfertigen, während ihre Ausführung einem Glaser überlassen wurde.

Was diese spärlichen Einträge zeigen ist, daß die Trennungen zwischen den einzelnen Gewerben im späteren 15. Jahrhundert und vor allem im frühen 16. Jahrhundert, als diese Entwicklung anscheinend noch gefördert worden war, schärfer gezogen wurden. Spätestens 1522 fühlten sich die unterschiedlichen Gewerbe der Zunft hinreichend selbständig und wettbewerbsfähig, um eine Ordnung zu erlassen, die ausdrücklich Tätigkeiten in bestimmten Bereichen ohne die entsprechende Lehre unter Verbot stellt. Die Initiative dazu kam von den Malern:

"Item es ist zu wissen das ein erber Handwerck der maler mit den meren erkannt hat. Wenn sich begäbe das hinfuhr einer das Handwerck kauffen oder annemen wurde oder wollte, derselbig soll sich ains Handwercks allein, welches er under den vieren gelernt hat, underziehen und gebrauchen und sich der anderen aller muessigen und entschlahen. Doch sollend die maister die jetzt vorhanden sind nit begryffen sonder ausgeschlossen sein. Anno 1522 am Sonntag nach Esaltacionis crucis".

Die "merer" (Mehrer) waren einer der regierenden Räte der Stadt, zusammengesetzt aus Zunftmeistern und Patriziern. Die vier Gewerbe, auf die in dem Zitat hingewiesen wird, sind die schon genannten: Maler, Glaser, Bildhauer und Goldschmiede. In bezug auf Breu ist von Bedeutung, daß die Ordnung ausdrücklich die älteren Meister, die schon etabliert waren, ausnimmt: Die Organisationsstruktur der Zunft legt Breu keinen Stein in den Weg, sich als Glasmaler zu betätigen.

Die Ordnung zielte deutlich auf eine jüngere Generation von Meistern, und wir können sie als ein Symptom des umfassenderen Bildes eines wirtschaftlichen Druckes auf das Handwerk sehen. Wie viele andere Städte auch, sah sich Augsburg einer großen Zuwanderung der Landbevölkerung ausgesetzt, die Arbeit suchte und die Mitgliederzahlen der Zünfte in nicht mehr zu handhabende Höhen trieb. Dieses Problem gab es, wie Sebastian Brants Klage im "Narrenschiff" zeigt, auch bereits im späten 15. Jahrhundert:

"Keyn handwerck stat me jnn sym waerdt/
Es ist als überleydt, beschwaert/
Jeder knecht, meyster werden will/
Des sint yetz aller hantwerck vil/
Mancher zu meysterschafft sich kert/
Der nye das hantwerck hat gelert/
Eyner dem andern werckt zu leyd/
Vnd tribt sich selbs dick vber die heyd/
... ... Duont doch nit arbeyt, als man sol/
Dann man hyen sudelt yetz all ding/
Das man sie geben moeg gering".

Eine Generation später sollte ein Bildhauer in einem Holzschnitt von Peter Flötner klagen:

"Viel schöne Bild hab ich geschnitten/
Kunstlich auf welsch und deutschen Sitten/
Wiewol die Kunst jetz nimmer gilt,/
Ich küunt dann schnitzen schöne Bild/
Nacket und die noch leben thaten,/
Die waren veil in Marckt und Städten/
So aber ich daselb nit kann./
Muss ich ein anders fahen an/
Und will mit meinen Hellenbarten/
Eins grossmöchtigen Fursten warten".

Man findet eine fast wörtliche Paraphrase von Brants Worten in einer Zunftordnung der Bildhauer in Augsburg aus dem Jahre 1517, die die Zahl der Lehrlinge, die ein Meister beschäftigen durfte, beschränkt, da durch eine zu große Anzahl das Handwerk "gros beschwerdt und gehindert worden sei". Bezeichnenderweise begrenzten auch die Glaser die Anzahl ihrer Lehrlinge in einem Erlaß des gleichen Jahres. Fortan konnte ein Meister je einen Lehrling für eine Höchstzeit von drei Jahren beschäftigen. Was diese Verfügungen zeigen ist, daß die Überbesetzung die Handwerker dazu zwang, sowohl ihre Gesamtzahl zu beschränken, als auch die Abgrenzungen innerhalb der Zunft deutlicher zu ziehen.

Dem Verbot von 1522, das den Meistern die Möglichkeit nahm, außerhalb ihrer angestammten Tätigkeitsfelder zu arbeiten, wohnt die Tatsache inne, daß dies bis dahin üblich war und daß die älteren Meister mit diesem Überschreiten der Grenzen fortfahren durften. Doch wie sah diese Überschneidung der Arbeitsbereiche eigentlich aus? Ein unveröffentlichtes Dokument von 1560 wirft Licht auf diese Frage. Es betrifft einen Streit um die Zuständigkeiten zwischen genau den Handwerkern, die uns hier interessieren: Malern und Glasern. Je ein Repräsentant dieser Gewerbe machte eine Aussage darüber, was er als Norm erachtete, und in ihren Aussagen enthüllt sich ein deutlicheres Bild bezüglich der Arbeitsteilung und -beschränkung. Hans Burgkmair d. J. äußerte sich für die Maler, daß in den 30 Jahren, in denen er Meister war, und wie es tatsächlich auch schon sein Vater berichtet hatte, jeder Meister lediglich in seinem Bereich gearbeitet habe, den er aber durch Einheiraten in andere Gewerbe erweitern könnte ("... ain Jeder das so er gelernet/allain getriben hab/und die andern handwerck Ime vnnd seinen Kindern/Soenen oder toechtern durch heirat nutz machen mögen"). Daraus ergibt sich, daß jegliche Überschneidungen, wie die farbige Fassung oder das Vergolden von Skulpturen, das Malen auf Glas, von Handwerkern anderer Zweige ausgeführt wurden, die mit der Familie des jeweiligen Meisters durch Heirat verbunden waren. So habe, wie er sagt, niemand anderen Arbeit weggenommen bzw. anderen Interessen geschadet. Dann fährt er mit dem hinreißend versteckten Kernsatz seiner Rede fort: "So hab ain Jeder Maler fuog vnd macht wann er wil glaeser zu kauffen/vnd dieselben jn offnen Laden failzubaben/aber doch kainem glaser gsellen Darauf zuhalten/"; und weiter "Allermassen vnnd gstalt wie gehört/seyen die glaser gemalte tuecher failzuhaben auch befuegen gewesen/". Maler und Glaser hatten gegenseitig das Recht, die Ware des jeweils anderen zu verkaufen, aber ein Maler konnte nicht einen Glasergesellen in seiner Werkstatt beschäftigen (und wahrscheinlich umgekehrt).

Diese Erwähnung der Gesellen wird in dem gleichen Streit von einem weiteren Beschwerdeführer aufgenomrnen. Hans Keltz, der die Bildhauer vertritt und seit 59 Jahren Meister ist, behauptet, daß es zwischen Malern und Bildhauern schon immer üblich gewesen sei, sich die Gesellen gegenseitig auszuleihen, und daß sie sich noch nie darüber gestritten hätten:"... es sey je vnd allweg gebreuchig gewesen/Das die Maler vnnd Bildhawer baiderlay hantwercher gesellen zusamen vnd beyeinander haben halten durff[en] vnd seyen nie voneinander gewesen/Hab sich auch deshalben kain strit noch zwitracht vnder jnen nie erhaben oder zutragen ..."

Nun jedoch befänden sich die Maler und Glaser deswegen im Konflikt miteinander: "Aber die Glaser vnd Maler seyen in disen fall fur vnd fur einander widerwertig gewesen". Hier findet sich der Beweis für die traditionelle Zusammenarbeit zwischen den Handwerken durch den gegenseitigen Austausch von Gesellen für nötige Aushilfsarbeiten. Noch deutlicher wird dies in der Zeugenaussage Hans Brauns, der für die Glaser spricht und seit 50 Jahren im Meisterrang stand. Er habe in dieser Zeit nie jemanden mehr als eine Tätigkeit ausüben oder Gesellen anderer Handwerke einstellen sehen. Er erwähnt einen "Maister Gregori" - Gregor Erhart? -, der für die Herstellung eines geschnitzten Kruzifixes ("ain Creutz herrgot") einen Malergesellen für die farbige Fassung und einen Goldschlägergesellen für die Vergoldung des Lendenschurzes herangezogen hatte. In der letzten Zeit jedoch, fährt er fort, hätten sich bestimmte jüngere Meister gegen solche Gepflogenheiten gewandt, und besonders einer habe sogar einer Witwe Kunden und Personal abspenstig gemacht. Er sei aber gleichwohl ordnungsgemäß dafür bestraft worden.

Die Aussage des vierten Zeugen, des seit 40 Jahren im Meisterrang stehenden Glasers Sigmund 0st, zeigt, wie diese Situation entstanden war. Er erinnert sich eines ähnlichen Streits vor vielen Jahren (aller Wahrscheinlichkeit nach dessen, der zu der oben erwähnten Ordnung von 1522 geführt hatte), in dem alle vier Zweige der Zunft, abgesegnet von den Mehrern, übereinstimmend entschieden, daß jeder Handwerker nur in seinem Tätigkeitsfeld arbeiten sollte. Er fährt fort, daß viele Meister sich dem Beschluß in solchem Maße widersetzt hatten, daß die Angelegenheit vor den Rat der Stadt gebracht wurde. Schließlich wurde entschieden, daß jeder Meister nach eigenem Belieben arbeiten könne, solange er den Interessen anderer keinen Schaden zufüge, und diese Situation wurde erfolgreich beibehalten, bis vor kurzem gewisse junge Meister sowohl das Glaser- als auch das Glasmalerhandwerk ausüben wollten. Besonders, wenn ein Auftraggeber Glas bestelle, sagt er, stellten die Glaser es nicht her, wenn sie es nicht selbst bemalen durften. Andererseits, so fährt er fort, sei es bei kirchlichen Aufträgen, die sowohl Glas- als auch Malerarbeiten enthielten, jahrelang üblich gewesen, daß die Glaser hierfür Glasmalergesellen einstellten. Die normalen Maler ("die flachmaler") würden genauso verfahren.

Das Bild, das sich aus diesen Berichten herauskristallisiert, ist das einer gefestigten Tradition, in der jeder Handwerker die Interessen seiner Kollegen respektierte und nur in seinem eigenen Bereich arbeitete. Wenn die Fertigkeiten eines anderen Handwerks benötigt wurden, griff man zeitweilig auf einen entsprechenden Gesellen zurück. Ein Meister konnte den Gesellen eines anderen Handwerks nicht an seine eigene Werkstatt binden. Obwohl dieses System noch immer gut funktionierte, hatte sich das Recht durchgesetzt, das jedem Meister die Möglichkeit eröffnete, in jedem Bereich tätig zu werden.

In der Praxis scheint sich dies jedoch in Grenzen gehalten zu haben, da noch immer niemand anderen Handwerkern Arbeit wegnehmen durfte. Die Beschäftigung von "hauptberuflichen" Glasmalergesellen sowohl durch Glaser als auch durch Maler ("flachmaler") wird explizit als bei kirchlichen Aufträgen üblich bezeichnet. Erst 1560 spitzte sich die Lage zu, als junge Glasermeister sich anschickten, sowohl die Bemalung als auch die Herstellung ihrer Waren selbst in die Hand zu nehmen. Es waren die Maler, die sie dafür vor Gericht brachten.

Was sagt dies über den Status der Glasmalerei aus? Burgkmairs Vortrag legt nahe, daß familiäre Verbindungen einem Maler erlaubt hätten, für einen Glaser zu arbeiten. Ost hingegen meint, daß häufig auf Glasmalergesellen zurückgegriffen wurde. Insgesamt zeigt das Dokument, daß es eine gesonderte Gruppe von Glasmalern gab, die sowohl von den Glasern als auch von den Malern unabhängig war, und daß es ihre Rechte waren, die bei dieser Verhandlung untergraben wurden.

Solches Quellenmaterial bringt einen der Beantwortung der Frage näher, in welchem Verhältnis Breu zu den Glashandwerkern gestanden haben mag. So erklärt zum Beispiel die Existenz einer eigenen Gruppe von Glasmalern den Status der Baseler Kopien und bestätigt noch einmal den Eindruck, daß sie nicht in Breus direktem Umfeld angefertigt wurden, sondern seinem Handwerk angepaßte Kopien eines Glasmalers waren, die dazu dienten, die Umrisse des Entwurfs auf das Glas zu übertragen. Andererseits schließt die Quellenlage bisher die Möglichkeit nicht aus, daß Breu in seiner Werkstatt auch Glasmalerei betrieben haben könnte. Daher muß die Frage gestellt werden, wie groß diese Gruppe von Glasmalern, besonders zu Breus Lebzeiten, also bis zu den späten 1530er Jahren, war.

Die Archivalien können uns nicht viel Aufschlußreiches mitteilen. Die Untersuchung der Zunftrollen und der Sterberegister, in denen normalerweise die Berufe der einzelnen verzeichnet wurden, erlaubt es, sich ein Bild von der Anzahl der Glashandwerker und ihrer Organisation zu machen. Erwartungsgemäß dominierten einige Familien den Glassektor im 16. Jahrhundert; die Söhne ergriffen normalerweise den Beruf ihrer Väter. Bis auf zwei Fälle im ganzen 16. Jahrhundert bezeichnen die Zunftrollen die Beschäftigten als Glaser. Eine Ausnahme stellt Florian Giltlinger dar, der ausdrücklich als Glasmaler geführt wurde, als er sich 1510 zum Meister qualifiziert hatte. Der andere war der schon erwähnte Hans Braun, eine zentrale Gestalt des Glasgewerbes in Augsburg, wie die zahlreichen Erwähnungen seines Namens in den Quellen zeigen. Er wird manchmal als "glaser"«, häufiger jedoch als "glasschmeltzer" bezeichnet; mit letzterer Berufsbezeichnung unterschreibt er auch seine geschäftliche Korrespondenz, was auf eine vermutlich ungewöhnliche Form der Spezialisierung in diesem Handwerk deutet.

Florian Giltlinger war der Sohn des Malers Gumpolt Giltlinger, von dessen einst allseits bekannten künstlerischen Fähigkeiten heute nur noch die trockene Sprache von Verträgen und Rechnungsbelegen Zeugnis gibt. Aus dem reichen Quellenmaterial weiß man jedoch, daß er einer großen Werkstatt vorstand, die Aufträge in vielen Bereichen, unter anderen auch dem der Glasmalerei, ausführte. Im Jahr 1484 erhielt er eine einzige Bezahlung für Maler- sowie Marmor- und Glasarbeiten im Dom.

Zwei Belege von 1506 und 1509 im Pfarrarchiv in Schwaz in Tirol bezeichnen Giltlinger ("Maister Gumpolt vonn Augspurg") ausdrücklich als "Glasser" und vergüten ihm "der Gesellschaft Glas nach Inhalt ainer Visier 60 Gulden" und "das glaswerch auf der kapellen auf dem freithoff fur geschmeltzs und scheyben glass 56 Gulden".

Giltlinger, der in erster Linie Maler war und als solcher auch bei seinem Tod bezeichnet wurde, scheint also einer großen Werkstatt vorgestanden zu haben, die Aufträge aus verschiedenen Bereichen ausführte. Wahrscheinlich richteten sich die Verfügungen einige Jahre später gegen solche monopolistischen Praktiken. Interessant ist auch die Tatsache, daß Giltlinger seine Söhne in verschiedenen Bereichen ausbildete. Einer von ihnen, Gumpolt d.J., übernahm 1520 den Betrieb des Vaters und wird besonders als Maler bezeichnet. Jahre später, 1554, beginnt wiederum dessen Sohn Christoph bei Amberger eine Malerlehre, um dieses Handwerk fortzuführen. Florian, der bereits erwähnte zweite Sohn Gumpolts d. Ä., wurde 1510 Glasmalermeister. Er starb 1547, und sein Sohn, Endris Giltlinger, übernahm 1563 wiederum seines Vaters Rechte als Zunftmitglied, ebenfalls als Glasmaler. Er sollte 1580 seinen Sohn Christoph als Lehrling einführen, damit er "das Glas und Glasmalern" erlernte. So läßt sich zumindest in einer Familie eine kontinuierliche Tradition von spezialisierten Glasmalern durch das 16. Jahrhundert hindurch verfolgen.

Daß die Glasmalerei einen unabhängigen Berufszweig darstellte, zwar mit dem des Glasers verwandt, jedoch von ihm unterschieden, zeigt der dramatische Höhepunkt einer weiteren unveröffentlichten Quelle aus dem Jahre 1569. In diesem Jahr richtete sich Endris Giltlinger mit der Bitte an den Rat der Stadt, eine Glaserwerkstatt eröffnen zu dürfen. Nach einer ausführlichen Erörterung durch die Repräsentanten der Zunft wurde die Bitte mit der Begründung zurückgewiesen, daß Endris lediglich als Glasmaler ausgebildet worden sei und daher nicht über das nötige Fachwissen verfüge, solch ein Geschäft zu führen. In diesem Fall wurde die Überspezialisierung durch zünftische Sanktionen bestraft. Dieser Vorgang läßt die Vermutung zu, daß die Glasmaler einen recht kleinen Teil der Zunft darstellten.

Es sollte zur Diskussion gestellt werden, inwieweit die Rolle der Familie Giltlinger in der Glasherstellung und -dekoration Auswirkungen auf Breus Auftrag für "Die Kriege Maximilians" gehabt haben könnte. Wie wir oben gesehen haben, erhielt der "Hofmaler" Hans Knoder, der sich damals in Augsburg aufhielt, die Bezahlung für diesen Auftrag. Er sollte bemalte Scheiben herstellen, die die Türen von Maximilians Jagdsitz in Lermoos schmücken sollten. Zieht man Knoders augenfällige Fähigkeiten als Zeichner, Entwerfer und Künstler in Betracht, so erscheint es merkwürdig, daß er die Entwürfe für diesen Auftrag an einen anderen Künstler, Breu, vermittelt haben soll. Welcher Grund hätte dafür bestanden? Eine Antwort wäre, daß er dies gar nicht tat und daß Dörnhöffer ein Fehler unterlief, als er Breus Entwürfe für die Kriegs- und Jagdszenen mit dieser Quelle und diesem Auftrag in Verbindung brachte. Als andere Möglichkeit ist denkbar, daß Knoder als vielbeschäftigter Hofmaler den gesamten Auftrag, also den Entwurf und die Ausführung auf Glas, an andere Künstler vergab. Im Lichte der oben zitierten Aussage Burgkmairs d. J. bezüglich der Bedeutung von familiären Verbindungen für die Arbeitsaufteilung ist es unter Umständen wichtig, daß Knoder mit Gumpolt Giltlingers Schwester verheiratet war. Daher ist es sehr gut vorstellbar, daß Knoder einerseits Breus Meisterschaft als Entwerfer nutzte - die 1516 wegen der kaiserlichen Aufträge (einschließlich der Kampfszenen für die Rathausdekoration) besonders hohe Wertschätzung genoß; andererseits die Fähigkeiten der Giltlinger-Werkstatt auf dem Gebiet der Glasmalerei, um den Auftrag ausführen zu lassen. Knoder hätte in diesem Fall einfach als Vermittler und Koordinator fungiert. Gewiß machen es die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Knoder und Giltlinger doppelt unwahrscheinlich, daß Breu die malerische Ausführung der Glasscheiben übertragen worden wäre, wenn man Giltlingers Fähigkeiten auf diesem Gebiet und die Bedeutung der Familienbande berücksichtigt.

Der andere spezialisierte Glashandwerker, den die Zunftrollen erwähnen, Hans Braun, kann ebenfalls mit den Breuschen Scheibenrissen in Verbindung gebracht werden. In Zusammenhang mit bemalten Rundscheiben hören wir das erste Mal im Jahr 1515 von ihm, als er 14 Florin als Bezahlung "umb 8 Scheiben gemalter gläser in die newen ratstuben gebörig" erhielt. Hans Burgkmair war kurz davor für Entwürfe ("visier zu glesern") entlohnt worden.

Viel später, in den 1530er Jahren, trifft man wieder auf Braun, als er Glasdekorationen für die Kapelle des Jagdschlosses Grünau nahe Neuburg herstellt. Er taucht in einem Eintrag des Baumeisterbuches des Schlosses Neuburg vom Jahre 1531 auf, der besagt, daß er "ain glaswerck von geschmeltzter arbait siebenerlay veldungen in die capellen zur Grienau inhalt gegebner visierungen" vollendet habe. Diese Arbeit sei "zum lustigsten und kunstlichsten" ausgeführt worden, und er hatte 40 Gulden dafür erhalten. Im Jahre 1535 folgte noch eine weitere Bezahlung für "drei geschmeltzte wappenscheiben", auch für das Jagdschloß; weitere Zahlungen für Glasarbeiten wurden 1536 geleistet. Es ist von großer Bedeutung für Breus Arbeitsorganisation, daß seine Werkstatt zwischen 1536 und 1538 mit der Ausgestaltung des Jagdschlosses beauftragt war, das heißt zur gleichen Zeit, in der Braun dort tätig war. Es gibt einen Vertrag von 1537, der Breu die nicht unerhebliche Summe von 200 Gulden für die Ausschmückung unter anderem der Grünauer Kapelle zusichert. Obwohl der dort genannte "Jorgen Prew maler ... zu Augspurg" Breu d. J. sein muß, da der Vater Ende 1536 oder schon Anfang des Jahres 1537 starb, ist es nicht unmöglich, daß Breu d. Ä. für die Entwürfe der Dekoration verantwortlich war. Eine Klausel im Vertrag von 1537 besagt, daß der Künstler nach bestimmten schon vorhandenen Entwürfen arbeiten sollte. Außerdem gibt es im Baumeisterbuch Zahlungsbelege an die Werkstatt Breus für das Jahr 1536. Neben Hans Braun arbeiteten noch zahlreiche andere Augsburger Handwerker am gleichen Projekt: "Hans Flicker von Augsburg", "hans Maurer", "Simprecht, Usmus und Linhart" und "die Zimmerleute Schauer und Bastl". Sie alle wurden getrennt bezahlt. Wie die Dokumente zeigen, führte die Werkstatt Breus nur die malerische Gestaltung aus, während Hans Braun für die Glasarbeiten zuständig war. Falls Breu verantwortlich für die gesamte Dekoration gewesen sein sollte, ist es nicht ausgeschlossen, daß er auch die Entwürfe für die Glasscheiben lieferte. Doch selbst in diesem Fall steht fest, daß Breus Werkstatt - im Gegensatz zu Giltlingers - die Glasmalereien und die Schmelzarbeiten nicht selbst ausführte.

Es ist möglich, daß Breu und Braun bereits in den 1520er Jahren bei anderen Glasaufträgen zusammenarbeiteten. Darauf lassen die Initialen H.B. schließen, die sich auf dem Göttinger Monatszyklus finden. Vorausgesetzt, daß es sich hier um Brauns Monogramm handelt, könnten diese Zeichnungen, eine davon 1526 datiert, Brauns Kartons, Arbeitsexemplare nach dem Breuschen Prototypus gewesen sein. Das wiese auf eine beachtlich lange Zusammenarbeit zwischen den beiden hin.

Wendet man sich den überlieferten Scheiben selbst zu, wird sofort klar, daß sie von verschiedenen Händen stammen. Die beträchtlichen stilistischen Unterschiede zum Beispiel zwischen dem "Oktober" aus dem Augsburger Maximilianmuseum und der Serie der "Geschichte des Josef" aus dem Bayerischen Nationalmuseum in München - beide sehr geschickt gemalt - sind nur durch zwei verschiedene Glasmaler von ganz unterschiedlicher künstlerischer Prägung erklärbar. Die offensichtliche Arbeitsteilung zwischen dem Entwerfer, Breu, und dem ausführenden Glasmaler ist analog zu der zwischen Künstler und "Formschneider" bei der Herstellung von Drucken, wobei letztere ja häufig sehr unterschiedliche Qualität hervorbringen.

Diese Rundscheiben sind zeitgenössische Stücke, aber es gibt noch andere Scheiben, die auf Breus Entwürfen basieren und deren deutlich späteres Entstehungsdatum nachgewiesen werden kann. Eine Rundscheibe in den "Cloisters" in New York, die "Architectura" aus einem Zyklus der Sieben Freien Künste, lehnt sich stilistisch eng an Breus Zeichnungen für einen solchen Zyklus in Wien an. Die Scheibe selbst geht auf eine ebenfalls in Wien befindliche Zeichnung nach einem Breuschen Original, signiert jedoch vom Monogrammisten S Z zurück. Die Situation wird dadurch noch zusätzlich kompliziert, daß sich zwei Monogramme auf der Scheibe befinden, die beide weder von Breu noch von dem Monogrammisten zu stammen scheinen, obwohl sie dem nahekommen. Es gibt noch weitere Varianten dieser Serie: Tobias Stimmer schuf neben einer veränderten Version desselben Entwurfs, jetzt im British Museum in London, auch noch eine "Vestiaria", datiert 1558. Diese Beispiele zeigen sehr deutlich, wie die Breuschen Scheibenrisse in den Glaserwerkstätten Verbreitung fanden und noch lange nach seinem Tod ihre Wertschätzung erfuhren.

Ein weiterer Beleg dafür sind vier stark restaurierte Scheiben aus der Rüstkammer der Sächsischen Kurfürsten in Dresden, welche die "Milicia", "Vesticia", "Mercatura" und "Venatio" zeigen. Sie galten seit 1945 als verschollen und tauchten vor kurzem in den Beständen des ehemaligen Ostberliner Museums für Deutsche Geschichte, die vom Deutschen Historischen Museum übernommen wurden, wieder auf. Die "Mercatura" trägt das Monogramm M und ist auf das Jahr 1562 datiert. Ließe sie sich hypothetisch Hans Miller, einem dokumentierten Augsburger "Glaser", zuordnen? Auf jeden Fall deutet das Erscheinungsbild quellenmäßig und stilistisch darauf hin, daß die Identitäten hinter solchen Initialen eher in den Listen für Glaser als in denen für Maler zu suchen sind.

Es bleibt sehr schwierig, aus den überlieferten Quellen das Ausmaß und den Charakter der Glasmalerei im Augsburg der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Der Beruf des Glasers hat in hohem Maße mit der Herstellung und dem Verkauf von Fensterglas, dem Zuschneiden und Einsetzen von Glasscheiben in Bleifassungen sowie mit dem Verkauf von Glasgefäßen zu tun; das Ganze auf engem Raum, der sowohl Werkstatt als auch Laden war. Es scheint keine örtliche Glasfabrik, die das Rohmaterial herstellte, gegeben zu haben. Auch hier wiederum bieten unveröffentlichte Bittschriften einzelner Glaser an die Zunft, die sich im Augsburger Stadtarchiv erhalten haben, Einblick in den Charakter ihres Gewerbes. In einem Dokument aus dem Jahr 1548 zum Beispiel bittet der "glaser" Jörg Hamer die Zunft um das Recht, venezianische Kristallgläser und Schüsseln ("Cristilinene gleser vnnd Stainine Scudella") verkaufen zu dürfen, neben seinem angestammten Recht, das er von seinen Eltern ererbt habe, auf Verkauf seines eigenen [?], grünen Glases ("die griene gleser"). Er bringt vor, daß er seit Jahren schon venezianisches Kristallglas zu Verkaufszwecken importiert habe. Nun werde er jedoch, wie er behauptet, von auswärtigen Händlern unterboten, denen kein Verbot auferlegt werde, venezianisches Glas öffentlich, teilweise sogar im Hausierhandel, zu verkaufen, und fragt daher an, ob er nicht einen seiner beiden Läden ganz dem Verkauf venezianischen Glases widmen dürfe, den zweiten hingegen - wie die anderen Glaser auch - dem grünen Glas.

In einer anderen Reihe von Dokumenten aus dem Jahr 1558 wendet sich der gleiche Jörg Hamer mit einer größeren Forderung an die Zunft. Er behauptet, am Ufer der Wertach in der Nähe der Stadt weißen Sand gefunden zu haben, der für die Glasproduktion verwendbar sei. Er habe in einer Glashütte bereits Probestücke aus diesem Material angefertigt und sowohl weißes als auch grünes Glas hergestellt. Er setze große Erwartungen darein, das Verfahren weiter zu verbessern und wünsche seine eigene Glashütte in der Nähe seines Hauses oder an irgendeinem anderen geeigneten Ort zu gründen. Dies werde, wie er sagt, der Stadt und der Allgemeinheit zu Wohl und Nutzen gereichen. Die Glaser müßten nicht mehr länger das Glas von außerhalb importieren. In wahrlich unternehmerischer Art fragt er, ob die Stadt Finanzierungshilfen leisten könne, da er die Kosten für den Bau der Glashütte ebensowenig tragen könne wie die für die Anwerbung von geeignetem Personal in Nürnberg oder anderen traditionellen Herstellungsorten. Augsburg hatte also keine eigene Glashütte, und die Glaser der Stadt mußten mit importiertem Rohmaterial gearbeitet haben.

Die Stellungnahme der Glaserzunft zu dieser Bittschrift ist ähnlich entlarvend. Höchst empört empfehlen sie, eine solche umverschämte ("unverschambt") Forderung zurückzuweisen. Hamers Vorschlag, die Glashütte allein zu leiten, sei unerhört, wo es doch andere Glaser, junge und alte, mit größerer Erfahrung, als er sie habe, gebe. Glashütten sollten fernab von Städten liegen, vorzugsweise "in den wildesten wälden", wie in Böhmen, Thüringen, im Schwarzwald oder andernorts, wo genügend Holz verfügbar sei. Im Herzogtum Württemberg duldete Herzog Christoph Glashütten nur in den abgelegensten Gegenden und auch da nur ungern. Besonders der Preis für das Holz und die Asche, die man zur Barchent- und anderer Tuchherstellung benötige, würde stark steigen, und andere Handwerke würden deutlich benachteiligt, wenn dieser Plan erlaubt werden würde. Statt zum Wohle zu gereichen, bewirke solch ein Ansinnen nur Widerstand und Unzufriedenheit im Volk.

Jörg Hamers Auseinandersetzungen mit dem Konservatismus der Zünfte in den 1540er und 50er Jahren kann als symptomatisch für das Anspruchsdenken gesehen werden, das die Glaser in den Kompetenzstreitigkeiten an den Tag legten, und für ihren Kampf um Eigenständigkeit gegenüber den Malern, den wir oben behandelt haben. Sie zeugen vom Zuwachs und von der steigenden Nackfrage nach Glaswaren in der Stadt während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und dem gleichzeitigen Statusgewinn der damit Beschäftigten.

Als Symbol für den Erfolg der Autonomiebestrebungen der Glaser mag eine unveröffentlichte Zeichnung aus dem Kunstmuseum in Basel gelten, die die Arbeit in einem Glasatelier zeigt. Die Kreisform weist darauf hin, daß es sich um einen Scheibenriß handelt, die einfachen Umrißlinien darauf, daß es wohl eine Arbeitskopie war. Kostümhistorisch läft sie sich in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts datieren. Man sieht einen Glasmaler und einen Glaser nebeneinander arbeiten, was dafür zu sprechen scheint, daß zu dieser Zeit die Glasmalerei ein anerkannter Teil des Glasergewerbes war. Der Glasmaler sitzt an seiner Werkbank und bearbeitet eine Wappenscheibe, die er freihändig nach einer Zeichnung an der Wand kopiert. Seine elegante Kleidung läßt ihn fast als Patrizier erscheinen und zeigt dadurch den gesellschaftlichen Status, den das Handwerk für sich in Anspruch nimmt. Sein Kollege arbeitet in einem anderen Teil der Werkstatt und paßt fertige Rundscheiben in Bleifassungen ein. Hinter ihm befinden sich eine offene Kohlenpfanne und ein Blasebalg, wie auch ein Satz Löteisen und andere Werkzeuge, die er für seine Aufgabe benötigt. In beiden Teilen der Werkstatt liegen Stapel von rohem unbearbeitetem Glas, dazu Glasgefäße in verschiedenen Formen und dekorativen Ausführungen.

Wie genau ist diese Darstellung? Anfängliche Zweifel an einer wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe, die durch die unglaubwürdige Nähe des Glasmalers zur Kohlenpfanne genährt werden, verstärkt die Erkenntnis, daß dieser Entwurf eigentlich eine Verschmelzung zweier Holzschnitte des Nürnberger Künstlers Jost Amman darstellt . "Der Glasser" und "Der Glassmaler" entstammen dem Ammanschen "Ständebuch" aus dem Jahre 1568 mit Gedichten von Hans Sachs. Dennoch ist anzunehmen, daß die Unterschiede in Details, die in den Vorlagen fehlen, eigene Bilderfindungen des Glasmalers sind und seinen persöulichen Erfahrungshorizont widerspiegeln. Beispielsweise ersetzt er den gemalten Entwurf aus Ammans Bilderzählung - "Die Erschaffung Evas"? - durch ein Wappen, ein Motiv, das vielleicht der eigenen Tätigkeit des Glasmalers eher entsprach. Er fügte außerdem Regalbretter mit recht unterschiedlichen Glasgefäßen, unter anderen Sanduhren, hinzu und stellte sie über eine Reihe von kleinen Schubladen, die vielleicht Pigmente enthielten. An dem Satz Zangen, an Gegenständen, die wie weitere Greifwerkzeuge aussehen, und an einer anderen Gußform als im Ammanschen Holzschnitt erkennt man, daß trotz des künstlichen räumlichen Zusammenhangs die Einzelheiten der Tätigkeiten und der dazu notwendigen Gerätschaften sehr genau wiedergegeben wurden. Solch eine Rundscheibe, als Werbung für die Fähigkeiten des Glasers in seinem Gewerbe, zeigt recht gut dessen neu gewonnenen Status.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß es Breu sogar noch nach 1522 von der Zunft erlaubt war, Glasmalerarbeiten durchzuführen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, daß er dies je tat. Die Kunst der Glasmalerei wurde spätestens seit 1510 zur Aufgabe von spezialisierten Gewerbetreibenden, die ab den 1560er Jahren eine eigenständige Gruppe von Handwerkern bildeten. Dadurch konnte sich, ähnlich wie etwa durch Holzschnitte, der Einfluß eines Künstlers wie Breu in weitere Regionen verbreiten, selbst noch nach seinem Tod. Es mag paradox erscheinen, daß gerade dieser schöne, gleichwohl untergeordnete Bereich in Breus Schaffen am besten überliefert ist.

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