Verhältnis zum Nationalsozialismus

Das Verhältnis Radziwills zum Nationalsozialismus wird gemeinhin als ein "zwiespältiges" bezeichnet, wohl auch deshalb, weil er trotz aller Anstrengungen nicht die erhoffte und erwartete offizielle Anerkennung erhielt und wegen seines expressionistischen Frühwerks sogar als "entarteter" Künstler ausgegrenzt wurde.

Die oben überlieferte Protektion durch hochgestellte Persönlichkeiten der Oldenburger NSDAP zeigt allerdings, daß der Künstler keineswegs zum Regime auf Distanz ging. Dabei wußte er lange vorher, in welcher Gesellschaft er sich befand. Insbesondere ein Mann wie der Gauleiter Carl Röver, der die NSDAP in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre im Bezirk Oldenburg und Ostfriesland aufgebaut hatte, hatte sich einen Namen gemacht durch hemmungslose Angriffe auf die Weimarer Republik und ihre Repräsentanten. In den Jahren 1931 und 1932 hatte er in ganz Norddeutschland Rede- und Versammlungsverbot. Er zählte in der sogenannten Kampfzeit zu den Volksverhetzern übelster Sorte, deren Sprache sich durch Brutalität und drastische Bilder auszeichnete. Nach seiner Ernennung zum Reichsstatthalter im Mai 1933 war sein Agieren insgesamt glücklos, und Ende der dreißiger Jahre sah er sich als "alter Kämpfer" durch die "Parteibürokraten" ausgebootet.78

Zwischen ihm und Radziwill gab es eine freundschaftliche Verbindung, da beide Männer ihren politischen Kampf aus dem Glauben an die "sozialistischen" Ziele des NS-Parteiprogramms geführt hatten und sich angesichts der Realität im "Dritten Reich" darum betrogen fühlten. Diese "Freundschaft" zwischen Röver und Radziwill gründete nach Aussage des Kunsthistorikers Olaf Peters auch auf der Tatsache, daß Carl Röver und der Radziwill-Sammler und "Busenfreund" des Malers, Georg Düser, Schulkameraden gewesen waren und in Oldenburg nur ca. 200 Meter voneinander entfernt wohnten.79 In den Besitz des Nervenarztes Düser, der höchstwahrscheinlich ebenfalls Nationalsozialist war, ging nach dem Zweiten Weltkrieg das "Grab im Niemandsland" über.80

Mit seinem selbstherrlichen Verstoß gegen die offiziellen Richtlinien über den Umgang mit "entarteten" Künstlern bewies sich Gauleiter Röver auf einem relativ gefahrlosen Schauplatz seine eigene, jedoch beschnittene Macht.

Es ist nicht einfach, sich eine klare Vorstellung von Radziwills Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zu machen. Erschwerend kommt hinzu, daß die Parteiakten, die vielleicht darüber hätten Auskunft geben können, vollständig zerstört wurden: Nur wenige Tage vor dem Eintreffen der kanadischen Armee im Gau Weser-Ems, in dem Radziwill lebte und für die Partei aktiv gewesen war, veranlaßte die lokale NS-Führung deren Vernichtung.

In der kunsthistorischen Literatur wird ein widersprüchliches, zumindest in einem Punkt von einer falschen Information ausgehendes Bild gezeichnet. So hält sich bis heute das Gerücht, Radziwill sei 1938 aus der NSDAP ausgeschlossen worden, was falsch ist.81 Es wurde gegen ihn ein Parteiausschlußverfahren wegen seiner frühen Bilder angestrengt, doch nie zu Ende geführt. Radziwill beschritt den parteiinternen "Beschwerdeweg" und protestierte beim "Stellvertreter des Führers", Rudolf Heß. Er verwies auf seinen Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg und darauf, daß zwei seiner Brüder "für das Vaterland gefallen" seien.82 Richtig ist, daß er 1938 nach der Aktion "Entartete Kunst" aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen wurde, was einem Ausstellungsverbot gleichkam.83 Trotzdem gab es gerade im April dieses Jahres in Wilhelmshaven die größte Radziwill-Ausstellung, die bis dahin in Deutschland veranstaltet wurde. Hohe Funktionsträger und Vertreter von Behörden und Institutionen ließen es sich nicht nehmen, der Eröffnung beizuwohnen. "Der Vorsitzende des Kunstvereins, Oberbürgermeister Dr. Nutzhorn, verstand es vortrefflich, bei der gestrigen Eröffnung der Ausstellung, an der unter anderen teilnahmen der Kommandierende Admiral, der Kreisleiter, Vertreter der Jadestände und andere Behörden und Organisationen, auf die Bedeutung dieser Ausstellung als größte bisher in Deutschland gezeigte hinzuweisen und den Künstler Radziwill, den er als Parteigenossen und Landsmann besonders begrüßte, zu würdigen."84

Oft wird Verwunderung darüber geäußert, wie der mit der Moderne identifizierte Künstler sich dem Nationalsozialismus hatte anschließen können. Es wird seiner politischen Naivität, nicht aber seiner Überzeugung zugeschrieben. In einem Ausstellungskatalog von 1981 ist zu lesen: "In naiver Fehleinschätzung verpflichtet sich Radziwill 1933 einer politischen Bewegung, die ihm zwar zu einer zweijährigen Professur an der Kunstakademie verholfen hat, seinen Empfindungen, seiner Lebensanschauung und seinen künstlerischen Intentionen aber zutiefst widerspricht."85 Ganz ähnlich steht im "Lexikon der Kunst", Radziwill sei wie andere Künstler des "konservativen Flügels" der Neuen Sachlichkeit "für kurze Zeit der faschistischen Demagogie" verfallen.86

Der Kulturhistoriker Peter Ulrich Hein hält dagegen, neben Emil Nolde wäre Radziwill ein "treuer Parteigenosse" gewesen, und das "sogar weit über den Zeitpunkt hinaus, zu dem man begonnen hatte, seine Arbeit als entartet zu klassifizieren".87 Und im Emdener Katalog erklärt der Schweizer Kunsthistoriker Ulrich Gerster das damit, daß der Künstler sich als "Revolutionär von rechts" und "als avantgardistischen Kämpfer für die nationale Erneuerung der Kunst in Deutschland" gesehen hätte.88

Einigkeit besteht in der Einschätzung, daß Radziwill die Weimarer Republik ablehnte und auf deren Überwindung durch eine "konservative Revolution" hoffte. Der als dekadent empfundene Materialismus der bürgerlichen Gesellschaft sollte zugunsten einer egalitären Gesellschaft abgeschafft werden. In diesem Sinne war der Maler ein Antimodernist. Den Errungenschaften der modernen Zivilisation, insbesondere den Städten und dem technischen Fortschritt, stand er mit ambivalenten Gefühlen gegenüber. Diese faszinierten, stießen mit ihren Negativerscheinungen zugleich aber ab. Immerhin scheint auf Radziwill das zuzutreffen, was Gotthard Vierhuff über den "konservativen Flügel" der Neusachlichen Maler feststellte. Die Romantiker und magischen Realisten, zu denen auch Radziwill gerechnet wurde, wären wie viele Intellektuelle zunächst von den revolutionären Ereignissen mitgerissen worden, dann aber bald auf politische Distanz gegangen, und hätten, weil sie der Wirklichkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse entflohen, anfangs vom Nationalsozialismus zum Teil noch übernommen werden können.89 "Ihre idyllischen, zeit- und realitätsfernen Bilder, ebenso jene, die die Technik zum Fetisch werden ließen, konnten durch die scheinbare Objektivität und Gegenständlichkeit der Malweise ihre bürgerliche Ideologie nicht verwischen, und wenn diese nur darin bestand, sich jeder politischen Aussage zu enthalten."90

Noch in den siebziger Jahren wurde in Publikationen über Werk und Leben Radziwills zu seiner NS-Vergangenheit geschwiegen. Nicht einmal seine Parteizugehörigkeit hielt man für erwähnenswert.91 Radziwill trug mit seinen Interviews nicht unbedingt dazu bei, Licht in dieses Kapitel seiner Biographie zu bringen. Die NS-Vergangenheit behandelte er nur kurz.

Folgende Sachverhalte können zu den Tatsachen gerechnet werden. Jahre vor seinem Parteieintritt sympathisierte der Maler mit der NSDAP. Am 1. Dezember 1930 schrieb ihm sein Freund Niemeyer: "… Den Bremer Nazi-Erfolg, den ich vorhin las, wirst Du schon gestern abend befriedigt vermerkt haben."92 Bei den Bremer Wahlen am 30. November gewann die NSDAP erstmalig 32 Sitze. Zwei Jahre später, während einer Reise durch die Schweiz, ließ Radziwill die Gelegenheit nicht ungenutzt, für den Nationalsozialismus zu werben.93 Und in einem Brief vom 1. Juli 1932 an Niemeyer bekannte er ohne Umschweife: "Die Nationalgalerie hat von mir ein Bild erworben (es handelte sich um das 1930 entstandene ›Hafen mit großen Dampfern‹, K. A.). Justi schreibt einen Brief, in dem merkwürdige Andeutungen stehen, daß es erst jetzt geschehen konnte, früher hätte es das preußische Ministerium nicht gewollt. Es scheint doch so allerhand in dem Weimarer-System möglich gewesen zu sein. Jedenfalls scheine ich als Nazi in Berlin schwer verrufen zu sein. Dieses ist mir aber bester Lohn, weiter für diese hohe Bewegung zu werben, die den schönsten Sinn hat, Deutschland! Wenn Ihr am 30. Juli zur Wahl geht, dann gebt Hitler eure Stimme."94

Aus dem gleichen Jahr sind auch die ersten Briefe mit dem Berliner Bildhauer Günther Martin überliefert, der nur ein Jahr älter war als Radziwill. Martin war seit Anfang der zwanziger Jahre Mitglied in der NSDAP und SA, hatte aber eine zunehmend kritischere Haltung zur Partei, mit deren Entwicklung weg von ihrem Programm eines "nationalen Sozialismus", wie es von Gregor Strasser formuliert wurde95, und insbesondere mit dessen antimodernistischem, rückständigem Kunstbegriff und mit dessen Kunstpolitik er nicht einverstanden war. Martin wollte aus dem Inneren der Organisation Einfluß nehmen und den "wahren" Nationalsozialismus retten, und dafür suchte er Radziwill als Verbündeten zu gewinnen. "Wir haben um einen neuen Inhalt der Kunst gekämpft und haben ihn gefunden. Jetzt müssen wir zu einem neuen Kampf antreten um die Geltung der Kunst. Ich bin überzeugt, daß diese Auseinandersetzung, die mit dem Versuch gemeinsamer Ausstellungen beginnen muß, uns Enttäuschungen bereiten wird, an die man anfangs lieber nicht denkt. Aber gerade darum (und nicht etwa, weil ich mich zu Versprechungen berechtigt fühle) bitte ich um Ihre Mitarbeit."96 Etwas später erläuterte Martin in einem anderen in diesem Zusammenhang interessanten Brief: "Ich glaube, daß wir zur gegenwärtigen Lage die gleiche Stellung haben: Es geht nicht um die politische Machtübernahme, sondern um die innere kulturelle Erneuerung des deutschen Menschen, des deutschen Volkes. Die Wurzeln dieser Erneuerung reichen in die Kriegszeit, in das Frontsoldatentum, hinab. Der Nationalsozialismus ist als Partei dem Geiste seiner eigenen Bewegung untreu geworden. Unsere Aufgabe ist es, den Sinn der Bewegung und den Geist, den die Partei politisch-programmatisch verdirbt, kulturell zu erneuern und zu deuten. Wir stehen mit dieser Überzeugung nicht allein. Ich hoffe, daß ich Sie hier mit einigen Leuten, die die gleiche Aufgabe sehen, zusammenbringen kann."97

Diese kulturpolitische Zusammenarbeit zwischen Radziwill und Martin war kein Akt politischen Widerstands, sondern drückte lediglich eine oppositionelle Haltung auf dem Gebiet der Kunst und Kunstpolitik aus.98 Bis 1937 versuchte Radziwill, seinen Einfluß auf diesem Wege geltend zu machen gegen die antimodernistischen Strömungen innerhalb der NSDAP, für die vor allem Alfred Rosenberg und sein Kreis und der Kampfbund für Deutsche Kultur standen.

Durch die Beziehung zu Martin, die später eine Freundschaft wurde, erhielt Radziwill Kontakte zu hochgestellten politischen Funktionsträgern in Berlin. Im Februar 1933 schrieb er an seine Frau: "Eben komme ich aus dem Reichsinnenministerium, wo ich eine lange und schöne Unterhaltung mit Herrn Dr. von Keudel gehabt habe. Diese Unterredung war sehr wichtig, weil Herr von Keudel die gesamten Ministerien mit Bildern schmückt. Meine Anschauungen über Staat, Vaterland und Kunst haben ihn sehr interessiert und ich soll in dieser Woche einmal zu ihm kommen."99 In einem Brief vom 1. März 1933 an seine Frau frohlockte Radziwill: "Es ist eine Freude, alle so mit wackeligen Beinen laufen und stehen zu sehen. Hier geht es wie an der Front, mir kann nichts passieren, wir sind immer in der Scheiße. Herrlich, uns drücken nicht die Sorgen des gesellschaftlichen Ansehens und des Entlassenwerdens. Wir sind die Persönlichen, die Unerkäuflichen. Wir sind die Rüstung unseres herrlichen Vaterlandes."100 Sieben Tage später bat er seine Frau: "Schreibe mir aus dem Dorf, was man dort macht, ob die Fischer schon die Körbe für den Fang in Ordnung machen. Was unsere Kommunisten machen. Die ganzen kommunistischen Drahtzieher, die hier verhaftet sind, haben elende Senge bezogen von der SA. Gestern war ich mit verschiedenen zusammen. Auf dem Kurfürstendamm sind Nazi-Sammler an die ganz feinen Jüdinnen herangegangen und haben gesagt, ›geben sie für die Nazis, diese bauen euch eine Einbahnstr. nach Jerusalem‹. In Berlin möchte ich kein Jude sein. Aber so geht es, wenn man zu üppig und anmaßend wird, immer kommt eine Strafe."101 Mitte März begaben sich Radziwill und Martin zu Reichskommissar Rust: "Am Freitag war ich mit Martin bei der höchsten Stelle für Kulturangelegenheiten, und zwar bei dem Reichskommissar Rust, zum Empfang. Wir haben dort unsere Aufgaben, die wir uns gestellt haben, entwickelt und er hat alles mit großem Interesse gehört. Er hat sich sehr für meine beiden Kriegsbilder interessiert, und dann stellte sich heraus, daß wir beide an derselben Front zur selben Zeit am Naroczsee gelegen haben. Wo ich in Berlin mit den höchsten Stellen des Nationalsozialismus verkehre und für ihn arbeite, macht man in Varel die gemeinen Behauptungen, ›ich sei als Kommunist verhaftet‹. Sage dieses bitte Wilhelm Hillen (Ortsgruppenleiter der NSDAP in Dangast, K. A.), er möchte, wenn diese Dinge eine breitere Ebene einnehmen, dafür Sorge tragen, daß solche Gemeinheiten unterbunden werden. Denn die Urheber sind sicher Kommunisten, um mich zu verleumden."102

Im April 1933 besichtigte Radziwill in Wilhelmshaven das neue Panzerschiff "Deutschland". (1937 verwendete er es als Bildmotiv.) Des weiteren knüpfte er über den Architekten und Hilfsreferenten im Kultusministerium, Winfried Wendland, eine Verbindung zum Kultusministerium. Im November wurde er in den Vorstand des regionalen Reichskartells bildender Künstler Deutschlands gewählt. Nach dessen Auflösung war er in der Reichskammer der bildenden Künste tätig. Der neue Akademiedirektor, Peter Grund, ernannte ihn zum Verbindungsmann zwischen der Kunstakademie und den Städtischen Sammlungen.103

Am "Tag der Arbeit" 1933 trat Radziwill der NSDAP bei.104 Seine eindeutig nationale Haltung, sein langjähriges Engagement für den Nationalsozialismus, seine Parteizugehörigkeit und seine guten Kontakte zu wichtigen Politikern und Kulturfunktionären in national-konservativen und nationalsozialistischen Kreisen müssen als Voraussetzung für seine Ernennung zum Leiter einer Meisterklasse der Düsseldorfer Akademie im Juli 1933 gesehen werden. Hellmut Kotschenreuther glaubt sogar, daß sich Joseph Goebbels persönlich für die Professur eingesetzt hatte. "Goebbels hatte sich von Radziwills Kriegsbildern ›Der Unterstand am Naroczsee‹ und ›Das Schlachtfeld von Cambrai 1917‹ beeindrucken lassen, fand in ihnen wohl Bestätigung für den todessüchtigen Heroismus, den er so gern in seinen Reden proklamierte."105 In Düsseldorf ersetzte Radziwill seinen entlassenen Vorgänger Paul Klee.

Seit 1932 war Radziwill mit hohen Offizieren der Kriegsmarine in Wilhelmshaven und Flensburg befreundet, die zum Teil auch seine Bilder kauften und sammelten. Nun, 1933, unternahm er etliche Fahrten auf Kriegsschiffen. Aus den Studien der Seereise nach Spanien im Jahre 1938 an Bord des Panzerkreuzers "Admiral Scheer", der von Radziwills Freund Kapitän Otto Ciliax befehligt wurde, entstand das Erinnerungsbild "Beschießung von Almería".

Im Mai 1937, sechs Wochen nach der Zerstörung der Stadt Guernica durch die deutsche Legion "Condor", hatten republikanische Flugzeuge das Panzerschiff "Deutschland" angegriffen. Zur Vergeltung hatte die "Admiral Scheer" die Hafenstadt Almería beschossen. Neunzehn Menschen waren getötet worden. Radziwills Erinnerungsstück hing auf dem Panzerkreuzer im Arbeitsraum des Freundes.

Schon im Februar 1937 hatte sich Radziwill in einem Brief an seine Frau über den Spanischen Bürgerkrieg geäußert: "Wir sehen jetzt alle mit großem Vertrauen auf Spanien und hoffen, daß die Nationalen bald den endgültigen Sieg davontragen. Denn es ist auch unser Sieg, wenn die Nationalen siegen."106

Die Angriffe auf den Künstler wegen seines expressionistischen Frühwerks, die von der nationalsozialistischen Studentenschaft und anderen NS-Vertretern vorgetragen wurden, schwächten seine Position aber zunehmend, und Radziwill konnte sich an der Akademie nur bis Juni 1935 halten. Wegen angeblicher "pädagogischer Unfähigkeit" wurde ihm schließlich gekündigt. Drei Monate später wurde er vom Reichspropagandaministerium "rehabilitiert", die Amtsenthebung aber wurde nicht rückgängig gemacht. Das Kesseltreiben gegen ihn ließ nicht nach und fand seinen Höhepunkt in der Klassifizierung eines Teils seines Werkes als "entartet" im Jahr 1937. Nichts ließ Radziwill unversucht, sich dagegen zur Wehr zu setzen und seine parteikonformen Überzeugungen unter Beweis zu stellen. Ein "Verbrennt mich!", das der Schriftsteller Oskar Maria Graf noch den Bücherverbrennern zugerufen hatte aus Empörung darüber, daß sie sein Werk vor den Flammen verschont hatten, um es für ihre Interessen zu vereinnahmen, war seine Sache nicht. Im Gegenteil distanzierte er sich von seinem Frühwerk als "wertlosen Malversuchen", um deren Zerstörung er seinen Sammler Niemeyer schon im Juli 1937 gebeten hatte. 1938 sagte Radziwill öffentlich im Rahmen eines Vortrages anläßlich seiner Ausstellung in der Wilhelmshavener Kaiser-Friedrich-Kunsthalle, daß er nach seiner Rückkehr aus dem Krieg "die Umwertung aller Werte und in der Malerei die Auswüchse des Expressionismus" vorgefunden hätte. Und weil er im Expressionismus "nicht die deutscher Seele artverwandte Kunst" fand, wandte er sich schnell von dieser Richtung ab.107

Trotz der Anfechtungen hielt Radziwill dem Regime die Treue - und enge Verbindung zur Gauleitung Weser-Ems. Im Oktober konnte er Niemeyer mitteilen: "Seit einigen Wochen bin ich als Hauptstellenleiter der Partei in den Kreisstab aufgerückt und habe von hier aus bessere Möglichkeit, mich gegen meine Widersacher zu wehren und vor allem auch mit mehr Nachdruck die politischen Kameraden auf die Gefahren hinzuweisen, die gerade von den schwachen Malern getragen, durch einen aufgezüchteten Neid den wirklichen und begabten Malern entstehen. Dabei muß ich sagen, daß ich auf einer unserer letzten Gautagungen auf mehr Verständnis für diese Gefahr gestoßen bin wie ich vermutete. Ich stehe in dem Ruf, nicht bange zu sein. Das ist oft unangenehm empfunden worden, heute ist es aber eine Gewohnheit geworden, die vielen meiner Parteigenossen imponiert und sich für mich einsetzen. Die Schwierigkeiten werden auch in Zukunft noch groß sein, aber ich glaube diese überwinden zu können, wenn ich nur weiß, wo ich sie anzupacken habe."108

Das bewahrheitete sich nicht. Radziwill wurde im August 1939 zum Heer eingezogen und als Soldat im Rheinland und an der niederländischen Grenze bis 1941 eingesetzt. Aus Altersgründen vom Militärdienst befreit, mußte er 1942 zur Luftschutzpolizei in Wilhelmshaven und anschließend zum Feuerwehrdienst in Dangast. Von 1944 bis 1945 mußte er als technischer Zeichner in einer Rüstungsfabrik arbeiten und gegen Kriegsende noch zum Volkssturm. Er geriet in britische Kriegsgefangenschaft, konnte fliehen und kehrte nach Dangast zurück. In den Kriegsjahren basierte seine materielle Existenz fast nur noch auf Bildverkäufen an Freunde und Bekannte und auf der Vermietung von Gästezimmern in seinem Haus.