Kuba si, yankee no. Und Uncle Sam ist ein Schwede.
Die Deutschen und keine Komödien im Kalten Krieg

 

Läßt sich das Fehlen einer Filmgattung zu einer bestimmten Zeit erklären mit dem Charakter der zur gleichen Zeit tatsächlich produzierten Filme? Läßt sich also das fast vollständige Fehlen von deutschen Komödien zur Zeit der heißen Phase des »Kalten Krieges« (etwa zwischen 1947 und der Mitte der sechziger Jahre) erklären mit dem Charakter jener deutschen Filme, die zu dieser Zeit in den Kinos gespielt wurden und in denen der fragliche Zeithintergrund thematisch war? Die Abwesenheit erklären anhand des Vorhandenen? Dies scheint schlechterdings eine Unmöglichkeit zu sein. Und doch dürfte die Sache hier auf der Hand liegen: Die Bekanntschaft mit sogenannten »Kalte-Kriegs-Filmen«, allesamt sicherlich keine Komödien, läßt zumindest Schlußfolgerungen zu, weshalb weder in Ost- noch in Westdeutschland Staat bzw. Produktionsfirmen daran dachten, dem Publikum plötzlich in ernsthaften nationalen Angelegenheiten komödiantisch zu kommen. Denn national wurde der Kalte Krieg in deutschen Filmen fast immer abgehandelt. Daß sozusagen »dahinter«, gleich einem riesenhaften Schatten, sich von Anbeginn an eine globale Auseinandersetzung zunehmend konkretisierte, ist in den meisten deutschen Filmen - aus heutiger Perspektive nicht immer gleich auszumachen. Den Zeitgenossen war dies vermutlich eine Selbstverständlichkeit, auch wenn die entsprechenden Filme aus beiden deutschen Staaten sich zumeist nur gegenseitig beschauten, immer wieder die deutsche Wunde, die sich durch das Land zog und im Westen »Zonengrenze«, im Osten aber »antifaschistischer Schutzwall« genannt wurde, neu aufrissen.

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. Septemberliebe (1961)- oder wir empfehlen die vertrauensvolle Beichte bei der Stasi

Nicht wirklich komisch


An Komödien, dem großen, streckenweise aber ganz weißen Blatt der deutschen Filmgeschichte, hat man im Osten wie im Westen Deutschlands während der fraglichen Zeit in jeweils sehr unterschiedlicher Zahl wie Form sich versucht. Diese deutschen Komödienstoffe nahmen allerdings kaum Bezug auf den dominierenden zeitgenössischen politischen Hintergrund. Der Kalte Krieg wurde durchweg »ernsthaft« (aber nicht seriös) in solchen deutschen Filmen thematisiert, die zwar niemand für komisch halten konnte und sollte, die das aber - zumindest für den heutigen Betrachter (und für den sensiblen Zeitgenossen) durchaus auch sein können. Es handelt sich in jedem Fall um das Phänomen einer - temporär wie intellektuell - distanzierten Betrachtung dieser Filme, die wiederum selber zu ihrem Thema keinerlei eigene Distanz wahren, und die wohl jenen Punkt überspringen, wo es gerechtfertigt ist, nun von politischer Indienstnahme, also Propaganda zu sprechen. Unfreiwillig komische Wirkungen zeitigten einige DEFA - Filme zum Thema noch eher als ihre westlichen Pendants.
So dürften gewissen Dialog - Passagen in Kurt Maetzigs Septemberliebe (1961), der in erster Linie um die Propagierung des Vertrauens der Menschen zum Ministerium für Staatssicherheitsdienst sowie um eine starke Abgrenzung zur Bundesrepublik sich bemüht, nicht erst seit der allmählichen Auflösung der DDR vollkommen am Ziel vorbeigegangen und vom Publikum in erster Linie mit zynischem Lachen kommentiert worden sein. Solche Sätze eines Stasi-Offiziers im Film sind ganz und gar unironisch: »Nun reden sie mal ganz offen« und »Gut, daß wir viel wissen, nicht?« Die heute vollkommen gewendete Bedeutung dieser Worte macht aus ihnen jetzt einen Anlaß zum Lachen, das weniger ironisch begründet scheint (weil seinem möglichen ursprünglichen Anlaß zu weit entfernt) als etwa kabarettistisch. Mit anderen Worten: Mehr als ein neuer und eindeutiger Sinn wohnt ihnen nicht inne.
In Frank Vogels DEFA-Film . . . und deine Liebe auch (1962) fällt ein Satz, der trotz der realen ökonomischen Probleme der DDR, die er anreißt, komisch wirkt ob seiner Formelhaftigkeit. Ein begeisterter junger Sozialist verschafft seinem etwa gleichaltrigen Stiefbruder, der stark nach Westberlin schielt und auch sonst nicht frei von Wankelmut ist, in einer volkseigenen Lampenproduktion Arbeit und spricht dann: »Mehr Licht, neue Exportaufträge. Die Republik braucht Devisen.« Eine jener tausendfach vorhandenen Transparent-Parolen in einen Spielfilm einzufügen, scheint nicht eben eine effiziente Art der Produktionssteigerung gewesen zu sein. Was so etwas allerdings produziert, ist immerhin eine Art milde Komik, wonach die Sprüche des Alltags jetzt auch noch im Kino ihren Platz bekommen. Dabei geht es hier doch im wesentlichen nur um eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern (dem Sozialisten und dem Wankelmütigen) und einer Frau (die sich am Ende klar für die DDR und für den Sozialisten Ulli entscheidende Briefträgerin Eva), die um den dramatischen Konflikt einer ungewollten Schwangerschaft bereichert ist. Unbeabsichtigt geht es hier aber auch um die Reise-Sehnsucht der DDR- Bürger. Für Ulli ist es kein Problem, »mit der ganzen Welt« zu kommunizieren, indem er am Abend entsprechende Funkkontakte aufnimmt. »Mich interessiert ja auch die ganze Welt«, meint er, und realisiert offenbar nicht, daß er nur einen Bruchteil davon wirklich würde kennenlernen können. Zum Beispiel Kuba, wohin seine Verbindungen besonders gut sind. Dorthin zieht es ihn zu einer Gegenvisite für sechs Wochen, nach seiner Rückkehr klärt er die Geschichte zwischen seinem Stiefbruder und Eva und zu Neujahr funkt er an seinen kubanischen Freund Alfredo: »Kuba si, yankee no. . .«. Da ist die Mauer schon über ein Jahr lang hochgezogen, jede Hoffnung auf ein deutsch- deutsches Zusammenkommen verschwunden und die endgültige Orientierung auf's sozialistische Lager beschlossen.
Neben der unbeabsichtigten »Komik« einiger Dialoge bringt Werner W. Wallroths Alaskafüchse (1964) eine solche der filmischen Blicke(!) und der Bauten(! !) ins Spiel. Die Story spielt in Icy Cape, einem Stützpunkt der US-Airforce nahe der sowjetischen Grenze. DDR- Darsteller spielen Fliegeroffiziere mit Namen wie Jim Leslie, Bob Harris und Gordon Gray, die genau der gleichen Schatzkiste der phantastischen anglo- amerikanischen Klischees zu entstammen scheinen wie etwa jene zur gleichen Zeit produzierten westdeutschen Edgar Wallace- Filme (z. B. Cliff Mitchell, Joe Rank, Jimmy Brown usw.). Colonell Reed wird stets sehr deutsch ausgesprochen als »Kolonel Reed« (übrigens ganz ähnlich wie schon in Janos Veiczis DEFA-Film For Eyes Only, einer Agentengeschichte von 1963, wo das von Deutschen gesprochene amerikanische Englisch eher »schräg« als echt klingt). Und wenn ein Offizier von einem Flug zurückkehrt, kann man sicher sein, daß er immer lauthals schreiend von seinen Kameraden »begrüßt« wird.

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Diskussion in
...und deine Liebe auch (1962)
Der Film bringt eine Mauerschau wie im Theater: Weil offensichtlich die Mittel fehlten, immer das auch zu zeigen, was zur Story gehört, muß der Protagonist erzählen, was er sieht und eigentlich auch die Zuschauer sehen müßten. Diese Unzulänglichkeit ist geradezu lächerlich, wird aber durch eine Maßnahme noch unterstrichen, die eigentlich den Mangel auf »filmische« Weise wohl kaschieren soll: Die Mauerschau ist zu hören, während die Kamera am Äußeren einer zentralen Wellblechhütte entlang führt und in jedes Fenster einzeln den »Blick« richtet. Das Komische daran zieht nun seine Wirkung um so mehr aus der mangelhaften Ausführung der Atelierbauten. Weder Blechhütten noch eingangs amerikanische Wolkenkratzer noch selbst die Weite der (gemalten!) Antarktis vermag der Film in ansprechender Form zu präsentieren. (Die Kamerablicke auf US-amerikanische Hochhäuser in manchen Filmen aus der DDR und der UdSSR ähneln sich mitunter aufs Haar: Stets aus der extremen Untersicht sind diese Atelierbauten fotografiert, sollen so aufgewendete Mittel und Materialien vorzeigen, demontieren ihren Anspruch indes durch die Puppenstuben-Atmosphäre ihrer Ausführungen.) Da ist es schon keine Überraschung mehr, daß auch ein sowjetisches U-Boot aus dem »Eis« auftaucht wie eine nur umgeformte Sardinenbüchse.
Nimmt man den Kalten Krieg als eine Art absurdes Theater, dann produziert ein DEFA-Film wie Martin Hellbergs Das verurteilte Dorf (1952) solches selbst. In ihm wird geschildert, wie ein westdeutsches Dorf von amerikanischen Plänen bedroht wird, dort einen Flugplatz aufzubauen, der zivilen wie militärischen Zwecken dienen soll. Die meisten Dorfbewohner wehren sich dagegen, bekommen Solidaritätsbekundungen aus dem ganzen Land, aber ausgerechnet unter ihnen fallen Formulierungen wie »Bärenweiler - ein deutsches Dorf« und »Deutschland den Deutschen! «

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Die großangelegte Solidaritätskund-
gebung in
Das verurteilte Dorf
(1952)
Schmunzeln läßt sich aber auch über einige Passagen im westdeutschen Film Menschen im Netz (1959) von Franz Peter Wirth, die mangelndem Talent zuzuschreiben sind: Die hemmungslos öde Story über östliche Agenten im westlichen Deutschland, die dort ihr Unwesen und arglose Menschen ins Unglück treiben, ist mitunter in einer derart stümperhaften Weise inszeniert, daß es Montagefehler geradezu hagelt und Verfolgungsjagden bzw. Zweikämpfe (mit einem an sich gebräuchlichen, hier aber durchaus unpassenden Wort: Action) sich ausnehmen wie Stellproben für eine Modenschau. Dieser spröde Charme des Billigen, der nicht aussieht wie bewußt herbeigeführt, ist allerdings heute - vielleicht mehr noch als 1959 - das Eintrittsgeld wert. Nebenbei dokumentiert sich hier auch das damals immer mehr zu Schaden gekommene Erzählvermögen westdeutscher Regisseure.


Im Ernst: Isolierte Komik

Zu den unfreiwillig komischen Vorkommnissen in ernst gemeinten Filmen gesellt sich, schon näher am Begriff des wirklich Komischen, ein Phänomen, das als »komischer Stilbruch« bezeichnet werden könnte. Es ist wie das kurzzeitige Eindringen eines komischen Stachels in gleichmäßiges, langweiliges Erzählfleisch.
Etwa in Menschen im Netz, wo Klaus Havenstein einen westlichen Kripo-Beamten spielt, der sich von Amateuren, die er verfolgen soll, sehr leicht überrumpeln läßt. Ein winziges Moment der Ironie, der Distanz blitzt da auf, wie es nur allzu selten anzutreffen ist.
Oder der ganz und gar nicht staatstragende berliner Kabarettist Wolfgang Neuss, der nur zweimal Filme allein tragen durfte, dafür aber mehr als einmal als komische Nummer auch in Filmen zum hier in Frage stehenden Thema benutzt wurde. So in Franz Caps Die Spur führt nach Berlin (1952) als Kleinganove und in Victor Vicas Weg ohne Umkehr ein Jahr später als Kleinkünstler in einem Vergnügungslokal. 1954 setzte ihn John Brahm in Die goldene Pest (der von einer westdeutschen Kleinstadt als Sündenpfuhl erzählt, weil die Bürger gierig sind auf's Geld der amerikanischen Besatzungssoldaten) zurückhaltend als Besitzer einer Jahrmarktsattraktion ein. Glücklicherweise hat Neuss, der Mann mit der Pauke, die Kraft, die Momente seiner Auftritte wirklich zu gestalten, sich gerade nicht einzureihen in die Story, sondern Kabarett zu machen auch da, wo es nun wirklich nicht paßt.

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Deutsche Arbeiter kommen deutschen Bauern gegen amerikanische Soldaten zu Hilfe in Das verurteilte Dorf
Nicht unbedingt für Komik, zumindest aber für Verwirrung sorgt ein an die Wand gepinnter Slogan in Gerhard T. Buchholz Film Postlagernd Turteltaube (1952): »Nie wieder Erdbeben« heißt es da hinter dem Schreibtisch einer westdeutschen Journalistin, und man fragt sich, was soll es bedeuten. Eine Satire auf die Transparent - Hysterie in Ostdeutschland? Die Forderung nach mehr menschlichem Glück? Die vermeintlich politisch-satirischen Schüsse von Autor und Regisseur Buchholz treffen allerdings mehr als einmal in diesem Film überall hin, nur nicht ins Schwarze.

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Wolfgang Neuss in einem seiner prägenden Kurzauftritte, hier in Weg ohne Umkehr (1953)
Will Tremper brachte 1961 in Flucht nach Berlin den Begriff des »Kommunistenhundes« unter. Damit war ein ans westberliner Seeufer geschwommener Schäferhund der Volkspolizei gemeint, der zwei DDR-Polizisten abhanden gekommen ist. Er würde auch allein wieder zurückfinden, sagen sich die beiden, als sie sein Verschwinden bemerken. Und schließlich: »Warum sollte der in Westberlin bleiben?« Dort will man ihn auch gar nicht haben. Als er zwischen den westlichen Badenden herumstreunt, bemerkt ihn ein korpulenter Herr: »Wo kommt denn der Hund her? Der beißt ja Kinder!« Den »Kommunistenhund« scheucht man schleunigst ins Wasser zurück. Tremper macht hier zeitgenössische Satire in einem sonst gradlinig erzählten Film über eine zwiefache Flucht aus der DDR-Provinz in die Hauptstadt Berlin, der vom Schwarzweiß - Schema so vieler anderer westdeutscher Filme kaum durchdrungen ist.

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Die Wirklichkeit eines Dorfes im Osten, aufgebaut im Westen
für Flucht nach Berlin (1961)
»Humor« auf Kosten der anderen Seite präsentiert, im Gesamtkontext kaum auffallend, Zwei unter Millionen (1961) von Victor Vicas und Wieland Liebske. Als die Grenze in Berlin noch durchlässig ist, vor dem Mauerbau im August 1961, kommt eine junge Frau aus Rostock in Ostberlin an und erkundigt sich nach dem Kurfürstendamm. Diese (schon kurze Zeit später absurde) Frage »kommentiert« der (nach der Mauerziehung in die Westkinos gekommene) Film durch die auf einem Transparent auffällig ins Bild gerückte »Gegenfrage«: »Hast Du schon Deine Aufbaustunden geleistet?« Dieser komische Effekt durch moralische Erinnerung einer fast schon »verlorenen« Tochter an ihre Verpflichtung bleibt im Film singulär, dieser - zugegeben - eigentlich schon sophisticated Tonfall wird sich nicht wiederholen.

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Das Wahrzeichen Westberlins in
Zwei unter Millionen (1961)
Auch die DEFA kann mit einer komischen Note aufwarten. Slatan Dudow hat in Frauensache (1952) dessen so überaus deutliche politische Botschaft (West - und Ostberlin sind wie Feuer und Wasser, Böse und Gut, Schwarz und Weiß) eigentlich »geschluckt« wird von Robert Baberskes phantastischen Agfacolor - Bildern und den vielen interessanten Frauenrollen, die Figur des von Albert Doerner gespielten Dr. Gebhardt erfunden. Der ist ein Dialektiker des Alltags. Er versteht alles sofort. Aber er hat auch zu allem eine andere Meinung parat. Das geht so weit, daß er sich zu Allgemeinplätzen hinreißen läßt: »Nichts gegen die Frauen, aber. . .! « Die Überspitzung einer solchen Figur, so unterhaltsam sie ist und so komisch sie wirkt, hat natürlich einen »ernsten« Hintergrund. Es geht hier um typisch männliche Verhaltensweisen und Redensarten, die auch im eigenen Alltag scharfsinnig wahrzunehmen Dudow Männern wie Frauen empfiehlt. DEFA- Komik, wenn sie denn überhaupt einmal bemerkt werden kann, hat hier ihren Grund in den sozialen Verhältnissen, zu denen auch die zwischen Frauen und Männern gehören. Das unterscheidet solche Komik, und sei ihr Auftreten noch so partiell bzw. isoliert in großen und »ernsthaften« Zusammenhängen, von jener der allermeisten westdeutschen Filme, wo sie oft nur ein Konstrukt ohne Fundament bleibt.


Keine komischen Reservate

 
In der Unmenge von ost- und westdeutschen Filmen, die aus heutiger Sicht zum Korpus der »Kalte- Kriegs- Filme« zu zählen wären, tummeln sich keine reinen Komödien. Eine Durchsicht der entsprechenden Filmographien sowie die Sichtung eines nicht geringen Teils der Produktion aus den Jahren 1947 bis 1967 ergaben dafür keine Anhaltspunkte. Dies umso mehr, wenn versucht wird, den Begriff der Komödie - ohne ihn definieren zu wollen - in dem hier untersuchten Zusammenhang paradigmatisch zu fassen. Dann soll Billy Wilders amerikanische, in Berlin (bzw. den Münchner Bavaria-Studios) entstandene Produktion One, Two, Three (Eins, Zwei, Drei) aus dem Jahre 1961 die »definitive« Komödie aus dem und über den Kalten Krieg sein. An ihr ist nichts zufällig und isoliert komisch, sie ist auch über 30 Jahre nach ihrer Entstehung in keinem Moment unfreiwillig komisch. Sie ist der komische Beweis für die radikal und kontrolliert durchgeführte Absicht, eine Komödie zum Thema Nr.1 zu machen. In ihr ist kein Absichern nach allen Seiten, nicht das Lavieren des Schwachen, der stets die Nase in den Wind hält, um sie dann erst auszurichten. Wilders Komödie nimmt eine gegebene Situation (Berlin kurz vor dem Mauerbau), eine ausgedachte Story (die auch die amerikanische Filmgeschichte zitieren darf), glänzende Darsteller und eine versierte Crew, um sozusagen frischen Wind in die verkrusteten Ost- West- Gegensätze zu blasen. Niemandem ist dieser Film etwas schuldig. Wilder greift darin bekannte Klischees auf (die verschworenen, tuschelnden, latent gewalttätigen und bürokratischen Russen; die unterhaltungssüchtigen, unternehmungstüchtigen, reiselustigen und oberflächlichen Amerikaner), und zeigt doch wirkliche Menschendarstellungen, weil er die Klischees ernst nimmt bis auf's l-Tüpfelchen, sie als Material für seinen Film begreift, mit dem sich eine Komödie formen läßt. Daß der Mauerbau am 13. August 1961 dem damaligen Erfolg des Films im Wege stand, ist so schade wie aufschlußreich für seinen Charakter: Auch anschließend konnte ihn keine Seite für ihre Zwecke gebrauchen.

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Horst Buchholz spielt einen Proletarier, der hier kurz vor der Vollendung des Umbaues in einen Aristokraten steht:
One, Two, Three (1961)
 

Spielarten des Humors

 
Kein deutscher Film gleicht dem Wilders auch nur annähernd. Zum weiteren Thema gehörig sind etwa manche westdeutschen Militärklamotten und - schwänke. Mikosch rückt ein (1952) von J.A. Hübler-Kahla oder Schütze Lieschen Müller (1956/57) von Hans H. König beispielsweise sind weder besonders militaristisch geprägt noch äußert sich in ihnen ein starker Antikommunismus. Es sind politisch instinktIose, schlecht gemachte schlechte Filme auf dem Niveau des Humors an deutschen Stammtischen, der ja noch nie ein guter politischer Ratgeber gewesen ist. Aber diese deutschen Filme - und etliche andere mit ihnen - reden ganz selbstverständlich wieder vom Militär als einer sozialen und politischen Institution, die nicht in Frage steht. Ihre Einkleidung mit hanebüchenen, dummen Geschichten ist hier allerdings weniger interessant als die pure Präsentation des Militärischen, das in den fünfziger Jahren in der politischen Wirklichkeit keine zufällige Rolle spielte, sondern in Form der Bundeswehr gezielt rekonstruiert wurde als Machtmittel gegen den anderen weltpolitischen Block, der östlich der Elbe schon begann. Nicht einmal zu Militärgrotesken, die ihre Wirkung nicht zuletzt aus einer derben Komik durch bewußte Übertreibung beziehen, hat es im deutschen Filmschaffen dieser Zeit gereicht.
Satirische Elemente sind zuweilen in DEFA- Filmen zu finden. Arthur Maria Rabenalts Chemie und Liebe etwa übt schon 1948 auf diese Weise Kritik an der hochkapitalistischen Gesellschaftsform und läßt seine Protagonisten am Ende »Das Land Kapitalia« verlassen.

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Das »Land Kapitalia« zeigt sich von seiner strahlenden Seite-
Chemie und Liebe (1948)
1956 konnte Slatan Dudow bei der DEFA seinen satirischen Ambitionen mit Der Hauptmann von Köln nachgehen. Die Geschichte eines stellungslosen Oberkellners, der durch eine Namensverwechslung mit einem heimgekehrten Kriegsverbrecher im Köln der Nachkriegszeit steile gesellschaftliche Karriere macht, war angesichts der westdeutschen Remilitarisierung und Rehabilitierung einstiger Nazi-Stützen ziemlich aktuell. Auch Kurt Jung- Alsens Hochmut kommt vor dem Fall aus dem Jahre 1960 scheint in Ansätzen auf Satire zurückzugreifen: Als ein vor der Pleite stehender westdeutscher »Kohlenkönig« ein Sensations- Hörspiel ernst nimmt, nachdem soeben »die Russen« in die Bundesrepublik einmarschiert seien, versucht er schnell, seine Tochter nicht länger an einen reichen jungen Mann zu verheiraten, sondern an einen einfachen Kraftfahrer. Als der Schwindel auffliegt, ist doch wieder derjenige mit den guten Beziehungen zur Wirtschaft Favorit.
Was wäre, wenn. . . ? heißt die entscheidende Frage in Gerhard Klingenbergs gleichnamigem Film von 1960. Was wäre, wenn das kleine Dorf Willshagen an der Staatsgrenze der DDR zur BRD geschlagen würde? Ernsthafte Diskussionen um soIche Gerüchte werden begleitet von Klatsch, Krach, Intrigen und Ängsten. Der Spott liegt bei den sogenannten »Vernünftigen« und für die Dorfbauern stimmt wieder einmal das alte Sprichwort: »Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«
Nur bei der fast unverschlüsselten Darstellung des CSU-Politikers Franz Josef Strauß gewinnt Richard Groschopps Freispruch mangels Beweises von 1962 leise satirische Qualitäten. Stiernackig und mit recht gelungener Stimm- Imitation taucht der als kleiner König in großer Kabinettsrunde auf - natürlich stets von hinten fotografiert. Unter seiner Politik, die bestimmt wird durch die Macht des Geldes, das aus der Industrie in die Parteikassen fließt, hat ein liberaler, idealistischer Publizist in München solange zu leiden, bis der Freitod für ihn zum einzigen Ausweg wird.
Gemessen am Entstehungsjahr 1962 (Uraufführung erst im August 1963) müßte Gerhard Kleins Sonntagsfahrer (Arbeitstitel: »Kehr zurück nach vorn«!) eigentlich die Wirkung einer - heute sogenannten »Realsatire« gehabt haben. Den Inhalt der von Wolfgang Kohlhaase und Georg Egel geschriebenen Geschichte entnehme ich einem Lexikon der DEFA- Filme: »Leipzig, 12. August 1961. Acht Menschen machen sich mit Autos auf die Reise, um illegal die DDR zu verlassen. Materielle Not treibt sie nicht zu diesem Schritt, eher stellen sie sich das Leben im Westen >freier< und einfacher vor. Nachts im Wald kommt Panikstimmung auf. In Berlin ist die Überraschung groß. Kein Zug fährt mehr in den westlichen Teil der Stadt. Es ist der 13. August 1961. Langsam kehrt den Verwirrten die Vernunft wieder. In Spiessacks (Rollenname; R.A.) Wohnzimmer sitzt bei seiner Rückkehr ein Volkspolizist unter den an die Wand geschmierten Wörtern: >Wir kommen wieder...<.« Sollte man lachen oder weinen?
Die »reinste« deutsche Komödie (wiewohl noch längst keine »Komödie reinsten Wassers«) zum in Rede stehenden Thema dürfte John Brahms Vom Himmel gefallen (1955) sein,wohl auch wegen seines etwas abwegigen Plots innerhalb gewisser zeitbedingter Wahrscheinlichkeiten: Im Garten der amerikanischen Botschaft in einem östlichen Phantasieland liegt ein Findelkind, das alsbald zum ostwestlichen Streit- und Propaganda- Objekt wird. Dem Baby, von den Botschaftsangehörigen schon bald »Sam« genannt, ist das gleiche widerfahren wie vorher schon den Texten von Dissidenten, Kompositionen von Musikern und Werken von Künstlern: Hier fungiert der Botschaftsgarten eines »freien« Staates in irgendeiner Volksrepublik als »Beschwerde-Briefkasten«. Ein Zettel findet sich am Menschenkind: »Geben Sie meinem Kind, was ich ihm nicht geben darf. Die Freiheit.« Vom Himmel gefallen ist dieser Mensch jedenfalls ebensowenig wie der Dreh- und Angelpunkt in der Handlung: Die Love- Story zwischen dem US-Botschaftsgesandten Adams (Joseph Cotton!) und Sonja (Eva Bartok), der rasch eingestellten Kinderschwester für den in eine Männerwelt geworfenen Findling, ist Dutzendware, die sich nur um Nuancen vom Rest unterscheidet durch den ungewöhnlichen Ort der Handlung.

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Der Findling Sam in einer einer Männerwelt in
Vom Himmel gefallen (1955)
Daß Ost und West als »Frau und Mann« auch in politisch »kühleren« Zeiten durchaus zusammenkommen können, haben andere, vor allem amerikanische und englische Filme immer wieder gezeigt (u.a. Ninotschka, 1939; The young lovers, 1954; Jet Pilot, 1959/57; Silk Stockings, 1957/57; Satan never sleeps, 1961). Interessanter als dieses wiederkehrende Motiv scheint jedoch die Verteilung der Geschlechter auf Ost- und West zu sein. Während Standard eine Frau aus dem Osten und ein Mann aus dem Westen sind, dreht Billy Wilder in One, Two, Three dieses Muster um. Mehr noch, er wendet auch den eingefleischten, aufmüpfigen ostberliner Kommunisten Otto zum letztlich fügsamen Coca- Cola- Repräsentanten.
Vom Himmel gefallen lebt von seiner hübschen Grundidee. Das ist nicht die zentrale Liebesgeschichte, sondern eine frühere, die zum Resultat »Sam« hatte: Heimlich hatten sich der schwedische Botschaftskoch Olaf (Gert Fröbe) und die heimische Lilli (Bruni Löbel) schon vor langer Zeit häufiger getroffen und dann sogar geheiratet. Daß gegen Liebe keine Unterdrückung (denn die wird hier vorausgesetzt) ankommt, ist die Botschaft. Liebe schafft Fakten. Uncle Sam wird so zum Schweden. Die kleine, nur erahnte Liebesgeschichte ist so die eigentliche. Weil dies den Filmemachern aber nicht bewußt war, legten sie den Akzent falsch und verhinderten eine gelungene Komödie. Als entsprechend mittelmäßig werteten auch die meisten zeitgenössischen Kritiken John Brahms Film, der in den USA als Special Delivery recht erfolgreich gelaufen sein soll. Die deutsche Filmwirtschaft erklärte sich dieses singuläre Phänomen vor allem mit dem strikten Verzicht auf jeden nur möglichen Hinweis darauf, daß es sich hier um eine deutsche Produktion handelt. »Zu deutsche« Stoffe würde das US- amerikanische Publikum nicht mögen. Aber da bestand bei diesem Film auch keine Gefahr.

Wolfgang Neuss ist immer Kabarettist gewesen. Der von ihm maßgeblich gestaltete Film Wir Kellerkinder (1960, Regie: Jochen Wiedermann) ist von Kabarett-Elementen ebensowenig frei wie in noch stärkerem Maße Neuss' einzige eigene Regiearbeit Genosse Münchhausen (1962). Der unter abenteuerlichen Bedingungen im Alleingang finanzierte Film ist gespickt mit geistreichen Wortwitzen, Kalauern und Wortverdrehungen, die ihn zwar nicht zur Komödie, das stets spürbare Mini-Budget aber nahezu vergessen machen. Im Drehbuch von Neuss geht es um den Kleinbauern Puste, der erst dicht an der »Zonengrenze« auf westlicher Seite ackert, dann für die NATO den Luftraum über der UdSSR erkundet, von dort mit anderen Sowjetmenschen in einem Raumschiff zur Venus fliegen soII, jedoch bei der Jeunesse dorée auf Sylt landet und via Helmstedt erneut auf seinem geteilten Acker eintrifft - diesmal auf der östlichen Hälfte. Die krause Handlungskette ist Pustes Reise durch die kursierenden Ost- West- Klischees, aber auch durch das »Innenleben« der westdeutschen Republik mit ihren rechten Tendenzen und kleinen Skandälchen. Sie schafft mit ihren atemberaubenden Gag- Folgen genügend Distanz zu einer Wirklichkeit, die immer nur »ernsthaft« gesehen wurde und auch für Filmautoren offenbar nicht absurd genug war, um daraus ganz selbstverständlich den Rohstoff für komische Filme zu schlagen. Ersatzweise ärgerte die Kritiker der rein kabarettistische Zugang zum Thema, der für Spielfilme vermeintlich unpassend sei. Wie Neuss es auch machte: Richtig war es den meisten nie. Unbegreiflich bleibt dabei allerdings, wie - bei aller Kritik im einzelnen - ganz offensichtlich überhaupt nicht die Kühnheit von Genossen Münchhausen wahrgenommen wurde. Kühn nämlich ist dieser Film im Kontext der übrigen (mehr oder weniger am Boden liegenden) westdeutschen Filmproduktion zu Beginn der sechziger Jahre durchaus zu nennen.

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Wolfgang Neuss freut sich mit zwei Kosmonauten über die geglückte Landung auf Sylt in Genosse Münchhausen (1962)

Appendix

Wie es dann weiterging? An westdeutsche Komödien war auch fürderhin nicht zu denken beim nationalen Hauptthema. Der Kalte Krieg, das war in Deutschland vor allem die »schmerzliche« Grenze gewesen, und die wurde erst mit der Ostpolitik der Brandt-Regierung durchlässiger.
Was an deutschen Filmen folgte, waren scheinbar modifizierte Genre- Varianten, die sich in der weiten Welt der Spione, Bombenleger und geheimnisumwitterten genialen Erfinder tummelten (z.B. der deutsch- spanisch- französische Agentenfilm Operation Taifun von 1966, Regie: Alfonso Balcazar). Filme, die dem Thema der Ost- West- Konfrontation, das mittlerweile als definitiv gegeben galt, die eher unterhaltende Komponente abrangen (so der deutsch- österreichisch- spanische- französische Krimi Mister Dynamit - Morgen küßt euch der Tod von 1967, Regie Franz Josef Gottlieb). In denen die unmittelbare Bezogenheit auf deutsche Teilung, Stacheldraht und Berliner Mauer zurücktrat in eine rein kulissenhafte Funktion und manchmal überhaupt keine Rolle mehr spielte (z. B. bei der deutsch- italienisch- französischen Produktion Heißes Pflaster für Spione von 1966, Regie Mario Maffei, und dem bundesdeutschen Film Pension Clausewitz von Ralph Habib aus dem Jahre 1967). Oder in Sammy Drechsels zweiter Filmregie (nach Hinein, einem Film über die Fußball- Weltmeisterschaft 1958 in Schweden), der deutsch- französischen Ko-Produktion Zwei Girls vom roten Stern (1966) mit Lilli Palmer und Curd Jürgens in den (Ost- und West-) Hauptrollen. Der Versuch einer satirischen Überhöhung des konventionellen westlichen Agentenfilms scheitert hier nicht erst beim ausgesprochen müden Drehbuch, sondern schon bei den vorgeblich »witzigen« Ideen filmischer Gestaltung: Da geht gleich zu Beginn ein Zoom völlig ins Leere, und am glücklichen Ende, wenn USA und UdSSR plötzlich zusammen gegen den neuen Feind China auftreten, greift Drechsel gar zum allerletzten Klamottentrick, dem ganz und gar nicht ingeniösen Einsatz des Zeitraffers, einer zur Standardeinrichtung gewordenen Methode in westdeutschen Wald- und Wiesen- Filmen der sechziger und siebziger Jahre, denen vieles nachgesagt werden kann, nur nicht, daß sie komisch gewesen sind.


Rolf Aurich
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