Die Debatte um den Völkermord an den europäischen Juden

Die Ikonographie der Darstellungen des Völkermordes stützte sich in Europa von Anfang an auf dokumentarisches Material. Die Bilder, entstanden in der Hoffnung, damit das Grauen der Lager zu bezeugen, wurden schließlich benutzt, um eine angemessene Repräsentation der Shoah herzustellen. Doch blieb es ein Problem, mit diesen Bildern eine letztlich unfaßbare Realität zeigen zu müssen. Mit der massenhaften Verwendung der Photographien war der Einzelmensch im Lager zum Exemplar geworden; es war schwierig, Mitgefühl zu entwickeln, weil der individuelle Tod aufging im Massenmord. Die Universalisierung der Bilder hat, trotz bester Absicht, zweifelsohne dazu beigetragen, daß sie trivialisiert wurden.
Die Debatte um den Völkermord an den europäischen Juden spiegelt von Anfang die europäische Dimension, auch wenn in beinahe allen Ländern die Schuld zunächst allein auf Deutschland projiziert, später aber auch die eigene Verstrickung diskutiert wurde. Daraus ergab sich die Einsicht, daß diese Erfahrung die europäischen Nationen verbindet. Der auf dieser Grundlage entstandene Wertekonsens gewinnt ständig an Bedeutung. Seit den 70er Jahren wurde der Völkermord an den Juden zum Paradigma des 20. Jahrhunderts, zum Symbol des Bösen schlechthin.
Die osteuropäischen Staaten mit ihrer eigenen Nachkriegsgeschichte unter kommunistischer Herrschaft diskutieren diese Frage jedoch in einem anderen Erfahrungsraum. Der Völkermord an den Juden ist für viele dieser Länder ein Massenmord neben anderen gewesen, den die Gesellschaften erlitten. Eine differenzierte Bewertung der Geschichte hat gerade erst begonnen.

Das Gedächtnis
Anne Frank
Universalisierung
Dekonstruktion der Stereotypen