6.2 Protokoll eines Besuchs im Senckenberg-Museum Frankfurt

am 16.01.01

 

 

Teilnehmer: Kristian Kordsmeyer, Thomas Mendelssohn, Jens Weusmann, Klaus Schniepp-Mendelssohn

 

Gesprächspartner:  Dr. Mayer, Dr. Konrad Klemmer (Ornithologen)

 

Nach Anmeldung holt uns Dr. Mayer am Eingang ab und führt uns in die Büros. Er sagt uns, dass er selbst sich nicht eingehend mit Carlo von Erlanger beschäftigt hat, jedoch sein Kollege Dr. Klemmer, der noch kommen will.

Dr. Mayer geht zunächst mit uns durch mehrere Depoträume, in denen es teils nach Verwesung, noch stärker aber nach Naphthalin (Mottenpulver) riecht. In riesigen Schubladenschränken sind zehntausende Vogelbälge aufbewahrt und beschriftet. Die Gefieder bleichen bei Licht aus und deshalb müssen die Vögel im Dunkeln aufbewahrt werden. Das Naphthalin schützt vor Mottenfraß.

Dr. Mayer zieht einige Schubladen auf und zeigt uns Erlanger-Präparate von ca. 1902. Die Gefieder sind farblich einwandfrei erhalten. Die Vögel sind ausgeweidet, die Augen ebenfalls entfernt. An einem Fuß befindet sich jeweils ein Zettel mit der Bestimmung, dem Fundort und dem Donator. Nach Mayers Angaben sind die ersten 12 000 Exemplare der ornithologischen Sammlung des Senckenberg-Museums von Carlo von Erlanger, sodaß er praktisch den Grundstock der Sammlung gelegt hat. Andere Präparate stammen von v. Berlepsch.

In den Schubladen befinden sich jeweils ca. 10 Tiere derselben Art, je nach Größe. Auch verschiedene Haubenlerchenarten, über die v. Erlanger besonders geforscht hat, bekommen wir zu sehen. Wir können im Depot zwei Fotos machen bei geöffneten Schubladen und demonstrierten Exponaten. Die Folge ist auch, dass wir den ganzen Tag noch nach Mottenpulver stinken. Zurück im Büro spricht Dr. Mayer über sein Arbeitsgebiet, die Paläoornithologie.

Wir bauen unser Aufnahmegerät auf und Kristian stellt die Fragen, die wir uns zusammen überlegt haben. Dr. Mayer antwortet uns so gut er kann. Er hat über Carlo von Erlanger nur einmal einen Vortrag gehört. Wir fragen ihn auch nach seiner Bewertung der damaligen Forschungsmethoden. Er antwortet: Im Prinzip gelten sie zum Teil heute noch. Amerikanische Ornithologen sammeln weiter Vogelbälge. Neuere Methoden vermeiden das Töten der Tiere und beschränken sich auf Videodokumentation. Allerdings habe das Töten von Tieren zu Forschungszwecken noch nie eine Art gefährdet.

Schließlich kommt noch Dr. Klemmer zu unserer Runde dazu. Wir stellen ihm im Wesentlichen noch einmal die gleichen Fragen. Er hat sich mehr mit v. Erlanger beschäftigt und erzählt uns, dass die Erlangers eine jüdische Frankfurter Bankiersfamilie waren. Das erklärt den finanziellen Hintergrund Carlo v. Erlangers, der praktisch als Privatgelehrter forschen konnte. Klemmer betont, dass es damals bei reichen Leuten üblich war, einen Teil ihres Vermögens für das Gemeinwohl auszugeben.

Zu dem Zweck der Erlanger-Forschungen befragt wird klar, dass es im Wesentlichen darum ging, die Theorien Darwins zur Evolution nachzuweisen. Dazu war die Zoogeographie neben vergleichender Morphologie, Paläontologie und Embryologie ein wichtiger Forschungszweig. Ein und dieselbe Tierart hat sich in unterschiedlichen Umweltbedingungen unterschiedlich weiterentwickelt.

Dr. Mayer bringt uns noch einige Erlangersche Originalarbeiten, die das Senckenberg-Museum archiviert hat. Davon und von der Gesprächsrunde machen wir noch einige Fotos und versprechen unseren Gesprächspartnern eine Kopie der fertigen Arbeit.

Zum Schluss führt uns Dr. Klemmer noch in den Keller, wo neben zahlreichen Büsten bedeutender Naturforscher auch eine sehr schöne Büste von Carlo von Erlanger auf dem Boden steht. Auch hiervon muss natürlich eine Aufnahme im Profil und von vorn gemacht werden.

Nochmals zur Bedeutung Carlo von Erlangers befragt, ist Dr.Klemmer der Meinung, dass v. Erlanger ein vielversprechender Forscher gewesen sei, aber wegen seines frühen Todes nicht die Bedeutung z.B v. Berlepschs oder Kleinschmidts hat erlangen können.

Nach herzlicher Verabschiedung ziehen wir zufrieden von dannen in der Gewißheit, dass wir wertvolles Material für die Arbeit gesammelt haben.