Konfliktherde

Für die Ausstellung EXODUS in São Paulo wurde ein umfassendes Landkartenwerk zu den Krisenregionen, in denen Salgado arbeitete, erstellt. Sie werden durch fünf Kurzbeschreibungen von Staaten, deren Einwohner in der Ausstellung porträtiert wurden, ergänzt.

Die beschriebenen Staaten stehen exemplarisch für die einzelnen Teile der Ausstellung.

Afghanistan

Islamische Republik. Fläche: 625 225 qkm,
Einwohner: 23 481 000, Hauptstadt: Kabul.

Von 1979 bis 1986 regierte der Kommunist Babrak Kamal als Regierungschef. Trotz brutaler Kriegsführung konnte er den Widerstand der vom Westen unterstützten Mudschaheddin nicht brechen. Nach dem Rückzug der sowjetischen Truppen eroberten 1992 die Mudschaheddin Kabul. Ab 1998 übernahmen die sogenannten Taliban-Milizen die Regierungsgewalt über 80% der Landesfläche. Die Taliban machten die Scharia, das islamische Sittengesetz, zur Grundlage ihres Staates.

Demnach dürfen z.B. Mädchen keine Schule besuchen und Frauen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.
Afghanistan wird zur Zeit von der größten Dürre seit 30 Jahren heimgesucht. Nur ein Fünftel der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist 43 Jahre. Jedes vierte Kind stirbt vor dem fünften Lebensjahr.

 

 

Ruanda

Präsidialrepublik. Fläche: 26 338 qkm,
Einwohner: 6 400 000, Hauptstadt: Kigali.

Die Hutu, ein Bantuvolk, kamen wahrscheinlich im Lauf des 14. Jh. nach Ruanda. Die Einwanderung der Tutsi, ein Hirtenvolk, begann ca. 100 Jahre später. Die Tutsi unterwarfen die Hutu. Das eingeführte gesellschaftliche Gefüge blieb auch während der Kolonialzeit, in der Ruanda und das Nachbarland Burundi an Deutsch-Ostafrika angeschlossen war, bestehen. 1962 entließ die UNO Ruanda in die Unabhängigkeit. Erster Staatspräsident wurde der Führer der Hutu-Partei PARMEHUTU, Grégoire Kayibanda.

Ein Jahr nach der Erlangung der Unabhängigkeit drangen Tutsi-Milizen in Ruanda ein, um die Huturegierung zu stürzen. Seitdem herrscht Bürgerkrieg, der 1994, als die Tutsi die militärische Oberhand in Ruanda erlangten, zu grausamen Massakern an der Hutubevölkerung und zu dem größten Massenexodus in der jüngeren Geschichte Afrikas führte. Mitte 1994 marschierten die Hutu in Kigali ein und erklärten einen einseitigen Waffenstillstand. Zum Staatspräsident wird der Hutu Pasteeur Bizziimungu (seit 1994) ausgerufen. Seitdem bemüht sich die Regierung um eine zügige Rückführung der Flüchtlinge. Das Schicksal von 200 000 Menschen bleibt weiterhin ungeklärt.

 

Sudan

Islamische Republik. Fläche: 2 505 813 qkm,
Einwohner: 26 707 000, Hauptstadt: Khartum.

Der Sudan ist das größte Land Afrikas und das zehntgrößte der Welt. Der Landesname leitet sich vom arabischen Bilad As Sudan ab, was Land der Schwarzen heißt. 1959 wird der Sudan unabhängig. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in den südlichen Provinzen bereits Bürgerkrieg, da die Autonomieforderungen nicht erfüllt wurden. Ein Putsch 1956 brachte das Militär bis 1986 - mit kurzer Unterbrechung - an die Macht. Aus den Wahlen 1986 ging die Umma-Partei als Siegerin hervor, diese Regierung wurde 1989 wieder gestürzt.

Der neue Machthaber General Ahmad Al Bashir betrieb die Umwandlung des Sudan in einen islamischen Staat. Die Scharia wurde zwar für die christlichen Landesteile aufgehoben, trotzdem konnte der Bürgerkrieg bis heute nicht beendet werden.
Der Sudan gehört zu den fünf afrikanischen Staaten, aus dem die meisten Flüchtlinge kommen und gleichzeitig zu den Staaten, die die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben. Außerdem ist es das Land mit den meisten Binnenvertriebenen der Welt: Vier Millionen Menschen sind Opfer des ewig scheinenden Konfliktes zwischen den Bürgerkriegsparteien.

 

Vietnam

Sozialistische Republik Vietnam. Fläche: 331 114 qkm,
Einwohner: 73 475 000, Hauptstadt: Hanoi.

Der 1945 ausgebrochene Indochinakonflikt zwischen Frankreich und Vietnam sollte mit dem Genfer Abkommen von 1954, das eine Teilung Vietnam am 17. Breitengrad entlang des Flusses Bên Hai vorsah, beendet werden. Dazu kam es nicht. Der Vietnamkonflikt wurde ein typischer Stellvertreterkonflikt im Kalten Krieg zwischen der USA und der Sowjetunion. Nach einem verlustreichen Krieg für alle beteiligten Seiten schlossen die Kriegsparteien 1973 einen Waffenstillstand, was zum Abzug der US-Truppen führte.

Am 2. Juli 1976 erfolgte die offizielle Wiedervereinigung von Nord- und Südvietnam zur Sozialistischen Republik Vietnam. Millionen von Südvietnamesen kamen in Umerziehungslager oder wurden umgesiedelt. Die ersten Flüchtlinge, die Vietnam verließen, waren 130.000 Südvietnamesen, die für die Regierung gearbeitet hatten oder enge Kontakte mit den USA hatten. Weitere Flüchtlingsgruppen folgten, 1978 auch die chinesische Minderheit. 1979 erklärten sich einige europäische Länder bereit, Vietnamesen aus den Lagern Hongkong, Malaysia und anderen südostasiatischen Ländern aufzunehmen. Zwischen 1977 und 1990 kamen über 155.000 Vietnamesen auf See ums Leben.

 

Brasilien

Bundesrepublik. Fläche: 8 547 404 qkm,
Einwohner: 161 365 000. Hauptstadt: Brasília.

Das fünftgrößte Land der Erde ist fast so groß wie Europa. Der Landesname geht auf die indianische Bezeichnung brasil für das rotfarbene Palisanderholz zurück. Mehr als drei Viertel der Brasilianer leben in urbanen Zentren. Das Ackerland ist seit den Zeiten der portugiesischen Kolonialherrschaft im Besitz einer kleinen reichen Minderheit. Die Mechanisierung der Landwirtschaft und die Umwandlung von bebaubarem Ackerboden in Viehweiden ließen Arbeitsplätze Mangelware werden.

Viele Bauern und Landarbeiter ziehen aufgrund ihrer aussichtslosen ökonomischen Situation in die Städte. Durch dies Landflucht vergrößern sich die Elendsviertel der Metropolen.