5.1 Expedition durch Tunesien (1896–1897)

 

Carlo von Erlanger brach am 17.10.1896 zu einer Expedition durch Tunesien auf. Am 19.10. kam er in Marseille an. Dann ging es mit einem Dampfer der Compagnie Transatlantique „Ville d’Oran“ nach Tunis hinüber. In Tunis legte er als erstes der dortigen Regierung verschiedene Empfehlungsschreiben vor. Diese Schreiben sollten bewirken, dass ihm bei der Überschreitung der südlichen Grenze Tunesiens von den dortigen Militärbehörden keine Schwierigkeiten bereitet würden. Nachdem er weitere Besorgungen getätigt hatte, erreichte er teils per Bahn, teils per Schiff am 30.10. Gabes. Hier hatte inzwischen Paul W. Spatz [1] die Ausrüstung der Expedition abgeschlossen. Spatz traf nicht nur alle notwendigen Vorbereitungen, wie die Anwerbung der Eingeborenen, die Beschaffung der Dromedare, Pferde und Esel sowie der mitzuführenden Konserven, sondern stellte auch seine Zelte bereitwillig zur Verfügung. Auf dem beschwerlichen Weg stand auch Carl Hilgert [2] Erlanger mit Tatkraft zur Seite und half ihm, die erlegten Vögel zu präparieren. Auch half er die Bälge zu etikettieren und die zahlreichen Gelege auszublasen, zu numerieren und zu verpacken.

Da Erlanger bei der Ankunft in Gabes alles schon für eine Wüstenwanderung vorbereitet vorfand, musste nur noch die Lastenverteilung an die Dromedare erfolgen, ehe die Karawane am 3.11. in aller Frühe Gabes verließ. 4 Europäer und 6 Hamerna bildeten die Mitglieder der Karawane. Als Lasttiere standen ihnen 6 Dromedare, 4 Pferde und 2 Esel zur Verfügung. Außerdem wurden Kabylenhunde mitgeführt, die als Wachhunde in der Nacht dienten. Anfangs passierten sie zwei Oasen, doch bald verlor sich die Steppe und es folgten nur noch Sümpfe. Am 4.11. durchquerten sie eine mit Sebkhra-Formation durchzogene Ebene bis Nadour und zogen am 5.11. den Meeresstrand entlang. 4 Kilometer nördlich der englischen Halfe-Factoreien Skirrha machte die Karawane halt und verweilte auch am nächsten Tag, dem 6. November, dort. Von Skirrha gelangten sie am 7.11. nach Mahares, wo sie auf die Insel Kneiss übersetzen wollten, jedoch von starkem Wind gehindert wurden. Am 12. 11. setzten sie endlich nach Kneiss über. An dieser Exkursion nahmen aber nur die Europäer und ein paar Araber teil. Die Dromedare, Pferde und Esel wurden derweil von den restlichen Arabern nach Gabes zurückgebracht. Vom 14. bis 17.11. statteten sie der von Möwen, Reihern und Kormoranen bewohnten Insel einen Besuch ab. Am 17.11. fuhren sie bei günstigem Wind nach Gabes zurück, um am 20. November, nach einer dreitägigen Ruhepause, von neuem loszuziehen. Sie wanderten nach Zarat, einem kleinem Dorf, wo sie vom 22. bis 24. November sowohl am Meeresufer als auch in der Sebkhra Mezessar sammelten. Am 25.11. folgten sie dem Lauf des Oued Mezessar, wo sie Vögel beobachteten und sammelten. Am 28.11. traten sie den Rückmarsch nach Gabes an, wo sie bis zum 8. Dezember verweilten.

Dann beluden sie von neuem die Dromedare und wanderten zu der Oase El-Hamma. Von dort marschierte die Karawane zum Oed Beschima und von dort zum Oed Nachla. Dort gingen sie täglich vom 10. bis 13. Dezember jagen. Am 15.12. machten sie sich erneut auf den Weg und wanderten nach Kebilli. Dort gab es, entgegen den Versprechen der Behörden in Tunis, Schwierigkeiten mit dem Militär. Nachdem in Kebilli die Formalitäten geklärt waren, zog die Karawane am 16.12. weiter nach Djimna und schlug dort ihr Lager auf. Am 17. Dezember zogen sie weiter nach Duoz, wo Erlanger die Zahl der Dromedare von 6 auf 13 aufstockte und noch 5 Merasigk anwarb. Somit zogen 12 Araber und 4 Europäer mit 15 Dromedaren los. Da sich das Wetter drastisch verschlechterte, konnten sie erst am 22.12. ihren Weg fortsetzen. Es ging an der Quelle el Fidia vorbei, über Ain Djabar bis zum Bir Touils, auf dem ein Brunnen stand, aus dem sie den Wasservorrat für die nächsten Tage entnahmen. Am Tag nach dem heiligen Abend, dem 24. Dezember, machte sich die Karawane auf und musste auf ihrem mühseligem Weg durch die Wüste 70 bis 100 Meter hohe Dünen bezwingen. Am 26.12. bestiegen sie den Timbain und wanderten am darauffolgenden Tag weiter durch die Sandwüste. Den 28.12. nutzten sie zu einem Ausflug zum Dekanis, bevor sie ihr südliches Vorgehen wegen starken Regens abbrechen mussten. Sie quälten sich am 1. und 2.01. wieder durch die Wüste, wobei ihnen die rapiden Temperaturwechsel, von  unter 0 Grad bei Nacht und über 30 Grad  tagsüber, sehr zu schaffen machten. Dabei erkrankten manche Araber so schwer, dass sie von der Gruppe fast aufgegeben wurden. Erst am 4.01. marschierten sie weiter und ließen die hohen Sanddünen und den Gur-el-Areif hinter sich. Nachdem sie ihr nächstes Ziel, den Galb-el-Assued, erreicht hatten, beschlossen sie, dort bis zum 8. Januar zu sammeln und zu jagen. In diesen Tagen erlegte allein Erlanger 14 weiße Gazellen.

Als sie nach weiterer Wanderung  den eintägigen Aufenthalt  am Bou-Kartouf abgeschlossen hatten, landeten sie am 13.01. am Sanger, wo sie sich bis zum 14.01. aufhielten. Dabei konnten sie aber außer ein paar Raben fast keine Vögel beobachten. Dann wurde die Reise, die nun durch die Steinwüste führte, fortgesetzt. Am Ziel, dem Oued Oum-el-Graf, den sie am 16.01. erreichten, wurden sie bei der Jagd von einem Sturm heimgesucht, der die Zelte zum Einstürzen brachte. Nach mehreren kleineren Ausflügen ging ihr Marsch durch die vegetationslose, steinige Steppe, bis sie in Medenine ankamen, wo sie auch den Tag darauf verweilten. Vom Südwestabhang des Tadgera, über den Oued Souenia und die Städte Mareth so wie Ketena gelangten sie endlich am 27.01. wieder nach Gabes.

Nach diversen Vorbereitungen und Erledigungen brach die Karawane am 22. Februar zum dritten Mal von Gabes auf und passierten dabei die Dörfer Djara, Bou-Chema, Metouia und Ouderef, um am Abend Oglet Telemine zu erreichen. Nach kräftigem Regen führte sie die Expedition zu den Gebirgen bei Fedjedj. Am 24.01. folgte der Weitermarsch, der aber wegen des eintretenden Regens und des daher so schlammigem Bodens bald abgebrochen werden musste. Nachdem der Regen über Nacht die Zelte überflutet hatte, konnte die Karawane erst am 26.01., und diesmal bei prächtigem Wetter, ihre Reise Richtung Bir Selousa fortsetzen. Am Abend des folgenden Tages schlugen sie ihr Lager am Bir Mrabot auf, der für Karawanen eines der wichtigsten Verkehrszentren in Südtunesien darstellte. Hier konnten sie viele Vögel beobachten, die die hohen Hecken als Brutplatz nutzten. Auch Klippenhühner, die sich in den Felspartien am Bir tummelten, waren zu sehen. Die Karawane machte sich am nächsten Tag wieder auf den Weg, wobei Erlanger und Spatz diese verließen, um über das Dorf El-Guettar nach Gafsa vorzureiten. Am Abend erreichte dann auch die Karawane die Oase Gafsa, wo nicht das normale Lager mit Zelten aufgeschlagen wurde, sondern drei Kammern über einen längeren Zeitraum gemietet wurden. Diese Räumlichkeiten wurden auch als Küche, Präparationswerkstatt und Depot für Lebensmittel bzw. einen Teil des Gepäcks genutzt; dadurch wurden die Dromedare sehr entlastet. Nachdem am Vortag die Expeditionsgegenstände in Ordnung gebracht worden waren, brach die Karawane am 1. März die Reise nach dem Djebel Tfel an. Am Abend erreichten sie das Hochgebirge und machten sich am 3.03. zu dem Horst eines Lämmergeiers, der auf dem weitaus höheren Djebel Atig lag, auf. Bei diesem berschwerlichen Aufstieg entdeckte die Gruppe auch den Horst der Bonelli-Adler. Bis zum 9.03. konnten sie mehrere Adler erlegen und sogar dem Horst ein paar Eier entnehmen. Bei den Geiern hatten sie weniger Glück, denn sie konnten sich dem Horst nur immer 50 bis 60 Fuß nähern. Nachdem sie am 10.03. wiederum nach Gafsa zurückgekehrt waren, um den Proviant aufzufüllen, brachen sie am 12.03. in die Richtung des Djebel Sidi-Ali-ben-Aoun auf. Am Batumate vorbei schlugen sie ihr Lager vom 14. bis 20. März am Fuße des Sidi-Ali-ben-Aoun, in der Nähe eines Dorfes, ihr Lager auf. Am 21.03. verlegten sie ihr Lager an den Fuß des hohen Djebel Sidi-Aich. In der folgenden Nacht wurden sie von Räubern heimgesucht, die aber flohen, als die unruhig werdenden Pferde das Lager weckten.

Nach der Rückkehr zum Djebel Sidi-Ali-ben-Aoun am 1. April wanderte die Karawane am 16.04. nach Djebel Freiou, wo sie bis zum 21.04. verweilte. Den 21. April nutzen sie, um - mit ornithologischem  und zoologischem Material förmlich überladen - nach Gafsa zurückzukehren. Dort kamen sie dann am 24.04. an. An gleicher Stelle wurden sie in der Nacht des 1. auf den 2.05. wiederum Opfer von Räubern. Diese wurden durch einen Kampf besiegt, bei dem Erlanger jedoch eine Stichwunde im Gesicht. davontrug.

Sie durchstreiften weiter Hochgebirge und Steppen, in denen Vögel brüteten. Nach einiger Zeit kehrten sie wieder nach Gafsa zurück und verbrachten dort die Zeit vom 25. April bis 5. Mai mit dem Auswerten der gesammelten Materialien. Auch sammelten und beobachteten sie weiterhin Vögel in den nahe gelegenen Oasen von Tozer und Nefta. Zum letzten Mal verließ die Karawane am 5.05. Gafsa und wanderte in die Richtung des Bou-Hamran. Dort schlugen sie in der Nähe eines Dorfes ihr Nachtlager auf und wanderten schon am nächsten Tag zum Bir Saad. Noch am Abend erreichten sie den Thalla und verblieben an dieser Stelle bis zum 9.Mai. Langsam machten sie sich auf den Rückweg nach Gafsa, diesmal durch das südlich von Thalla liegende Seggi, und schlugen ihr Lager am Bir Selousa auf. Hier kauften sie einem kleinen Jungen 150 Gelege ab, die dieser gesammelt hatte. Vom Madjen-bel-Abbes, wo das Spießflughuhn vielfach auftrat, über den Bir Garah, erreichten sie am 30. Mai den Oued Kasserine. An dieser Stelle fanden sie eine große Zahl von Falken, Felsentauben, Bienenfressern, Blauracken und Schwalben. Am 7. Juni ging es dann am Djebel Chambi entlang zu der Quelle Ain-bou-Dries. Diese wurde am 19.06. wieder verlassen und so erreichten sie am 20.06. den Palast des Kaids von Thalla, in dessen Nähe sie auch ihr Lager aufschlugen. Über den Djebel Zrissa, den Bir Brana und El-Kef gelangten sie am 6. Juli nach Souk-el-Arba, wo sie für kurze Zeit in der Rue de la glacière eine Wohnung mit vier Zimmern mieteten. Am 7.07. trafen auch Paul W. Spatz, Carl Hilgert und Johann Holtermüller ein, die die Lasttiere in der Zwischenzeit verkauft hatten. In Souk-el-Arba verpackten sie das ganze Gepäck und die Zelte. Außer zweien setzten alle Araber am 12. Juli mit einem Dampfer nach Gabes – ihrer Heimat – über. Damit war die Expedition erfolgreich beendet worden.

Noch heute kann man die gesammelten Tierpräperate dieser Expedition im Senckenbergmuseum in Frankfurt/M. bewundern. [3] 

 


[1] siehe 5.3.

[2] siehe 5.3.

[3] Lit. Verz. Nr. 3