Nur wenige Wissenschaften vereinen so deutlich gelehrte und ungelehrte Triebkräfte wie die Rassenforschung der Jahrhundertwende. Der Vormarsch der Naturwissenschaften trug allgemein zu einer Sicht auf den Menschen bei, die auf Beobachtungen baute. Alle Eigenarten des Menschengeschlechts zu messen und zu beschreiben, wurde für viele Anthropologen und Rassenbiologen zur Forschungsaufgabe per se. Indem sie Individuen in abgrenzbare ›Rassentypen‹ klassifizierten und unter ihnen eine Rangordnung aufstellten, legitimierten die Rassentheorien auch eine spezifische Gesellschaftsordnung. Es war eine Ordnung, in der der Europäer mit gutem Gewissen den Afrikaner ausbeutete, in der man der Frau unter Verweis auf die Größe ihres Gehirns Rechte verweigerte und in der man Kriminalität als angeborene Eigenschaft betrachtete. Die Rassenforschung war nur in dem Grade genau, wie man ihre Ergebnisse immer als Bestätigung der Vorherrschaft des weißen Mannes interpretieren konnte.
Kat.-Nr. 278: Ein Stündchen bei den Schädelmessern, in: Daheim, 1879, Beilage 29, Zeitschrift (Berlin, Staatsbibliothek)

 

Die schwedische Rassenforschung zeichnete sich lange Zeit durch Kartographieprojekte aus. Messungen an 45.000 Rekruten in den Jahren 1897/98 folgte zu Beginn der 1920er Jahre eine an 100.000 Schweden vollzogene Studie. Das staatliche rassenbiologische Institut in Uppsala, gegründet von Hermann Lundborg, zeichnete damals Körperlänge, Haarfarbe, Nasen- und Ohrenbreite sowie eine Reihe anderer Daten auf. Jahrzehntelang vermaß man die schwedischen Samen. Die gigantischen Kartographierungen der menschlichen ›Rassentypen‹ erscheinen heute unbegreiflich, aber sie beruhen auf Vorstellungen, die im Gegensatz zur rassenbiologischen Forschung nicht ausgestorben sind.
Kat.-Nr. 276, 277: Schädelmeßgerät, 33 x 12 cm, verchromtes Metall (Uppsala, Institut für medizinische Genetik), Haarfarbentafel nach Fischer-Saller mit Etui, 15 x 10 cm (Uppsala, Institut für medizinische Genetik)