vorwort
 

Im Frühjahr 1991 gründete das Deutsche Historische Museum (DHM) sein Bildarchiv. Anlass dazu gab die Übernahme des Museums für Deutsche Geschichte (MfDG) / DDR im Oktober 1990, welches einen Fotobestand besessen hatte. Allerdings verlangte hier eher die Fülle als die Qualität der vorgefundenen Abzüge nach Systematisierung und Erschließung. Die meisten der archivierten Fotografien bestanden aus Reproduktionen, entnommen aus fremden Publikationen, aus Archiven der DDR und aus einer geringen Bestandsdokumentation; sie alle dienten ausschließlich als Bildquellen für die tägliche Inventar-Nr.: Negativ 54461Arbeit eines historischen Museums. Die Fotografie als eigener Sammlungsbestand war im MfDG weitgehend unbekannt. Von Interesse in jenem vorgefundenen Material war allerdings die Pressefotografie zur Geschichte der DDR. Das junge MfDG hatte sich in den 50er und 60er Jahren immer wieder bei ADN (Zentralbild) Pressefotografien besorgt, die man heute als kleine Vintages bezeichnen kann. Leider ist nach 1990 das Bildarchiv von ADN als Bundesbesitz dem Bundesarchiv Koblenz zugeordnet worden - ein Verlust für Berlin. Aus der gleichen Zeit stammten auch die Abzüge von Jewgeni Chaldej zur Eroberung Berlins im April/Mai 1945 und von Willy Römer, der die Revolution in Berlin von 1919 und die ersten Jahre der Weimarer Republik dokumentiert hatte. Beide Fotografen fertigten in den späten 50er, frühen 60er Jahren Abzüge für das MfDG an.

Neben diese Erbschaft trat schon bald die Bilderflut des DHM, die durch eine rege Ausstellungstätigkeit und durch die Dokumentation der erworbenen und übernommenen Museumsbestände in den 90er Jahren einsetzte. Diese sollte fachgerecht beschriftet und für kommende Benutzer öffentlich zugänglich werden. Bildvorlagen aus über hundert Ausstellungen, Reproduktionen aus der Bestandsaufnahme und Abbildungsmaterial aus Publikationen (allein 18.000 Aufnahmen zum politischen Plakat für drei CD-ROM-Publikationen) wie auch der Zukauf von Fotografennachlässen und Bildagentur-Konvoluten haben das Bildarchiv im Laufe von zehn Jahren zu einer bedeutenden Bildquelle zur Kulturgeschichte und zur politischen Geschichte des 20. Jahrhunderts werden lassen. Inzwischen verwahrt es über 2,5 Millionen Negative und bietet einen Bestand von über 500.000 Abzügen an. Aus Platzmangel sind zwei umfangreiche Konvolute bei der Anzahl der Abzüge noch nicht einmal berücksichtigt: das Sportbildarchiv Schirner und das Bildarchiv einer westdeutschen Tageszeitung mit zusammen über 300.000 Motiven. Sie werden erst 2003 im Dachgeschoss des Zeughauses nach dessen grundlegender Rekonstruktion ihre Neuaufstellung finden.

Inventar-Nr.: BildarchivFür die wissenschaftliche Arbeit, für Ausstellungen und Publikationen stand das Bildarchiv seit Beginn nicht nur den Mitarbeitern des DHM, sondern jedermann offen. Als Dienstleistung bietet es auf Nachfrage darüber hinaus thematische Recherchen und den Bildversand an, so dass auch zu Verlagen und Zeitschriften außerhalb von Berlin ein umfangreicher Bildkontakt gepflegt wird. Auf speziellen Wunsch versendet das Archiv Bilddateien seit zwei Jahren auch online. Durch Erhebung von Bearbeitungs- und Nutzungsgebühren versucht es in gewissem Rahmen zwar Einnahmen zu erwirtschaften, unterstützt jedoch andererseits durch Gewährung von Preisnachlässen zahlreiche Nachwuchswissenschaftler und deren Forschungsberichte.Durch den großzügigen Ankaufsetat der 90er Jahre war es dem DHM möglich, sich einem Kulturgut zu widmen, zu dem man damals erst ein Sammel- und Überlieferungsbewusstsein entwickelte: der Pressefotografie. Durch den "Untergang der Schwarz-Weiß-Fotografie" seit den 70er Jahren und durch die technische Revolution der Bildvermittlung Ende der 80er Jahre stiegen ältere Fotografen und kleine Agenturen, deren Kapazität an das analoge Bild gebunden war, aus dem Geschäft der Bildvermarktung aus und trennten sich von ihrem Lebenswerk und Lebensunterhalt. Ein Museum mit fotohistorischem Engagement - dieses hatte das DHM in den 90er Jahren mehrfach unter Beweis gestellt - schien vielen der rechte Aufbewahrungsort für ihre Archive zu sein. Das Glück stand dem DHM in jenen Jahren bei seinen Erwerbungen zur Seite. Heute ließen sich viele dieser Ankäufe zu den damaligen Preisen nicht wiederholen. Das Verständnis für den kulturhistorischen Wert der Pressefotografie hat sich wesentlich verbessert, ebenso wie die auf dem Händlermarkt zu erzielenden Preise.

Nur bedingt berücksichtigt wurde die "Photosammlung des DHM", die in der Abteilung 20. Jahrhundert verwahrt wird. Hier liegen jene Abzüge, die wir als ausstellungsfähige originale Autoren- oder Künstlerfotografie bezeichnen: Abzüge, die aus restauratorischen Erwägungen und aus Gründen des Urheberschutzes nicht in den Kreislauf des Bildarchivs gehören.

Inventar-Nr.: BildarchivHeute, zehn Jahre nach der Gründung des Bildarchivs, sei dieser Rückblick erlaubt. Auch wenn es eine noch junge Einrichtung ist, konnte es sich seinen Platz unter den Bildarchiven in Berlin erobern. Sein damals gesetzter Schwerpunkt, ein Archiv für die Pressefotografie des 20. Jahrhunderts zu werden, hat sich in großen Teilen erfüllt. Das zweite Standbein, die Dokumentation der eigenen Sammlungen voranzutreiben, wurde durch die umfangreiche Publikationstätigkeit des DHM der 90er Jahre in allen Gattungen erreicht.

Nach zehn Jahren des Sammelns ist das Archiv auch an die räumlichen Grenzen seiner Möglichkeiten gestoßen. Trotzdem hört die Flut der Bilder nicht auf. Immer wieder bieten Fotografen gezielt dem DHM ihr Lebenswerk an, weil an diesem Haus für sie drei wichtige Elemente zusammenwirken: Sammeln, Ausstellen und der Dienst der Bildverbreitung. Neben großen Institutionen wie dem Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, dem Ullstein Bilderdienst, der Fotosammlung der Berlinischen Galerie und anderen mehrInventar-Nr.: Negativ 38923/3 hat das DHM in der Hauptstadt einen weiteren Ort für Bilder eingerichtet. Was aber nach wie vor in Berlin fehlt, ist ein Zusammengehen aller dieser Häuser zu einem "Haus der Fotografie" - gewiss, ein vermessener Traum. Denn die Einzelinteressen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Berliner Bildarchive lassen sich kaum vereinen. Aber trotzdem - immer wieder werden uns ganze Nachlässe angeboten, fragen Zeitungen bei uns nach für eine Endlagerung ihrer gigantischen Bildarchive: Dies alles soll keine Heimat finden? Nicht einmal in Berlin, dem Ort, wo die Illustrierte Presse in Deutschland ihren Anfang nahm? Fotohistorisches Potential und Fachwissen besitzt die neue Hauptstadt in ihren vielfältigen Fotoarchiven allemal.

Mein Dank gilt den Mitarbeitern des Bildarchivs aus den letzten Jahren: Frau Ute Grallert, Frau Liselotte Gruner, Frau Claudia Küchler und Frau Kathi Rumlow. Für die Anfertigung der Kurzbiografien und für die Mitarbeit an der Bildauswahl danke ich herzlich Frau Birgit Wolf. Ihr verdanke ich, dass dieser Rückblick erscheinen konnte.

Oktober 2001

Dieter Vorsteher

 

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