Asa Briggs

Die Stellung der Monarchie im viktorianischen Großbritannien

Königin Victorias außergewöhnlich langes Leben - sie regierte länger als jeder andere britische Monarch - verlieh einem Zeitalter beispiellosen gesellschaftlichen Wandels sowohl Kontinuität als auch Identität. Schon für die Zeitgenossen wurde ihre Regierungszeit zu einer Epoche, die durch ihren Ereignisreichtum in der Geschichte der Monarchie einen besonderen Platz einnahm. Als Victorias unmittelbarer Vorgänger, ihr Onkel William IV., nach einer ebenso kurzen wie bewegten Regierungsszeit 1837 starb, verlautbarte die Times geringschätzig, "die Ereignisse seines Lebens ziemen nicht als Stoff für Biographen, sind sie doch überwiegend ein Ausdruck des Gewöhnlichen in der Geschichte". Der Gegensatz zu Victoria war auffällig. Als die Königin 1901 starb, waren sich viele darin einig, daß man seit König Alfreds Tod vor über einem Jahrtausend im Jahre 899 keinen so großen Verlust mehr erlebt habe.

Die Tatsache, daß Victorias Tod und das Ende eines "wunderbaren Jahrhunderts" beinahe zusammenfielen, verschärfte bei ihrem Tod in der Öffentlichkeit das Gefühl eines historischen Umbruchs. "Was für politische und soziale Veränderungen wird dieses Ereignis wohl einleiten", fragte sich Lord Esher, eine der zentralen Figuren des Hofes, als ihr ältester Sohn Edward VII. im Januar 1901 den Thron bestieg. "Es ist, als begännen wir ein neues Leben in einer neuen Welt." Esher bezog sich dabei auf den Hof und den Monarchen in seinem Mittelpunkt, aber in den Augen der meisten Menschen hätte man dasselbe auch über das Land als Ganzes sagen können. Man trauerte der Königin nach und die meisten ihrer Untertanen taten sich schwer mit der Vorstellung, daß sie nun einen König statt einer Königin hatten.