Adolf M. Birke

Prinz Albert und die deutsche Frage

Kaum eine historische Persönlichkeit ist so geeignet, die positiven Elemente der deutsch-britischen Beziehungen zu symbolisieren wie Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, der Gemahl Königin Victorias. Im Vereinigten Königreich wurde seinem Wirken stets große Aufmerksamkeit zuteil, obwohl er dort zu Lebzeiten keineswegs unumstritten war. Erst nach seinem frühen Tode im Jahre 1861 wuchs die Popularität des deutschen Prinzen in England. Nicht nur die jahrzehntelange Trauer der Witwe trug dazu bei, das Gedenken an ihn wachzuhalten. Denkmäler wurden an vielen Orten des Landes für ihn errichtet; Straßen, Städte, selbst eine kanadische Provinz tragen noch heute seinen Namen. "The Royal Albert Hall" heißt die imposante Festhalle am Londoner Hyde Park, aber auch zahllose Pubs schmücken sich mit dem Namen des Prinzen. Albert ist so selbstverständlich zu einem festen Bestandteil des britischen nationalen Erbes geworden, daß darüber die Bedeutung seiner deutschen Herkunft fast schon in Vergessenheit gerät.

Die positive Erinnerung an den Prinzgemahl Victorias beruht nicht nur auf verklärender Legende, wie sie zweifellos von der Königin selbst - und keineswegs nur zu seinem Vorteil - initiiert und gefördert wurde. Vielmehr hat gerade die neuere historische Forschung in zunehmendem Maße die herausragende Bedeutung des Coburger Prinzen für die frühe viktorianische Epoche erkennbar werden lassen. Albert verfügte über eine einzigartige Stellung. Sein immenser Einfluß auf Victoria bewirkte, daß das königliche Paar auch im politischen Bereich als eine nicht mehr unterscheidbare Einheit in Erscheinung trat. Sie handelten als eine Person. Durch seine hohe moralische Integrität, die nicht frei von Rigorismus war, hat der Prinzgemahl wesentlich dazu beigetragen, das Ansehen der Krone zu steigern und deren Rolle unter den veränderten Bedingungen eines durch Wahlrechtsreform dynamisierten parlamentarischen Systems zu stabilisieren. Sein hoher Intellekt, seine vielseitigen Interessen, seine von Optimismus und Fortschrittsglauben geprägte Reformtätigkeit, die sich auf breite Bereiche des kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlich-industriellen und sozialen Lebens erstreckte, führten ihn zu zahlreichen Aktivitäten, aber auch zu überfordernder, rastloser Tätigkeit, die seine Energien vorzeitig aufzehrte.